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Komplexität als Schutz vor dem Verfassungsgericht.

Die rechtsrechte Regierung von Giorgia Meloni (FdI) will Südtirol angeblich die in Vergangenheit vom Verfassungsgericht beschnittenen autonomen Zuständigkeiten zurückgeben. LH Arno Kompatscher und Landesrat Philipp Achammer (beide SVP) haben sich zu diesem Zweck mit der Neofaschistin kürzlich auf die Einrichtung eines Arbeitstisches mit Vertreterinnen von Staat und Land geeinigt.

Wie Rai Südtirol berichtet, fordert der Verfassungsrechtler Francesco Palermo in diesem Zusammenhang

klarere, komplexere und unmissverständliche Formulierungen.

– Rai Südtirol

Das kann dann auch zur Folge haben, dass die Texte nicht nur länger, sondern auch komplexer werden.

– Francesco Palermo

In modernen Demokratien wird grundsätzlich versucht, Gesetzestexte klar, aber auch so einfach wie möglich zu formulieren1vgl. z.B. § 42 Absatz 5 Satz 1 GGO in Deutschland, sodass sie möglichst nicht nur von Juristinnen verstanden werden. In Italien und speziell im Kontext der Autonomie ist aber offenbar das Gegenteil erforderlich: Da das Verfassungsgericht in Vergangenheit bewiesen hat, dass es nicht versucht, loyal dem Geist von Bestimmungen, also der Intention der Gesetzgebenden, zu folgen, sondern jeden Interpretationsspielraum nutzt und sich gar Neuerungen (wie die Querschnittkompetenzen) aus den Fingern saugt, um den Zentralstaat zu stärken und die Autonomien zu schwächen, sind nun »längere« und »komplexere« Formulierungen nötig.

Was aber ist eine Autonomie wert, die nach Punkt und Beistrich nicht nur gegen die Zentralregierungen, sondern auch gegen den Schiedsrichter verteidigt werden muss? Man wird Autonomiebestimmungen wohl nie so komplex formulieren können, dass Richterinnen mit einer politischen Agenda sie nicht wider ihren eigentlichen Sinn auslegen können. Und: Je komplexer und detaillierter das Autonomiestatut verfasst sein muss, desto weniger wird es auf künftige (rechtliche, gesellschaftliche, technologische) Entwicklungen vorbereitet sein, die heute noch nicht vorhersehbar sind.

Vielleicht wäre es wirklich an der Zeit, dem Verfassungsgericht die Zuständigkeit für das Autonomiestatut weitgehend zu entziehen und sie einem eigenen Gericht zu übergeben.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

  • 1
    vgl. z.B. § 42 Absatz 5 Satz 1 GGO in Deutschland
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Tag+Nacht: Eiskanal Anpezo oder Igls.
Olympia 2026

Der Geschäftsführer der Infrastrukturgesellschaft für die Olympischen Winterspiele 2026, Luigivalerio Sant’Andrea, hat der Austragung von Wettbewerben im Eiskanal von Igls bei Innsbruck eine endgültige Absage erteilt. Die Renovierung der Bahn dort würde 50 Millionen Euro kosten, weshalb sich diese Alternative zur neuen Bobbahn in Anpezo nicht gelohnt hätte.

Ähnlich hatte sich beim Pro&Contra von Rai Südtirol am 10. Jänner auch der Südtiroler NOK-Chef Alex Tabarelli geäußert:

Übrigens muss ich hinzufügen, Innsbruck ist fast in derselben Situation [wie Anpezo], müsste jetzt auch die Bahn neu machen und überarbeiten. Die Kosten in Innsbruck würden sich auf ca. 50 Millionen belaufen, sie haben jetzt ein kleines Projekt um 30 Millionen gemacht, die Kosten in Turin [sic, gemeint ist Anpezo] betragen 80-85 Millionen.

— Alex Tabarelli (10. Jänner 2023)

Transkription von mir

Ferner sagte er:

Die Tatsache ist, dass Igls überhaupt nicht zur Diskussion gestanden ist — nie, das heißt nicht ein einziges Mal.

