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Der Staatsfeind Nr. 1.

Autor:a

ai

In Südtirol und darüber hinaus wird neuerdings einer wie es scheint gemeingefährlichen Spezies der Kampf angesagt. Nein. Gemeint ist nicht der Bär, sondern der anonyme Poster. Medien verordnen Klarnamenpflicht. Politiker appellieren an Facebook, hetzerische Hasspostings zu löschen. Künstler machen sich über Pseudonym-User lustig. Und die SVP möchte gar eine Kommentarfreischaltung per SMS-Geheimcode à la E-Banking einführen und Fördergelder für Medien streichen, die keine Klarnamenpflicht einführen.

Dazu ein paar Gedanken:

  • Die geheime (anonyme) Meinungsäußerung ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. Eine demokratische Wahl erachten wir nur dann als solche, wenn sie allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim (!) ist. Eine anonyme Meinungsäußerung ist in einer Demokratie also per se nichts Schlechtes und hat wenig mit Feigheit zu tun.
  • Vorzuschreiben, wie und in welcher Art Menschen miteinander zu kommunizieren haben, ist eine ungebührliche politische Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs.
  • Lösch- oder Klarnamenpflicht ist eine reine Symptombekämpfung. Die Gedanken und Einstellungen, die hinter den Hasspostings stehen, gehen dadurch ja nicht weg. Sie verlagern sich nur in andere, bisweilen dünklere Kanäle. Einzig einem Sinken der Hemmschwelle und einem Nachahmereffekt kann man dadurch eventuell vorbeugen.
  • Facebook zeigt eindrucksvoll, dass auch Klarnamen das Niveau einer Diskussion nicht heben und dass auch unter vollem Namen die abscheulichsten Dinge geschrieben werden.
  • Die technischen Möglichkeiten erlauben es den Behörden, die Urheber auch anonymer Kommentare ausfindig zu machen, sollten diese strafrechtlich relevant sein.
  • Die Entscheidung was gesagt werden darf und was nicht, zwingend an Medienunternehmen auszulagern, ist bedenklich. Es steht zu befürchten, dass Portale aus Angst vor Konsequenzen sehr großzügig ausfiltern.
  • Bereits jetzt gibt es klare Gesetze bezüglich Verhetzung, Beleidigung usw. Es ist Aufgabe der Justiz, gegen User, die diese Gesetze brechen, zu ermitteln.
  • Jedes Medium kann sich freiwillig Regeln auferlegen und mittels Moderation die Einhaltung der Netiquette überwachen. Dazu braucht es keine Klarnamen. Gleichzeitig können strafrechtlich relevante Kommentare zur Anzeige gebracht werden.
  • Die Löschpflicht ist eine Abkehr vom Prinzip der Eigenverantwortung. Wenn ich etwas Ungesetzliches von mir gebe, dann bin – nach meinem Dafürhalten – einzig und allein ich selbst dafür verantwortlich und nicht die Plattform, über die ich das getan habe.

Siehe auch: 01 02



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Comentârs

5 responses to “Der Staatsfeind Nr. 1.”

  1. Libertè avatar

    Absoulte zustimmung, mit so einem Pseudonym kann man halt ganz andere Sachen machen, seine eigenen Ansichten in Frage stellen um zu sehen wie andere argumentieren, etwas impulsiver schreiben, und dabei recht anonym, und vor allem abstreitbar, bleiben.
    Insofern kommt die kommunikation unter einem pseudonym sogar einem mündlichen Gespräch nahe.

    Nur an einem Punkt stimme ich dir nicht zu, es ist sehr sinnvoll wenn Unternehmen entscheiden was ich darf und was nicht. Wenn es mir nicht passt kann ich ja das Unternehmen wechseln, bei staatlichen Vorgaben wäre dies nicht so einfach.
    Außerdem gibt muss es im Internet ja auch so etwas wie ein Hausrecht geben.

