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Zuwendungen.

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Über die Steuermittel, die Südtirol zustehen, wird regelmäßig spekuliert – von 90% der eingehobenen Steuern ist dann meist die Rede. Staatliche Medien fabulieren nicht selten, dass noch wesentlich mehr Geld in den Landeshaushalt flösse.

Ein Blick ins Autonomiestatut von 1972 reicht, dort sind die genauen Zahlen festgeschrieben. Neun Zehntel der Abgaben sind ein guter Näherungswert, von der Mehrwertsteuer bleiben aber »nur« 70% im Lande.

Artikel 75. Den Provinzen [Bozen und Trient] werden die nachstehenden in ihrem Gebiet eingehobenen Anteile am Ertrag der unten angeführten Steuereinnahmen des Staates zugewiesen:
a) neun Zehntel der Register- und Stempelsteuern sowie der Gebühren für staatliche Konzessionen,
b) neun Zehntel der Verkehrssteuer auf die in den entsprechenden Gebieten zugelassenen Fahrzeuge,
c) neun Zehntel der Steuer auf den Verbrauch von Tabakwaren, bezogen auf den Absatz in den Gebieten der beiden Provinzen,
d) sieben Zehntel der Mehrwertsteuer mit Ausnahme jener auf die Einfuhr, abzüglich der im Sinne des Artikels 38/bis des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 26. Oktober 1972, Nr. 633, mit seinen späteren Änderungen vorgenommenen Rückzahlungen,
e) vier Zehntel der im Gebiet der Region eingehobenen Mehrwertsteuer auf die Einfuhr, aufzuteilen im Verhältnis von 53% auf die Provinz Bozen und von 47% auf die Provinz Trient,
f) neun Zehntel des Ertrages der Fabrikationssteuer auf Benzin, auf das als Kraftstoff verwendete Gasöl und auf das als Kraftstoff verwendete Flüssiggas, die an den Tankstellen im Gebiet der beiden Provinzen abgegeben werden,
g) neun Zehntel aller anderen direkten oder indirekten, wie immer benannten Einnahmen aus Staatssteuern einschließlich der örtlichen Einkommenssteuer mit Ausnahme jener, die der Region oder anderen örtlichen Körperschaften zustehen. Im Betrag der genannten Anteile sind auch die Einnahmen inbegriffen, die das Gebiet der Provinzen betreffen und in Durchführung von Gesetzes- oder Verwaltungsbestimmungen außerhalb des Gebietes der entsprechenden Provinzen gelegenen Ämtern zugeflossen sind.

Und da liegt die ganze Tragik: Obwohl ein großer Teil der in Südtirol erhobenen Steuern hierzulande verwaltet und ausgegeben wird, können Südtirols PolitikerInnen über deren Höhe nicht befinden. Damit brauchen sie die für Südtiroler Wirtschaftsverhältnisse extrem hohen Steuersätze nicht zu rechtfertigen und verfügen über pralle Säckel, deren Inhalt sie verteilen können. Eine der lokalen Gesellschafts- und Wirtschaftssituation angepasste Steuerpolitik, die womöglich den Spielraum für Entlastungen böte, gibt es nicht.



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Comentârs

2 responses to “Zuwendungen.”