— Alex Tabarelli (10. Jänner 2023)

Transkription von mir

Interessant, dass Sant’Andrea etwas eine Absage erteilt, was kein einziges Mal zur Diskussion gestanden haben soll.

Nun erfahren wir aber dank Dolomiten vom Freitag, die in Igls nachgefragt haben: Den dortigen Eiskanal olympiatauglich zu machen kostet 30 Millionen, doch die Investition ist ohnehin geplant und die Finanzierung durch Bund, Land und Stadt bereits gesichert.

Weitere 20 Millionen wolle man investieren in Maßnahmen, die nichts mit der Wettkampftauglichkeit der Bahn zu tun hätten. Die Homologierung soll zudem bis 2025 abgeschlossen sein, die Bahn wäre also mit einem Jahr Vorlauf vor Olympia wieder einsatzbereit. “Wir haben das Angebot gemacht, dass die olympischen Bewerbe hier stattfinden können, eine Beteiligung an den Renovierungskosten ist keine Voraussetzung dafür”, so [der Geschäftsführer der Innsbrucker Olympia World Matthias] Schipflinger. Im Klartext: Die Olympia-Veranstalter bekämen die Bahn zum Nulltarif.

— Dolomiten (20. Jänner 2023)

Zudem macht Schipflinger darauf aufmerksam, dass man eine Bobbahn nicht kostendeckend führen könne, es sei mit einem jährlichen Dezifizit von über einer halben Million Euro zu rechnen.

Herr Tabarelli hatte dazu bei Pro&Contra behauptet:

Man muss a bissl vorsichtig sein, wenn man von Ziffern [sic] und Daten spricht, weil die Kosten einer Bobbahn belaufen sich im Jahr zwischen 700.000 und 800.000 Euro und man hat heute viele Einnahmen. Jede einzelne Fahrt, die ein Rodler auf irgendeiner Bahn macht, kostet 35 Euro, für einen Bobfahrer 70 Euro — brauchen wir uns nur ausrechnen, da wird zehn bis zwölf Stunden auf jeder Bahn gefahren, die derzeit auf der Welt ist und dann rechnen wir uns aus, also es gibt keine Bob- und Rodelbahnen, die passiv sind auf der Welt. Alle arbeiten aktiv.

— Alex Tabarelli (10. Jänner 2023)

Transkription von mir

Zumindest auf Igls trifft dies somit nicht zu, denn diesbezüglich liegen Herrn Schipflinger mit Sicherheit genaue Daten vor.

Letztendlich werde ich den Eindruck nicht los, dass das einzige stichhaltige Argument für Anpezo das nationalistische bleibt, dass eben ein Eiskanal auf italienischem Staatsgebiet unbedingt her muss. Für das höhere Ziel darf die Bevölkerung schon einmal bewusst in die Irre — und an der Nase herum — geführt werden.

Das laut NOK-Vertreter Tabarelli nicht existierende (nicht zu erwartende) Führungsdefizit des nationalistischen Größenwahns muss dann via Grenzgemeindenfonds unter anderem Südtirol stemmen.

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Eiskanal »in Italien« muss unbedingt sein.

Beim gestrigen Pro&Contra ging es auf Rai Südtirol um die Bobbahn für die Olympischen Winterspiele 2026. Das Team K und auch andere schlagen alternativ zur Errichtung einer neuen Anlage in Anpezo die Nutzung der bereits bestehenden im Nordtiroler Igls vor.

Alex Ploner (TK) diskutierte hierzu mit dem Präsidenten des Südtiroler Landeskomitees im NOK (CONI), Alex Tabarelli. Der wartete unter anderem mit folgender Aussage auf:

Die Olympischen Spiele organisiert Italien, wir werden ganz sicher in Italien eine Bahn bauen.

— Alex Tabarelli

Transkription von mir

Darum geht es also hauptsächlich. Ein neuer Eiskanal, der die Landschaft zerstört, der Umwelt schadet und Millionen verschlingt muss unbedingt her, weil für die nationalistischen Vertreterinnen des angeblich völkerverbindenden Sports eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Europaregion unvorstellbar ist. Dass da selbst der Südtiroler Ableger des NOK mitmacht und ein heimischer Sportfunktionär solche Töne anstimmt, ist schwer enttäuschend.

