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Vergleichsweise heftig.

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ai

Vorausgeschickt, dass ich von der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler nicht recht viel halte, da sie Ausdruck eines ius sanguinis ist und auch mir die Idee einer europäischen Staatsbürgerschaft langfristig viel besser gefiele, möchte ich doch noch einmal auf Florian Kronbichlers unsäglichen Optionsvergleich eingehen, weil er mich ob seiner Perfidität so dermaßen schockiert.

  1. Sollte die Doppelstaatsbürgerschaft tatsächlich kommen, wäre sie durch eine demokratische Mehrheit legitimiert. Der Entscheidung wäre ein demokratischer Wettstreit der Ideen vorausgegangen, in der jeder seine Meinung artikulieren kann. Einen solchen Prozess mit dem perversen Machtspiel zweier faschistischer Diktatoren zu vergleichen, ist aus Sicht eines Demokraten gelinde gesagt grotesk.
  2. Die Option war eine Entscheidung zwischen Teufel und Belzebub: entweder die Aufgabe der Heimat oder die erzwungene Aufgabe von Sprache und Kultur – in jedem Fall eine massive Verschlechterung der Situation. Bei der doppelten Staatsbürgerschaft erwächst jenen, die sich nicht dafür entscheiden, überhaupt kein Nachteil. Jene, die sich dafür entscheiden, erfahren eine (rein subjektive) Verbesserung.
  3. Die Brutalität der Option zeichnete sich außerdem dadurch aus, dass der Familienvater für die gesamte Familie entschied und dass sich jeder offen zu seiner Entscheidung bekennen musste. Denn entweder blieb man oder man zog weg bzw. bereitete sich darauf vor. Die Entscheidung für die Staatsbürgerschaft wäre eine vollkommen individuelle. Niemandem würde die Staatsbürgerschaft aufgezwungen, der diese nicht möchte. Es wäre ein rein formaler Akt, zu dem ich mich nicht öffentlich bekennen müsste, sollte ich das nicht wollen.
  4. Die Option hat die Südtiroler Gesellschaft physisch zerrissen. Durch die Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft müsste niemand Italien verlassen. Bereits jetzt gibt es viele Menschen in unserem Land, die österreichische und italienische Staatsbürger sind. Diese sind deswegen weder bessere noch schlechtere Bürger. Ein Vergleich mit Dableibern und Optanten wäre eine grobe Verharmlosung.

Angesichts dieser Tatsachen das Wort »Option« auch nur im Entferntesten im Zusammenhang mit der demokratisch legitimen Forderung nach Doppelstaatsbürgerschaft (wie es sie vielerorts auf der Welt gibt – Stichwort Istrien oder Dreizehnlinden) in den Mund zu nehmen, ist ein Hohn gegenüber all jenen, die durch das Hitler-Mussolini-Abkommen unsägliches Leid erfahren haben. Flor sollte diesen Vergleich zurücknehmen und sich entschuldigen. Gleichzeitig sei es ihm unbenommen, sich vehement gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft auszusprechen.

Er könnte dabei aber im Sinne eines Meinungspluralismus etwas weniger herablassend und patronisierend argumentieren. Dass die doppelte Staatsbürgerschaft objektiv (!) ein Nichtthema sei, ist eine rein subjektive Einschätzung sowie eine Geringschätzung der Meinung/Bedürfnisse anderer. Sie erinnert mich an die Gegner der Homoehe, die Menschen anderer sexueller Orientierung ein Recht verweigern, welches sie selbst in dieser Form gar nicht in Anspruch nehmen möchten. Auch würde ich mich davor hüten, vorzuschreiben, was die demokratischen Mehrheiten in Bozen und Wien von einem Thema zu halten haben. Zu guter Letzt gehört in den Schlusssatz noch das Wörtchen »auch«, denn alle in unserem Land denken nicht so wie Flor. Ein bisschen mehr Bescheidenheit stünde gut zu Gesicht. Und eine — durchaus berechtigte — Kritik am Doppelstaatsbürgerschaftsvorhaben, die sich auf einem Niveau bewegt, das jenes polternder Rechtspopulisten oder in Trinklaune politisierender Stammtischbrüder übersteigt, ebenfalls.

Siehe auch:
01 02 03



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Comentârs

10 responses to “Vergleichsweise heftig.”

  1. Tirola Bua avatar
    Tirola Bua

    Die Welt ist ein Spiegel. Menschen sehen in anderen immer nur ihre eigenen Fehler.

    Tja, und der Kronbichler sieht überall Zündler, Rassisten und Faschisten.

