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Faule Demokraten.

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Warum schwänzen so viele Bürger:innen die Gemeindewahlen?

Der Landeshauptmann ist mit seinem Wahl-Appell gescheitert. In seinem Aufruf warb er für das Wählen, Arno Kompatscher (SVP) nannte die Gemeindewahlen eine Chance, die Zukunft mitzuentscheiden. One man/woman, one vote. Dafür kämpften viele Frauen und Männer, viele von ihnen wurden deshalb ermordet.

Das Wählen beschrieb der Landeshauptmann als Ausdruck des Respekts gegenüber jenen, die ihre Freizeit in den Gemeinderäten »verbringen«, zugunsten ihrer Mitbürger:innen. Viele schauen sich lieber die Serie A oder die Champions League an oder stehen stammtischquasselnd an den Bar-Tresen.

Wählen hat auch mit Respekt vor der Demokratie zu tun, kein Selbstläufer, keine Selbstverständlichkeit. Weltweit unterdrücken Autokraten und Diktatoren Demokraten, meistens brutal.

Das ist 40 Prozent der Bürger:innen wurscht. Also ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wählenden boykottierte die gestrigen Gemeindewahlen. Die Gründe dafür kann man erraten. Da wird die Politikmüdigkeit zitiert, der angebliche Frust, das graue Listen- und Kandidatenangebot.

In gleich 29 Gemeinden trat nur eine Liste an. Ein graues Angebot? Beispiel Laas, sie war die einzige Bürgermeisterkandidatin. Die dürftige Wahlbeteiligung betrug 58 Prozent. Und nicht nur das, es wurden auch viele ungültige Stimmen abgegeben. Selber schuld, wo bleibt das Bürgerengagement, wo bleibt das Interesse der betroffenen Bürger, mitgestalten zu wollen?

Laas ist kein Einzelfall. Warum engagierten sich nicht in vielen Gemeinden die Bürger:innen? Die Wahl boykottieren oder aber »ungültig zu wählen« ist doch ein schwaches demokratisches Signal — eigentlich gar keines, sondern Ausdruck eines gewissen menefreghismo.

Warum ist dem so? Keine Lust, für die Allgemeinheit zu arbeiten? Oder war die Zufriedenheit so groß oder gar die Angst, der SVP die Stirn zu bieten? Wie auch immer, eine vertane demokratische Chance. Die Verantwortung dafür tragen die Bürger:innen und ihre fehlende Lust, sich zu engagieren.

Besonders dramatisch sank die Wahlbeteiligung in den Städten. Diese betrug in Bozen nur mehr 52 Prozent, vor fünf Jahren waren es noch 60 Prozent. In Meran lag die Wahlbeteiligung bereits unter, in Bruneck knapp über 50 Prozent, vor fünf Jahren noch 60 Prozent. In diesen drei Städten stellten sich genügend Listen der Wahl, von einem grauen Angebot kann nicht die Rede sein. Desinteressierte Bürger:innen, zu faul zu wählen?

Nicht viel besser sieht es im Vinschgau aus. Eine demokratische Wüste. In zwei Gemeinden ging weniger als die Hälfte der Berechtigten zur Wahl, Spitzenreiter Taufers im Münstertal mit 44 Prozent; in vier Gemeinden weniger als 60 Prozent, in sechs Gemeinden knapp mehr. Positiver Spitzenreiter Schnals mit 75 Prozent. Ähnlich schwach ist die Wahlbeteiligung auch in den anderen Talschaften.

Eine Entwicklung nach unten, wie anderswo auch. Beruhigend ist dies keineswegs. Trotz ihres stolz präsentierten Erfolges darf die SVP jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Auch dieser Wahlboykott verdient sich einen Sonderparteitag, und, warum nicht, auch einen Sonderlandtag. Die demokratischen Institutionen verlieren bei ständig sinkender Wahlbeteiligung auch ihre Legitimation. Ein weckender Alarmruf ist notwendig.

Hat das Fernbleiben von der Wahl auch damit zu tun, dass sich die Vertreter:innen der verschiedenen Interessengruppen die Gemeinden so richten, wie sie es sich wünschen? Wie die Ausweisung von Handwerker- und Wohnbauzonen, das Ziehen der Siedlungsgrenzen usw. Tragen die üblichen Verdächtigen wegen ihrer kommunalen Lobbyarbeit somit auch Mitschuld und Mitverantwortung für das demokratische Desinteresse der Bürger:innen?

Möglicherweise ja, die Verantwortung tragen die Boykotteure aber selber. Nicht wählen heißt sich abwenden, den Gemeindeverwalter:innen den Stinkefinger zeigen, auf die demokratische Grundordnung pfeifen.

Anderswo schikanieren Autokraten, wie im Putin-Russland, Kandidatinnen und Kandidaten, sperren sie weg, weisen sie aus, im schlimmsten Fall werden Unbequeme auch erschossen. Südtiroler Bürger:innen leisten sich den Luxus, auf Wahlen zu pfeifen. Um dann nach geschlagener Wahl auf die da oben zu schimpfen, am Stammtisch.


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Comentârs

One response to “Faule Demokraten.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Die Gemeinde Taufers i. M. wird zu Unrecht immer als negatives Beispiel zitiert. Sie hat einen besonders hohen Anteil an Gemeindebürgern, die arbeitshalber auswärts (Schweiz, Österreich, Deutschland) leben und in den Wählerlisten aufscheinen, aber wegen der nicht funktionierenden Briefwahl nicht an den Wahlen teilnehmen können.

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