Viele werden sich fragen, was denn eigentlich am Bahnhof Bozen los ist. Seit Jahren dauern nun schon die Umbauarbeiten an, ohne dass wirkliche Fortschritte gemacht wurden. Ich kann alle be(un)ruhigen, es wird wahrscheinlich noch viel schlimmer als befürchtet.
Bahnhöfe gehörten zu den wichtigsten Gebäude in einer Stadt, waren quasi die Drehscheibe zur Welt. Deshalb wurden Bahnhöfe, ihrer Wichtigkeit entsprechend, sehr großzügig geplant und stets wurde auch die Wichtigkeit des Bauwerkes durch eine hohe architektonische Qualität untermauert. In den letzten 40 Jahren allerdings verloren die meisten Eisenbahnknoten durch das Aufkommen des PkWs viel von ihrer ursprünglichen Bedeutung, Bahnhöfe fristeten deshalb oftmals nur ein Schattendasein. Glücklicherweise fielen sie aber nicht den Bauphantasien der 60er Jahre zum Opfer — Vorschläge gab es genug, die Bahnhöfe aus den Städten in die Peripherie zu verlegen. Was das Auto nicht schaffte, kann nun dem Zeitgeist einer Vermarktung aller »überflüssigen« Gebäude und Flächen zum Opfer fallen. Genauso ist es für den Bahnhof Bozen geplant, eine Gesellschaft namens Centostazioni soll sich um eine »Aufwertung« und Neupositionierung des Bahnhofs kümmern. In dieser Gesellschaft sind allerdings kaum Stadtplaner oder Verkehrsplaner versammelt, vielmehr soll aus den heute ungenutzten Flächen Kapital geschlagen werden, indem der Bahnhof zu einem Geschäftszentrum umgewandelt wird und leere Flächen für die Bebauung frei gemacht werden.
Es besteht die Gefahr, dass die Kernfunktion des heutigen Bahnhofs Bozen als Drehscheibe für die öffentliche Mobilität verloren geht. Viele wissen nicht, dass beispielsweise der Haupteingang geschlossen werden soll, da hier »wertvolle« Geschäftsflächen vorhanden sind. Bahnbenützer müssen stattdessen die Seiteneingänge benutzen. Man stelle sich vor, eine Firma macht ihren Haupteingang dicht und nötigt stattdessen die Kunden den Seiteneingang zu benützen — unvorstellbar! In Zukunft müssen sich die Kunden in einem Labyrinth aus viel zu schmalen Gängen nach außen quälen, wobei die Fußgängerwege im Freien mit den Haltebereichen der Stadtbusse in Konflikt geraten und Umwege in Kauf genommen werden müssen.
Das nächste Ungemach droht mit der Erschließung der »ungenutzten« Bahnflächen für die Stadtentwicklung. Dem verdutzten Bahnbenützer wurde in den letzten Jahren erklärt, dass der Bahnhof verlegt werden müsse, damit sich die Stadt entwickeln kann. Die Stadt kann sich aber genauso gut auf den bestehenden Güterverkehrsflächen und Bahnwerkstätten entfalten, dazu muss man nicht einen gesamten Bahnhof von der Stadt weg verlegen. Es ist offensichtlich, dass nicht die Funktion des Bahnhofs und die Entwicklung des Umfeldes oberste Prioriät genießt, sondern dass Bauspekulanten angesichts zu erwartender exorbitanter Gewinne ihren Einfluss geltend machen.
Der Bahnhof könnte in Zukunft bei entsprechender Planung an Bedeutung gewinnen, indem er einfach durchlässiger geplant wird, d.h. durch Errichtung einer großzügigen Unterführung oder Überführung (siehe den zukünftigen Bahnhof Roma Tiburtina) oder beides. Aus all diesen Gründen muss hier das Land einschreiten und die Übernahme des Bahnhofs Bozen fordern, nur so besteht die Hoffnung, dass hier nicht der planerische GAU eintritt.
Patrick Dejaco ist Mitbegründer und Gesellschafter der Firma Qnex, welche Mobilitätslösungen für den ÖV anbietet.
5 replies on “Bahnhof Bozen an das Land!”
Hast du das Foto vor den Wahlen gemacht? Ich sehe nur, die Endstation des Busses heißt “Casanova”. Ist mir erst jetzt aufgefallen. ;-)
Die Bilder sind am 14.5., also 2 Tage vor den Wahlen aufgenommen worden. Was hat sich geändert?
Jetzt heißt die Endstation “Casanova/Kaiserau”.
Was am Bahnhof Bozen abgeht, ist schlicht eine Frechheit. Unter den desinteressierten Augen der Landes- und der Stadtverwaltung bastelt Centostazioni seit 2007 (3 Jahre!) herum, ohne irgendein Ergebnis zu erzielen. Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Die Passagiere werden regelmäßig durch Sperren, Umwege, Lärm- und Staubbelastung schikaniert, aber eine Verbesserung in ihrem Sinne ist nicht sichtbar. Im Gegenteil: Jetzt soll der Haupteingang geschlossen und privaten Mietern übergeben werden, neue Flachbildschirme verbessern nicht etwa die Information, sondern werden mit lauter/störender Werbung bespielt, die Erschließung wird immer unübersichtlicher, selbst die Zweisprachigkeit verabschiedet sich nach und nach. Ein Gesamtkonzept ist genausowenig erkennbar wie der Wille, den Nahverkehr durch gezielte Maßnahmen am Bahnhof (ansprechende Wartehallen, moderne Schalter, Verbreiterung der Zugänge, Leit- und Informationssystem etc.) attraktiver zu machen. Wie lange kann man die Passagiere noch an der Nase herumführen, bevor sie ganz auf die Bahn verzichten?
Sehr geehrter Herrr Dejaco, Sie haben vollkommen recht. Die Bürger bekommen leider fast keine Informationen, was hier Centostazioni plant und welche Folgen das für die Bahnbenutzer hat. Die ” Dolomiten” hat zwar kürzlich einen Artikel geschrieben . Unsere Politiker scheinen jedoch gegenüber ” Centostazioni” ohnmächtig zu sein. Der “Alto Adige” schweigt vollkommen zu diesem Thema. Wie wäre es wenn Sie einen Leserbrief an beide Zeitungen schicken würden damit die Bürger etwas erfahren ? Mit freundlichen Grüßen Ritter Ernst