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Schleierverbot: Vom Regen in die Traufe?

Autor:a

ai

Burqa.

Vor wenigen Tagen sprach sich in Frankreich ein parteiübergreifendes Gremium für ein Verbot von Ganzkörperschleiern aus. Gesetz ist dieser Vorschlag zwar noch lange nicht — trotzdem hat er europaweit mehr Nachahmer und Trittbrettfahrer gefunden, als dazumal die Werte der französischen Revolution.

Dabei ist diese Debatte in Frankreich gerade im Lichte dieser Werte zu bertrachten, die eine wirklich laizistische Republik hervorgebracht haben. In dieser Hinsicht ist das Hexagon — so wird das Land aufgrund seiner geographischen Form auch genannt — kaum mit anderen Nationen vergleichbar. Der ganz große Haken, den Freunde des Verschleierungsverbotes eigennützig unterschlagen, ist nämlich dass in Frankreich deshalb vergleichsweise sachlich über ein solches Gesetz diskutiert werden kann, weil auch andere Religionen, namentlich die christliche, im öffentlichen Raum kaum Vorrechte genießen. So wäre ein Kreuz an französischen Schulen völlig undenkbar.

Man kann das Verschleierungsverbot in Frankreich als einen verkrampften Versuch verstehen, Gleichberechtigung zu schaffen und den Laizismus zu sichern, und nicht als eine diskriminierende Maßnahme.

Darüberhinaus muss man sich selbstverständlich fragen, was ein derartiges Verbot bezwecken soll. Selbst Rechtspopulisten schieben da gerne die Menschenrechte und den Feminismus vor — und freilich nicht die Ausländerfeindlichkeit. Nehmen wir an, dem sei so. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand die Nötigung von Frauen, sich einen Ganzkörperschleier überzuziehen, gutheißt. Davon nehme ich mich nicht aus.

Nötigung ist jedoch schon heute strafbar, nur eben schwer zu kontrollieren. Mit dem Verbot eines — auch umstrittenen — Kleidungsstücks macht man sich die Arbeit aber zu einfach: Das Ziel der Rechtspopulisten, unsere Straßen von Schleiern zu säubern, ist dadurch schnell erreicht. Die Menschenrechte haben es da aber schon schwerer. Denn wir riskieren, dass radikal-islamische Ehemänner ihre Frauen dann erst gar nicht mehr aus dem Haus lassen. Und diese Frage werden sich auch die laizistischen Franzosen stellen müssen.



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Comentârs

3 responses to “Schleierverbot: Vom Regen in die Traufe?”

  1. otto avatar
    otto

    puh, du nimmst auch nur die härtesten themen!

    schauen wir uns mal bei uns um – wer ist ganz verschleiert und wir finden es normal:

    – alle motorradfahrer mit vollvisierhelm
    – mittlerweile fast alle schifahrer
    – die geheimpolizisten, die gerade den mafioso festgenommen haben
    – arbeiter mit vollgesichtsschutz
    – faschingsverkleidete
    – frauen die den papst besuchen tragen oft schwarzen gesichtsschleier

    an halbverschleierte klosterfrauen und bäuerinnen mit kopftuch haben wir uns gewöhnt.

    allen ist gemeinsam, dass sie bei eventuellen kontrollen durch behörden die verschleierung lüften müssen.

    gehen wir einmal von einer freiwilligen verschleierung islamischer frauen aus, dann müssten diese ebenfalls bei kontrollen die schleier lüften.

    was ist dabei?

    ich denke, es ist auch ein hilfloses gegenüberstehen von uns westlern , weil wir einfach ins gesicht des anderen schauen WOLLEN. bei diesen frauen DÜRFEN wir es aber nicht. und das macht uns wahnsinnig.

    ist der schleier aber durch nötigung vor dem gesicht, stimme ich den schlussfolgerungen von pervasion zu.

  2. Gorgias avatar
    Gorgias

    Wir in Deutschland/Italien/Österreich haben das Problem dass sich hier zwei Probleme überlagern und verknäueln.

    1. Das Problem dass einerseits die Trennung von Staat und Kirche und Religionsfreiheit, mit der privilegierten Rolle der römisch-katholischen Kirche (bzw. andere anerkannte Konfessionen) im Widerspruch befindet.

    2. Das Erscheinen einer neuen Religion, die prinzipiell und historisch keine Trennung von Staat und Kirche kennt und keine Form von Entwicklung durchgemacht hat, wie das Christentum, das einerseits sich auszeichnet durch einem fast problemlosen Zusammenleben der verschiedenen Glaubensrichtungen untereinander (der mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 seinen Anstoss fand), andererseits das Arrangieren mit der modernen Gesellschaft durch einen längeren Prozess (vom Modernistenstreit bis zum zweiten Vatikanischen Konzel) von Auseinandersetzungen.

    Der Islam hat dann das Problem um sich in die Gesellschaft zu integrieren, dass er keine Organisationsstruktur wie die Kirche kennt und sich nicht eignet eine Körperschaft des öffentlichen Recht zu bilden, wo Repräsentanten im Namen aller Gläubigen mit Staatlichen Institutionen verbindliche Beziehungen aufbauen kann.

    Außerdem gibt es im Islam dominierende Richtungen die ein Menschenbild vertreten der nicht im Einklang mit einer demokratischen Gesellschaft ist, in der das Individum kaum zählt. Das Individuum sollte als einzelner im öffentlichen Raum als Person auftreten. Eine Person die Verschleiert in der Öffentlichkeit auftritt ist im Gegensatz der oben genannten Beispiele niemals erkennbar. Sie signalisiert damit, dass sie nicht angesprochen werden möchte oder zumindest wenn sie mit jemanden wird sie nicht ihr Gesicht zeigen. Sie entzieht sich der Öffentlichkeit aus Prinzip und zerstört somit den öffentliche Raum der seit der Antike (agora bei den Griechen, forum bei den Römern) das Fundament unserer Kultur ist und noch mehr unserer demokratischen Gesellschaft, die auf Partizipation aufbaut.

    Leider hat pervasion recht wenn er sagt, dass wir im Gegensatz zu Frankreich kaum fähig sind diese Debatte sachlich zu führen. Auch meinen viele dass das Entfernen des Kreuzes in der Schule von Muslimen gefordert wird und würden das solche als Rückzug des Christentum empfinden, um für den Islam Platz zu machen. Hier sieht man wieder, dass zwei Probleme miteinander verstrickt werden, die man getrennt angehen müsste um sie zu lösen.

  3. regulus avatar

    Die Vollverschleierung ist echt heavy, kaum vorstellbar, dass Frauen sich freiwillig so vermummen, aber solls ja auch geben. Auf der anderen Seite gibt es die “normalen” Kopftücher, die ich eindeutig der Kultur zuordne, so wie bei uns die Tracht.
    Bestätigt hat mir dies eine Muslimin aus dem Kosovo, bei ihr zu hause (lebt mittlerweile in Südtirol) ist es Brauch, im Fastenmonat Ramadan Kopftuch zu tragen. Also nix mit Unterdrückung und so. Ist also wohl von Land zu Land unterschieden.

    Ein Manko des Islam ist sicherlich, dass er keine geschlossene Autorität nach außen hin hat. So tun alle Imame irgendwie das, was sie für richtig halten. Erst letzthin hat man so manchesmal den Eindruck, als ob sie versuchen würden, mit einer gemeinsamen Stimme nach außen zu sprechen.

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