    1. Harald Knoflach avatar

      Außerdem gibt muss es im Internet ja auch so etwas wie ein Hausrecht geben.

      das schreibe ich doch auch

  2. Tirola Bua avatar
    Tirola Bua

    Es geht bei diesem Thema nur darum, den Schreiber eines kritischen Kommentars öffentlich an den Pranger zu stellen.

  3. succus avatar
    succus

    Ich habe erst kürzlich eine Radiodiskussion im Rai Südtirol verfolgt. Interessant war dabei, dass alle möglichen Argumente Für und Wider vorgebracht wurden, aber keiner hat auf einen Aspekt aufmerksam gemacht, der für mich entscheidend ist. Es braucht keine Registrierung, sondern schlichtweg eine konsequente Moderation, wie Sie beispielsweie auf BBD erfolgt. Dadurch werden beleidigende Kommentare von vornherein ausgeschlossen, nur wer die Nettiquette befolgt, wird auch veröffentlicht. Folglich steigt aber automatisch auch die Qualität, wie auch auf unserer BBD-Webseite leicht nachvollzogen werden kann. Die ganze Diskussion um Klarnamen und Registrierungsplicht erübrigt sich damit. Leider ist es vielen Medien schlicht zu aufwendig, die Kommentare zu sichten uns zu moderieren. Witzig ist nur, dass sie sich dann auch noch als Qualitätsmedien verstehen. Da ist es besser, den Kommentarbereich gleich abzuschalten.

  4. m.gruber avatar
    m.gruber

    tldr;
    Investiert doch mal in Bildung!

    Soso … die Politik beklagt die Diskussionskultur und will deshalb, um eben diese Qualität zu steigern eine zwei Faktor Authentifizierung für Nachrichtenportal-Kommentare einfügen.

    Tolle Taktik: man wirft einfach so lange Gras über das eigentliche Problem, bis es nicht mehr zu sehen ist. Verbessert eine zwei Faktor Authentifizierung das Diskussionsniveau? Nein natürlich nicht. Eine zwei Faktor Authentifizierung optimiert im besten Fall lediglich die Oberfläche von dem, was wir Diskussionskultur nennen. Im schlimmsten Fall ist eine 2FA eine zusätzliche Hürde seine Meinung zu äußern.

    Mit Verlaub, man muss sich schon in intellektueller Bescheidenheit üben, um zu glauben, dass ein Klarname das Diskussionsniveau erhöht. Und wer definiert überhaupt Diskussionsniveau? Sollte nicht ein zentraler Faktor für die Qualität einer öffentlichen Diskussion eine breitest mögliche Partizipation sein? Durch den exklusivitischen Lösungsansatz einer 2FA erreicht man dies mit Sicherheit nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Man erzeugt Meinungs-Ghettos. Fragt mal einen Soziologen wie Identitäten strategisch verhandelt werden, oder dem Etikettierungsansatz: https://de.wikipedia.org/wiki/Etikettierungsansatz

    Auf die Idee in BILDUNG und KULTUR zu investieren, um die Diskussionskultur zu steigern kommt natürlich niemand… traurig. Aber es passiert bei politischen Entscheidungen leider nur allzu oft, dass man ein Problem unter den Teppich kehrt anstatt es an der Wurzel zu packen. Man ist dann meist auch noch stolz drauf und nennt das Kompromiss…. sehr lustig.

    Wenn man nämlich in Bildung investieren würde bestünde -zumindest theoretisch- die Chance, dass ich in ferner Zukunft nicht mehr derart flache Diskussionsbeiträge bei Pro&Contra im Sender Bozen ansehen müsste. Die politische Kaste darf sich was Diskussionskultur angeht auch gerne selbst an die Nase fassen.

    Vielleicht sollte den Politikern, die pro-2FA sind auch mal erklären, was der Unterschied zwischen Authentifizierung und Identifizierung ist, um die Sinnlosigkeit einer 2FA für Kommentare abermals zu unterstreichen.

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