Bezüglich der Bau- und Führungskosten machte Tabarelli widersprüchliche Angaben. Einerseits soll sich die Anlage in Anpezo ganz sicher selbst tragen, andererseits gebe es aber gar keine offiziellen Daten zu den Kosten, da die Berechnungen nicht abgeschlossen seien.

Die zentrale Botschaft ist deshalb wohl diese:

Wir dürfen jetzt nicht anfangen, [darüber] zu reden, was dann mit öffentlichen Geldern [passiert].

— Alex Tabarelli

Transkription von mir

Im Vorfeld wurden noch ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Spiele versprochen, doch jetzt sind die Prioritäten — wie so oft — ganz andere.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 | 1›

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Hochspannung: Terna statt Edyna.
Zentralismus

Wie die italienischsprachige Südtiroler Rai berichtet, tritt die Alperia-Gruppe ihre Tochter Edyna Transmission GmbH zu 100% an den staatlichen Netzbetreiber Terna ab. Konkret gehe es um Hochspannungsleitungen mit einer Gesamtlänge von 34 Kilometern und um zwei Umspannwerke. Das Abkommen sei nicht näher genannten aufschiebenden Bedingungen untergeordnet.

Üblicherweise versuchen autonome Gebiete ja, strategische Infrastruktur vom Zentralstaat zu übernehmen und selbst zu verwalten. Warum die öffentliche Alperia in Südtirol den umgekehrten Weg beschreitet, erschließt sich mir deshalb nicht.

In dem Rai-Beitrag ist zwar davon die Rede, dass Terna durch die Zentralisierung eine höhere Effizienz anstrebt — doch genau die angebliche Effizienzsteigerung ist immer wieder ein Totschlagargument zentraler Akteure.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Katalonien: Papst für Ergebnisoffenheit.

Papst Franziskus hat der konservativ-monarchistischen spanischen Tageszeitung ABC ein langes Interview gewährt. In dem Zusammenhang wurde er auch zu Katalonien befragt. In Südtirol wird berichtet, er habe unser Land als Vorbild genannt oder gar »gelobt« (Rai Südtirol). In Wirklichkeit hat er jedoch einfach mehrere Möglichkeiten (von Autonomie bis Eigenstaatlichkeit) erwähnt, den Ball sehr flach gehalten und angegeben, dass sich die Kirche nicht für eine bestimmte Lösung einsetzen sollte. Vielmehr findet er, dass sie die Bevölkerung in ihrer Entscheidung ergebnisoffen begleiten sollte.

Jorge Bergoglio hält also die Sezession für eine gleichwertige und so ungefährliche Option, dass er es nicht etwa für nötig hält, klar Position dagegen zu beziehen.

Hier eine Übersetzung der betreffenden Stelle im Interview:

Welche Rolle sollte die Kirche in dieser Angelegenheit [die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen] spielen?

Spanien ist nicht der einzige solche Fall auf der Welt. Jedes Land muss seinen eigenen Weg in der Geschichte beschreiten, um derartige Probleme zu überwinden. Es gibt nicht nur eine einzige Lösung. Einige Gebiete haben Sonderstatuten erhalten, um solche Probleme zu lösen, in anderen kam es zu Teilungen, aus denen ein neues Land hervorging. Ist jetzt die Zeit für eine endgültige Lösung für Katalonien gekommen? Ich weiß es nicht. Das müssen Sie selbst entscheiden. Vor ein paar Jahren haben wir den Mut zweier Premierminister erlebt, die Frage in Mazedonien und Nordmazedonien zu lösen. In Italien gibt es ein Gebiet im Norden, Trentino-Südtirol, mit einem eigenen Statut, wo Deutsch und Italienisch gesprochen wird…. Die Engländer hatten eine sehr »englische« Lösung für die Forderungen der Schotten.

Katalonien genießt bereits eine sehr weitgehende rechtliche Autonomie, und das Problem ist, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung die Abspaltungsbewegung ablehnt.

