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Die Neunerprobe der Integration.

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Das aktive und passive Wahlrecht (wählen und kandidieren) wird früher oder später auch für Zuwanderer aus Nicht-EU-Ländern kommen. Das ist nicht nur richtig, es ist eigentlich längst überfällig. In Südtirol gibt es Menschen, die ihre Bürgerpflichten ordentlich erfüllen, die hier leben und arbeiten, einkaufen, ihre Kinder zur Schule schicken und pünktlich ihre Steuern bezahlen*. Und sie sind — leider noch zu selten — Mitglieder in Freizeitgruppen und Vereinen. Wenn Demokratie heißt, dass die Entscheidungskraft von den Bürgerinnen ausgeht, dann ist es völlig unverständlich, dass diese neuen Südtirolerinnen nicht mitentscheiden dürfen.

Was sicherlich zutrifft ist, dass ein besonderes Land wie Südtirol, in dem mehrere Minderheiten leben und wo fein austarierte Gleichgewichte herrschen, viel sensibler auf die Ausweitung des Wahlrechts auf eine neue Gruppe reagieren wird, als dies woanders der Fall ist. Das ist aber kein Grund, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, um Zuwanderung zu verhindern oder ihren Einfluss auf unsere Demokratie zu beschränken. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte wird sich die Zahl der neuen Südtirolerinnen wohl exponentiell vergrößern. Die Panikmache der Rechten wird ihr selbst zwar einige Stimmen bescheren, für unser Land jedoch wird sich dies als reiner Zeitverlust entpuppen. Vielmehr wäre es die Aufgabe der Politik, auf unsere besondere Situation mit einer ebenso besonderen, gezielten Aufnahme- und Integrationsarbeit zu reagieren. Mit einem Konzept zumal, das die Zuwanderer zu neuen, mehrsprachigen Südtirolern werden lässt, die eine Sensibilität für die Andersartigkeit und die Vielfalt unseres Landes entwickeln. Dies ist bis heute nicht der Fall.

Im Klartext: Das Wahlrecht für Zuwandererinnen wird sich als Neunerprobe für die Integration erweisen — und jedes Versäumnis wird leider sehr unangenehme Auswirkungen auf unser Land haben, sobald die neuen Südtirolerinnen die gleichen Rechte haben wie wir alle.

Siehe auch: 01 02

*) dies darf aber, wie bei allen anderen, nicht die Voraussetzung für Inklusion sein



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Comentârs

2 responses to “Die Neunerprobe der Integration.”

  1. niwo avatar
    niwo

    Die in diesem Beitrag angesprochene Entwicklung wird das wichtigste Thema der nächsten Jahrzehnte. Sollte es nicht gelingen die EinwandererInnen als SüdtirolerInnen zu integrieren, sondern aus ihnen BürgerInnen zu machen, die bei uns wie in jeder x-beliebigen anderen italienischen Provinz leben, wird die Vielfalt unseres Landes über kurz oder lang den Bach runter gehen.
    Die offizielle Politik wird dieser Herausforderung bis heute überhaupt nicht gerecht. Die deutsche Schule hat die Integration verschlafen und dies all zu gerne der italienischen Schule überlassen. Unsere Mehrheitspartei überlegt noch verkrampft, ob sie sich ItalienerInnen öffnen soll, von AusländerInnen gar nicht zu reden und von Maßnahmen den neuen MitbürgerInnen unsere besondere Situation und Kultur zu vermitteln und sie mit entsprechenden Sprachkenntnissen auszustatten ist bis dato wenig zu vernehmen.
    Flankierend zu einem wirksamen Integrationspaket ist mittelfristig auch eine regionale Südtirol-Staatsbürgerschaft notwendig. Dies nicht, um AusländerInnen neue Hürden aufzuzwingen, sondern um das procedere zur Einwanderung einem mehrsprachigen Land entsprechend zu gestalten. Es geht nicht an, dass Rom Aufenthaltsgenehmigungen für Südtirol erteilt oder ablehnt, es geht ebenfalls nicht an, dass Rom Asylanträge ablehnt, die vielleicht in Südtirol angenommen würden – in vielen EU Ländern werden ja so gut wie gar keine Asylanträge mehr angenommen und diese Materie ist, man staune, noch immer nationalstaatliche Domäne. Der schwedischen EU Ratspräsidentschaft ist es nicht gelungen dies EU weit zu vereinheitlichen. Aber damit wären wir schon beinahe off topic.
    Im Zusammenhang zur Integration bedarf es gründlicher gesellschaftlicher Diskussionen, die sich bei uns mit der durch das Autonomiestatut zementierten ethnischen Austarierung vermengen. In Katalonien hat man dieses Problem ja weniger, da dort ein einheitliches Schulsystem existiert, das auch einer wirksamen Integration gerecht wird. Ich gehe mal davon aus, dass ein katalonischer Schüler mit Migrationshintergrund in Katalonien auch katalanische Geschichte vermittelt bekommt. In der italienischen Schule Südtirols wage ich dies zu bezweifeln.
    Mittelfristig ist das katalanische, asymetrische Modell einer einheitlichen Schule auch für Südtirol anzustreben. Dies nicht nur um zwischen den Sprachgruppen einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen, sondern auch um MigrantInnen wirksam mit einer mehrsprachigen Realität vertraut zu machen und sie zu mehrsprachigen SüdtirolerInnen zu machen.

  2. hunter avatar
    hunter

    ich bin da sehr pessimistisch und auch ein wenig desillusioniert. auch weil es mich zum teil selbst betrifft. wobei ich noch ein “privilegierter”, da eu-bürger, bin. ich bin als journalist in das “elenco straniero” in italien eingetragen. ich zahle jährlich meine gebühren an die kammer und habe auch gut 200 euro für die eintragung selbst entrichtet (wie alle anderen journalisten in italien auch). ich bin über die journalistenkranken- und pensionskassa versichert. vor zwei jahren macht ich mich anlässlich der kammerwahlen auf in die wangergasse in bozen, um meine stimme abzugeben. da kammerwahlen meist eine recht geringe wahlbeteiligung haben, freute man sich sogar, als ich auftauchte (vorsitzender der kommission war übrigens ein gewisser w. vontavon :-). als man jedoch feststellte, dass ich österreicher bin, wurde ich nach hause geschickt. nicht wahlberechtigt. es lebe das grenzenlose europa.

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