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Harzblut.

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von Rupert Gietl

An einem Samstag Nachmittag sind die Bagger aufgefahren, in Sexten. An einem Wochenende, wenn die Gerichte geschlossen sind, werden von Liftbetreibern mit Motorsägen und Baggern vollendete Tatsachen geschaffen. Diese Vorgangsweise ist nicht nur moralisch fragwürdig, die kommenden Tage werden zeigen, ob es auch juristische Konsequenzen gibt.

Situation nördlich der Talstation Signaue am Abend des 11.08.2013
Situation nördlich der Talstation Signaue am Abend des 11.08.2013

Ein jahrelanger Schlagabtausch zwischen dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz, dem WWF, der Bürgerliste Sexten auf der einen und der Sextner Dolomiten AG sowie der Gemeindeverwaltung auf der anderen Seite, hat an diesem Wochenende durch einen Gewaltakt vielleicht ein Ende genommen: Am Samstag Nachmittag, 11. August, rückten zahlreiche Waldarbeiter und Bagger aus, um das insegesamt ca. 16 ha große Waldareal auf der Sonnenseite oberhalb von Moos zu roden. Die inoffizielle Parole lautete dabei »Fertigwerden bis Sonntag Abend (11. August), denn am Montag kommen die Umweltschützer mit dem Richter«. Eingeleitet wurden die Ereignisse durch die Ausstellung der Baukonzession durch die Gemeinde am 7. August, gegen welche der Dachverband für Natur- und Umweltschutz sowie der WWF beim Verwaltungsgericht in Bozen sofort einen Antrag um Aussetzung der Bautätigkeit einreichten.

Gerichtliche Anhörung

Richter Hugo Demattio verzögerte seine Entscheidung jedoch bis zu einer Anhörung der Gegenseite, für welche ein Termin am [heutigen] Montag, den 12.08.2013 festgelegt wurde. Damit waren die Würfel gefallen. Sämtliche Forststrassen und Wanderwege, welche durch das Gebiet führen, wurden am 10. August in den Mittagsstunden gesperrt, an mehreren Punkten gleichzeitig begann man mit den Arbeiten, wobei es vorerst nur darum ging, möglichst alle Bäume in kürzester Zeit umzuschneiden, eine Vorgangsweise, welche unter normalen Umständen äußerst umständlich für die weitere Verarbeitung und den Abtransport des Holzes wäre. Nach kaum 24 Stunden waren hunderte von Bäumen gefällt und achtlos liegengelassen.

Zahlreiche Bürger von Sexten und den Nachbargemeinden beobachteten vor allem von der Talstation Signaue aus die Arbeiten. Während bei den Umweltschützern Betroffenheit und Schweigen vorherrschte, konnten sich die Befürworter/Nutznießer des Projektes ein Grinsen und manchen bissigen Kommentar, sowie leider auch aggressive Worte, nicht verkneifen.

Ziemlich eindeutig waren hingegen die Stellungnahmen der Gäste aus Nord und Süd: Wer zum Wandern in das Naturparadies Sexten gekommen ist, kann so einen Anblick naturgemäß kaum gutheißen, es ist mindestens ein Fall eines italienischen Urlaubers bekannt, welcher seinem Ärger lautstark Luft gemacht hat.

Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack und zahlreiche offene Fragen:

  • Kann es sich ein privates Unternehmen bei einem Projekt, welches durch Millionen von Steuergeldern gefördert wird, erlauben, in derartig große, rechtliche Grauzonen hineinzustoßen, ohne von oberster Stelle der Landesregierung gedeckt zu werden?
  • Musste dieses Projekt noch vor der Landtagswahl durchgedrückt werden, da so manche Seilschaft den 27. Oktober nicht überstehen wird?
  • Ist diese Verbindung wirklich der Stein der Weisen, um den Wintertourismus im Hochpustertal auf die Dauer überlebensfähig zu machen?
  • Können sämtliche Anlagen in Zeiten der Wirtschaftskise und des Zusammenschmelzens des Mittelstandes überhaupt ausgelastet werden?
  • Welche Projekte liegen noch in der Schublade?

Nur ein Mensch, welcher keinen Funken an Liebe zur Natur im Herzen hat, konnte von dem Schauspiel, das uns an diesem Wochenende in Sexten geboten worden ist, unberührt bleiben.

Und wieder einmal bewahrheitet sich das bekannte Zitat:

Erst wenn der letzte Baum gerodet (…) ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann…

Dieser Beitrag wurde gestern auch auf Salto veröffentlicht.


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Comentârs

4 responses to “Harzblut.”

  1. succus avatar
    succus

    Was hier abläuft ist hoffentlich eines der letzten Vorkommnisse des bisherigen Regierungsstils der herrschenden Partei. Im Herbst werden die Karten (hoffentlich) neu gemischt und dann sollten derartige Manöver der Vergangenheit angehören. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Touristen über das Vorgehen der Herren in Sexten informiert werden, sobald der “Gast” was mitbekommt und protestiert, dann werden sie sicherlich nervös. Zudem wird hoffentlich die Staatsanwaltschaft aktiv und legt vor allem den politisch Verantwortlichen das Handwerk. Als Bürger der Gemeinde Sexten würde ich zivilen Ungehorsam leisten und das Rathaus besetzen.

  2. niwo avatar
    niwo

    Symptomatisch für die Ära Durnwalder. Betonieren – Asphaltieren – Zersiedeln. Leider bin ich mir nicht sicher ob die Mehrheitspartei aufgrund ihrer Arroganz und Präpotenz im Herbst abgestraft wird. Und die Staatsanwaltschaft wird notfalls von höchster Stelle eingebremst, wenn es darum geht bestehende (Zentralstaat freundliche) Machtstrukturen zu protegieren.

  3. Senoner avatar
    Senoner

    Was mich an der Geschichte wundert, ist dass es überhaupt möglich war Baggerarbeiten durchzuführen. In anderen Tourismushochburgen (z.B. hier in Gröden) gilt von Mitte Juli bis Anfang September ausdrücklich ein Verbot für Baggerarbeiten. Wer dennoch Baggern will, muss dies treffend begründen und um eine Ausnahme ansuchen. Gibt es solche Regeln nicht auch im Pustertal?

  4. pérvasion avatar

    Dass sich zu diesem Thema auch ein gewisser Herr Krautgasser, Präsident des Innichner TVs (der uns aus einem anderen Zusammenhang bestens bekannt ist), medial zu Wort gemeldet hat, halte ich nicht unbedingt für einen Zufall.

    Was haben wir uns da über den Tourismus für arrogante Typen herangezüchtet, die nicht das mindeste Verständnis für demokratische Abläufe und auch keine Rücksicht für ihre Mitbürger mehr haben? Die (vermeintliche) Steigerung der Gästezahlen rechtfertigt für sie die »Abschaffung« der historischen Ortsnamen (an der Sensibilität der Bevölkerung vorbei) genauso, wie die unglaubliche Wochenendaktion in Sexten. Es wäre höchste Zeit, diese Leute auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

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