Das ist kein außergewöhnliches Problem. Es ist eines, das im Laufe der Geschichte und in der Gegenwart immer wieder aufgetreten ist, und in anderen Ländern ist es häufig gelungen, es ganz oder teilweise zu lösen. Es kann Jahre oder Jahrzehnte dauern, dieses Problem zu lösen. Aber Sie sollten einen Weg finden, es zu lösen.

Sollte die Kirche eine Rolle spielen oder sollte sie sich heraushalten?

Die Kirche muss leibhaftig sein. Wenn die Kirche nicht leibhaftig ist, geht es nicht gut, sie muss ihre Menschen begleiten. Was die Kirche nicht tun darf, ist, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen; sie muss die Menschen begleiten, um eine endgültige Lösung zu finden.

Das hat manchmal zu Problemen geführt, weil die Priester die Unabhängigkeit unterstützt haben. Im Baskenland gab es in der Vergangenheit sogar Priester, die den Terrorismus gedeckt haben.

Wenn ein Priester die Orientierung über seine wahre Identität verliert, kann er leider in die Politik abdriften. Und wenn ein Priester in die Politik abrutscht, ist das nicht gut… er ist ein Hirte. Es gilt den Menschen zu helfen, gute Entscheidungen zu treffen. Wir sind da, um zu begleiten, nicht um Politik zu machen. Wenn Sie Politik machen wollen, treten Sie als Priester zurück und gehen in die Politik.

Ich bin übrigens trotzdem nicht der Meinung, dass ein kirchliches Oberhaupt in einer solchen Frage eine Instanz sein sollte.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Demonstrieren als Provokation?

Für den Koordinator der neofaschistischen Fratelli d’Italia war der Schützenaufmarsch nahezu ein Anschlag auf die staatliche Einheit.

Marco Galateo, bisher Gemeinderat der Fratelli im Bozner Gemeinderat, empfindet den Fackelzug der Schützen in Erinnerung an den faschistischen Marsch auf Bozen als eine Provokation. Diese »paramilitärische« Organisation (O-Ton Galateo) wagte es, gegen den demokratisch errungenen Wahlsieg seiner Parteichefin Giorgia Meloni zu demonstrieren.

Wie auch immer man/frau zu den Schützen stehen mag, laut geltender republikanischer Verfassung sind Kundgebungen und Demonstrationen Teil demokratischer Teilhabe. Für Galateo sind sie hingegen eine gegen seine Parteiführerin gerichtete Provokation. Offensichtlich übt sich Galateo ganz im Sinne seines Vorbildes im Südtirolbashing, tritt er doch in die breiten Fußstapfen seines Vorgängers im Landtag, Alessandro Urzì. Der wurde bei den Parlamentswahlen in Vicenza in die Abgeordnetenkammer gewählt und Galateo rückt stattdessen in den Landtag nach.

Er wiederholt Urzìs Kritik in Richtung Schützen, sie seien kein kultureller Verein, sondern eine paramilitärische Organisation. FdI-Koordinator Galateo fordert daher Landeshauptmann Kompatscher (SVP) und die Gemeinden auf, »die Millionenbeiträge an die Schützen« zu stoppen. Fake News der Marke Fratelli d’Italia: Laut Kulturlandesrat Philipp Achammer (SVP) beträgt der jährliche Landesbeitrag für die Schützen 100.000 Euro.

Galateo machte in den Reden und auf den Transparenten eine eindeutige Sprache aus: Sezession, die Ablösung von Rom und gar eine Rückkehr zum Faschismus sollen die Schützen gefordert haben. Damit hätten sie »die Grenze des von der Verfassung vorgesehenen Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten«. Das stellt ein »Postfaschist« fest, dessen Partei diese Verfassung abändern will. Der Schützenmarsch sei keine »wichtige, historische Gedenkveranstaltung« gewesen, sondern eine Militärparade und eine Provokation gegen die neue Regierung. Wahrscheinlich wird Alessandro Urzì, Kammerabgeordneter der Fratelli von Vicenza, ein Verbot der Schützen fordern.