  1. niwo avatar
    niwo

    Das Thema Steuerhohheit oder Steuerautonomie ist in der Tat eines der zentralen Themen für Südtirol, wobei sich wahrscheinlich nur wenige politische Akteure genau über den Inhalt von Steuerautonomie und deren Auswirkungen Gedanken zu machen scheinen. Einige Gedanken:
    1. Was versteht man unter Steuerautonomie?
    1.1 die Möglichkeit, dass anstelle der italienischen Finanzbehörde eine Südtiroler Finanzbehörde bei Beibehaltung der italienischen Steuergesetze die Steuern einhebt.
    1.2 die Möglichkeit alle Steuern, die in Südtirol erwirtschaftet werden auch in Südtirol zu behalten (immer bei Beibehaltung der aktuellen ital. Steuersätze
    1.3 die Möglichkeit innerhalb eines bestimmten Rahmens die Steuersätze selbst zu bestimmen.
    1.4 die Möglichkeit die Steuern nicht nur selber einzuheben und selbst zu verwalten, sondern auch sämtliche Steuersätze und Steuergesetze autonom, völlig unabhängig von Italien, zu bestimmen.
    Die hier schnell skizzierten Möglichkeiten zeigen, dass Steuerautonomie nichts und alles bedeuten kann.
    2. Wäre Südtirol wirtschaftlich überhaupt überlebensfähig?
    Das ist eines der bestgehütesten Geheimnisse unseres Landes. Eine wirklich fundierte aktuelle Studie darüber ist mir nicht bekannt. Die Bestimmungen des Autonomiestatutes weisen in die Richtung, dass wir sehr wohl das erwirtschaften, was wir wieder ausgeben. Eine fundierte Studie, die auch die Leistungen berücksichtigt, die noch immer direkt vom Staat bezahlt werden (Militär, Polizei, Finanz usw.) wäre höchst interessant. Nicht alle Ausgaben sind für unser Land auch notwendig. Beispiel Militär. Mehrere Kleinstaaten leisten sich den Luxus auf ein teures, nutzloses Militär zu verzichten.
    Was ebenfalls in die Richtung deutet, dass wir wirtschaftlich sehr wohl autonom überleben würden, ist die unbestrittene Tatsache, dass Südtirol wirtschaftlich wirklich recht gut da steht.
    3. Welche Folgen hätte eine volle Steuerautonomie (darunter verstehe ich Punkt 1.4)?
    3.1 Im Südtiroler Landtag gäbe dann wohl einmal jährlich eine richtige Budgetdebatte, so wie eben in allen Parlamenten.
    3.2 Die politische Debatte was uns wieviel Steuergelder wert ist würde massiv intensiviert werden. (Bildungspolitik, Gesundheitspolitik – Ticket ja/nein, welche Verkehrspolitik usw.) Die Diskussion über die Art der Umverteilung würde nur mehr in unserem Lande geführt werden.
    Letztendlich würden diese Debatten, Diskussionen und Konsensentscheidungen darüber entscheiden wieviel Sozialstaat wir in Südtirol haben möchten, wie hoch wir die Steuersätze haben möchten, welche Steuerarten wir haben möchten. Steuern sollten ja nicht nur irgendwelche Löcher stopfen sondern im besten Falle auch eine gesellschaftliche Lenkungsfunktion haben. (Beispiel Ökosteuern oder Steuern, die die Geschlechtergleichstellung garantieren usw.)
    Das würden ganz interessante Debatten werden, die hoffentlich auf etwas intelligenterem Niveau geführt würden, wie erst kürzlich die wirtschaftschauvinistischen Sprüche eines Herrn Munter. Vielleicht gäbe es auch positive Ansätze, ähnlich einem schwedischen Unternehmer, der auf die Frage, ob ihn die hohen schwedischen Steuersätze nicht nerven, antwortete. Nein, solange mein Unternehmen gut ausgebildete Arbeitskräfte vom öffentlichen Bildungssystem bekommt, das Gesundheitssystem sehr gut funktioniert und aufgrund des sozialen Friedens, die Kriminalität sehr gering ist, würden ihn die hohen schwedischen Steuersätze nicht stören.
    Um die Klammer zu schließen: Südtirol müßte entscheiden, wie unser Land aussehen würde.
    3.3 Die staatstragende Verantwortung (staatstragend ist in diesem Zusammenhang auf Südtirol bezogen) der im Lande regierenden Parteien würde massiv steigen.
    3.4 Müßte Südtirol einen proportionalen Teil des italienischen Schuldenberges übernehmen? Wenn ja, welches Jahr wäre die Bemessungsgrundlage. 1919? oder erst 1945 als Italien demokratisch wurde, oder vielleicht erst 1972 (2. Autonmiestatut) oder mit der Streitbeilegungserklärung in den 90er Jahren?
    Wie würde der Strom in einer solchen Bilanz verrechnet werden der von italienischen Konzernen jahrzehntelang beinahe zum Nulltarif geplündert wurde (vergleichbar mit einer westlichen Ölgesellschaft in irgendwelchen ölfördernden Ländern)
    3.5 welche Verzerrungen gäbe es, wenn Südtirol beispielsweise weniger Unternehmenssteuern verlangen würde wie Italien? Würden italienische Unternehmen ihren Steuersitz dann nach Südtirol verlagern?
    3.6 Müßte Südtirol für ärmere italienische Regionen eine Art Finanzausgleich bezahlen (obwohl Südtirol ja nie gefragt wurde, ob es bei Italien sein will).
    Mit Sicherheit zu bejahen wäre wohl die Frage, ob Südtirol einen entsprechenden EU Beitrag zu bezahlen hätte. Ebenfalls wäre es längst überfällig, dass Südtirol seine Beiträge zur Entwicklungshilfe aufstocken würde. Derzeit werden meines Wissens 2 Mio Euro dafür verwendet. Die UNO sieht 0,7% des BIP vor, was dann für Südtirol schätzungsweise 120 Mio Euro ausmachen würde, allerdings hält sich außer Norwegen kaum jemand an diese UNO Richtlinie.
    3.7 Würde die Steuergerechtigkeit steigen? Kleine Länder beweisen ja häufig, dass systematische Steuerhinterziehung schwieriger möglich ist.
    4. Wer hat vor einer solchen Steuerautonomie mehr Angst? Südtirols regierende Partei oder Italien als Staat.
    Südtirol, da die Regierungsverantwortung enorm gesteigert würde und der Schwarze Peter weniger häufig dem Staat in die Schuhe geschoben werden kann.
    Italien, da über kurz oder lang bei einer vollen Steuerautonomie wohl klar wäre, dass sich Südtirol von Rom nichts mehr sagen lassen würde.
    4.1 Wurde Steuerautonomie von Südtirol überhaupt einmal ernsthaft inhaltlich definiert und gefordert? Meines Wissens Nein
    4.2. Würde Italien uns eine Steuerautonomie auch gewähren? Auf Anhieb wohl ebenfalls Nein, aber ohne Forderung auch kein Erfolg.
    Kleine Episode zum Abschluss: bei einem Vortrag von Julia Unterberger, aus dem ziemlich klar hervorging, dass Italien in den Bereichen Familienpolitik und Geschlechtergleichstellungspolitik innerhalb der westlichen Welt so ziemlich eine Nullnummer darstellt, stellte ich ihr die Frage, welche Kompetenzen sie sich von Rom wünschen würde, wenn sie sich drei Zuständigkeiten auswählen könnte. Ihre Antwort: die Kompetenzen in den Bereichen Steuerrecht/politik, Familienrecht/politik und Arbeitsrecht.

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