    1. Steffl avatar
      Steffl

      Projektion ist wohl eines der am häufigsten vorkommenden psychologischen Phänomene. Bei Nazis und Rassisten ist Projektion sehr ausgeprägt, weil sie ja eigene Fehler und Unzulänglichkeiten auf die Zuwanderer projizieren. Aber auch vermeintlich Linke projizieren heftig drauflos, wie man hier bei Kronbichler sieht, er projiziert halt alles auf uns Südtiroler.

  2. a&a&a avatar
    a&a&a

    Also ich kann der doppelten Staatsbürgerschaft ob sanguinis oder soli so einiges abgewinnen: Zugang zu Stellen im österreichischen Außenministerium, Zugang zu Stellen bei der österreichischen Polizei, Assistenz durch die österreichischen Botschaften im Ausland, keine Missverständnisse weil der Name im Pass nicht nach Italien klingt (auch schon passiert), das Eintragen in das AIRE würde wohl auch wegfallen (man wäre ja kein Italiano all’estero mehr…) etc.
    Warum Italien das nicht gefällt leuchtet mir auch ein. Warum allerdings die Grün_*#!?Innen samt dem Zufallsparlamentarier (Zitat F.K. in der Tageszeitung) so vehement dagegen sind, leuchtet mir nicht ein.
    Aber wird schon seine Richtigkeit haben, wenn es die Oberlehrer_*#!?Innen sagen.

    1. hunter avatar
      hunter

      freilich konnen sich für die einzelnen inhaber einige vorteile ergeben.
      wenn es die möglichkeit gäbe und es mich beträfe würde ich den pass wohl auch beantragen. dennoch sollte es m. e. tendenziell in eine andere richtung gehen.

    2. G. P. avatar
      G. P.

      Mein Antrag inkl. Unterlagen für die doppelte Staatsbürgerschaft liegt schon seit langem, eigentlich viel zu lange in Wien … wahrscheinlich aber in einer der untersten Schubladen.
      Ich wäre jedenfalls irrsinnig stolz darauf, die österreichische Staatsbürgerschaft (verliehen) zu bekommen. Auch wenn ich augenscheinlich und zunächst keine Vorteile davon habe, würde ich mich irgendwie viel “sicherer” fühlen. Wer weiß schon, was in zehn, in zwanzig Jahren in Italien passiert bzw. wer da regiert …

    3. ola avatar
      ola

      Warum Italien das nicht gefällt leuchtet mir auch ein.

      Sorry das kann ich mir wirklich nicht verkneifen: Das liest sich so, als die doppelte Staatsbürgerschaft aus Rom kommen sollte und nicht aus Wien.
      Ich finde diese Art, sich dank Rom aus der Patsche herauszureden, ehrlich gesagt recht kleinlich.
      Merkwürdigerweise ist diese Haltung noch öfter bei Kommentaren im Internet anzutreffen, wo man normalerweise erwartet, dass Klartext geschrieben wird, als z.B. in Politikerkreisen wo man sich solcher Tricks am liebsten bedient ( Stichwort ÖVP ).
      Man kann natürlich zur doppelten Staatsbürgerschaft stehen wie man will ( ich bin persönlich dafür ), aber man müsste dann auch die politische Lage richtig darstellen: Österreich ist ein souveräner Staat, wenn sich das Parlament für die Verleihung vom Pass an die Südtiroler ausspricht dann ist es um die Sache Feierabend, egal was Rom dazu pfeift und geigt. Wenn das noch nicht geschehen ist, dann gibt es offenbar ( noch ) keinen mehrheitlichen politischen Willen dafür. Und zwar in Wien, nicht in Rom.

  3. hunter avatar
    hunter

    was noch “heftig” ist, dass er etwas als “nichtthema” bezeichnet, was meines wissens neben stf, freiheitliche und union ja auch die svp unterstützt hat und er diesen unterstützern ähnlich diabolische gesinnung unterstellt wie hitler und mussolini. einfach nur zach.

  4. Schierhangl avatar
    Schierhangl

    BBD ist hier wiedermal die Kotztüte auf das grüne Brechmittel!
    Sehr zum Wohl! Prost!
    Ungeklärt bleibt die Legitimation des demokratischen Entscheids einer neuerdings sich selbst als österreichisch definierenden Volksgruppe über die italienische Minderheit!

    P.S.: Ungeklärt belibt auch die rechtliche Situation des Trentino: Wenn man sich auf einen Status vor 1919 bezieht hat es Südtirol als eigene Provinz nicht gegeben, oder doch?

    1. hunter avatar
      hunter

      hääää???

  5. Steffl avatar
    Steffl

    Kronbichler spricht den Südtirolern einfach ihren Willen und ihre Selbst-Bestimmung ab. Den Alpini-Preis hat er sich redlich verdient, aber dass so jemand links und öko-sozial sein soll, leuchtet mir nicht ein.

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