Im Visier von Fratelli d’Italia sind aber nicht nur die Schützen, sondern auch der deutschsprachige Nachrichtendienst von Rai Südtirol. So warf Urzì Chefredakteurin Heidy Kessler vor, in Absprache mit der SVP »ideologischen Terrorismus« zu betreiben. Warum? Weil Kessler die neofaschistischen Fratelli als nationalistisch, zentralistisch und egoistisch beschrieb, weil sie Urzì als Kammerabgeordneten von Vicenza bezeichnete, um ihm angeblich seinen Südtiroler Wohnsitz abzustreiten. Kessler sei damit einer Vorgabe der SVP gefolgt, die mit ihrem Propagandasystem nach DDR-Muster politische Gegner einzuschüchtern versuche. Auf Facebook drohte der Neo-Parlamentarier aus Vicenza gar mit Konsequenzen.

Das widerspricht den gefälligen Darstellungen von Giorgia Meloni in der in der Tageszeitung Dolomiten. Jetzt nach den Parlamentswahlen machen ihre Männer vor Ort den Ton. Sie stehen in der Tradition ihrer Chefin, die pro-österreichischen Südtirolern die Auswanderung empfahl, auf einer Veranstaltung der spanischen Vox-Faschisten gegen die liberale Gesellschaft hetzte. Meloni findet außerdem »Duce« Benito Mussolini einen ernsthaften Politiker, der für sein Volk engagiert war.

Historiker Hannes Obermair kritisierte den Fackelumzug der Schützen als »schräg«, er habe bei ihm für Befremden gesorgt. »Weil er sich einerseits gegen den Faschismus richtet, aber andererseits für Tirol und den nationalistischen, letzten deutschen Bürgermeister Julius Perathoner«, sagte er Rai Südtirol. Warum ist ein Bekenntnis zu Tirol schräg? Obermair bedauerte, dass es keinen etablierten Antifaschismus in Südtirol gebe, denn gegen den Faschismus müssten andere demonstrieren.

Andere Kräfte müssten uns in Erinnerung rufen, was vor einer Woche in den Wahlurnen geschah und durchaus bedenkliche Züge trägt.

– Hannes Obermair

Bedenklich ist doch, dass auch Freiheitliche beim Fackelumzug der Schützen mit dabei waren. Die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair sagte auf Salto über Meloni:

Das große Schreckgespenst sehe ich allerdings nicht in ihr, … ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auch unter Meloni Positives für Südtirol erreicht“.

– Ulli Mair (F)

Reinwaschung der Meloni von Mair. Schräg oder?

Doch auch Mitglieder der Süd-Tiroler Freiheit waren beim Fackelzug der Schützen mit dabei. In Erinnerung an den Marsch auf Bozen. Gudrun Kofler, Nichte von Eva Klotz, kandidierte bei den Landtagswahlen in Tirol für die Freiheitlichen. Die österreichischen Rechtsaußen zählten nach den Parlamentswahlen in Italien zu den ersten Gratulanten von Giorgia Meloni.

FPÖ-Europaparlamentarier Harald Vilimsky twitterte:

Italiener holen sich ihr Land zurück, bravissimo!

– Harald Viliminsky

und

Jetzt wird in Italien endlich eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich jemand auskennen. #bravo Italia.

– Harald Viliminsky

Die Landesparteiobfrau der FPÖ Salzburg und Stellvertreterin von Parteichef Herbert Kickl, Marlene Svazek, freute sich riesig über den Wahlerfolg von Meloni:

Eine starke Frau an der Spitze Italiens. Ganz ohne Quote und mit der Unterstützung von Männern wie Matteo Salvini im Rücken. In Italien hat man trotz mehrerer rechter Parteien erkannt, dass dieses Lager geeint auftreten und die Beste an die Spitze muss. Dann ist offenbar alles möglich.

– Marlene Svazek

Echt: Schräger geht es nimmer.

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Wo bleibt der Widerstand gegen den Geschichtsfurz?
Zweimal Obermair zum Jahrestag des "Marschs auf Bozen"

Ein schierer Geschichtsfurz also. Tanto hanno già perso, e per sempre, nel 1945.

– Historiker Hannes Obermair anlässlich des “Marsches auf Bozen” von CasaPound im Jahr 2016

Ich empfinde den Marsch der Schützen als schräg. Weil er sich einerseits gegen den Faschismus richtet, aber andererseits für Tirol und den nationalistischen, letzten deutschen Bürgermeister Julius Perathoner. […] Es ist auch Ausdruck dafür, dass es keinen etablierten Anti-Faschismus in Südtirol gibt. Denn es müssten andere Kräfte aufstehen und andere Kräfte müssten gegen den Faschismus demonstrieren. Andere Kräfte müssten uns in Erinnerung rufen, was vor einer Woche in den Wahlurnen geschah und durchaus bedenkliche Züge trägt.

– Historiker Hannes Obermair anlässlich des Fackelmarsches der Schützen im Gedenken an den “Marsch auf Bozen” vor 100 Jahren

Faschismus – alive and rockin’. Von wegen Geschichtsfurz. So befremdlich Obermairs Befund von 2016 anmutet, so passend ist seine Einordnung 2022. Im Oktober 1922 marschierte ein paramilitärischer, martialischer Mob durch Bozen. Und wie Gedenken die Schützen des damaligen faschistischen Aufmarsches? Mit einem martialischen Aufmarsch im Gleichschritt. Und mit Fahnen, Fackeln und Trommeln. Ein Szenario, das in seiner Bildsprache an dunkle Zeiten erinnert – völlig unabhängig davon, was auf den Spruchbändern steht. Wahrlich hätte es andere Inszenierungsmöglichkeiten gegeben, um die dringend notwendige Erinnerung (Stichwort “Parlamentswahlen Italien 2022”) an das damalige Verbrechen wach zu halten.

Von – wie man meinen möchte – eigentlich dazu berufener Seite (Linke, Grüne, Antifaschisten) hört man allerdings nur ohrenbetäubendes Schweigen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Urzì attackiert Rai Südtirol.
Medienfreiheit

Seit den Wahlen vom letzten Sonntag steht fest, dass die postfaschistische FdI stärkste Kraft im neuen — von der rechtsrechten Koalition um Giorgia Meloni, Matteo Salvini und Silvio Berlusconi dominierten — italienischen Parlament sein wird. Meloni kann daher Anspruch auf das Amt der Ministerpräsidentin erheben.

Mit im Bunde auch das in Vicenza gewählte rechtsradikale Urgestein aus Südtirol, Alessandro Urzì (FdI). Der hat sich jetzt in einem langen FacebookEintrag öffentlich über Rai Südtirol beschwert, dessen Berichterstattung nicht nach seinem Geschmack ausfällt. So stößt er sich zum Beispiel daran, dass der öffentlich-rechtliche Sender seine postfaschistische Partei — wie es auch andere Medien tun — korrekt als postfaschistisch bezeichnet. Chefredakteurin Heidy Kessler habe sogar von einer nationalistischen, zentralistischen und egoistischen italienischen Rechten gesprochen.

Dass ihn Rai Südtirol als »Kammerabgeordneter von Fratelli d’Italia in Vicenza« bezeichnete, missfällt Urzì ebenfalls. Er wittert eine Verletzung des Überparteilichkeitsgebots und droht offen mit Konsequenzen.

Die deutschsprachige Rai fördere »ideologischen Terrorismus«. Hinter der Betonung, dass er nicht in Südtirol gewählt wurde, vermutet er eine Vorgabe der SVP, weshalb Urzì zudem von einem »Propagandasystem« nach DDR-Muster und gar von einem »Einschüchterungsversuch« der Rai faselt, die ihm nichts weniger als den Wohnsitz streitig mache. Dabei habe FdI doch nur »großzügigerweise« eine italienische Vertretung für Südtirol im Parlament gewährleisten wollen — über die aber, einem sonderbaren Demokratieverständnis folgend, die Wählerinnen in Venetien und nicht jene in Südtirol zu befinden hatten.

Wenn die Stellungnahme von Urzì ein Vorgeschmack auf die kommende Regierungszeit ist, die ja noch gar nicht begonnen hat, können wir uns auf einiges gefasst machen.

Siehe auch 1›

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