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Wider den Methodenzwang.

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mit Wertschätzung den Abgewandten

Das Totschlagargument von Unabhängigkeitsgegner- und -zweiflerinnen (wie resignierenden Befürworterinnen) lautet häufig: Ist nicht, geht nicht. Denn in der Tat gibt es keine juristische Grundlage, auf die man sich in dieser Angelegenheit berufen könnte. Doch ist das Grund genug zu resignieren?

Meines Erachtens gilt, was Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Paul Feyerabend für die Forschung feststellt gerade auch für die Politik: Neues wurde immer dann erreicht, wenn Wege abseits definierter Methodiken und Vorschriften eingeschlagen wurden. Gerne auch mit einem Hauch Naivität — denn Dogmatismus kann in einem menschgemachten Bereich erst recht nicht zielführend sein, wenn er schon in der absoluten Wissenschaft versagt.

In diesem Blog habe ich schon mehrfach gezeigt, wie anderswo »Utopisches« erlangt, die Grenze des nicht Machbaren unmerklich und nonchalant verschoben werden konnte. Ohne auf müßige Präzedenzfälle wie Kosovo und Montenegro zurückzugreifen, ist Katalonien — immer wieder Katalonien — ein Meister darin, seine Souveränität happenweise zu erweitern, indem es Einschränkungen aussondiert, in Frage stellt und sukzessive überwindet, anstatt in Zweifeln zu erstarren. Anything goes.

Zwei Fallbeispiele.

01 puntCAT: Ein infranationales Territorium hat noch nie ein eigenes Internet-Suffix bekommen, doch Katalonien wünschte diese Anerkennung seiner Eigenständigkeit. “Wenn wir in der ganz richtigen Wirklichkeit noch kein anerkanntes Land sind, so wollen wir dieses Ziel wenigstens in der immer wichtigeren virtuellen Welt erreichen”. Dafür gab es dazumal ganz klare Regeln der internationalen Vergabebehörde ICANN, wonach nur Länder der ISO-3166-1-Länderliste ein eigenes Suffix beantragen können.

Die Katalanen hätten sich enttäuscht zurücklehnen oder in interne Grabenkämpfe verstricken können, wenn sich die Zweifler durchgesetzt hätten. Doch für Katalonien war klar: Wir werden uns nicht a priori damit zufrieden geben, dass nicht geht, was nicht sein darf. Die private puntCAT-Stiftung wurde von öffentlicher Hand immer stärker unterstützt, in einer Sache, die aussichtslos war.

Doch einige Jahre später sollte sich zeigen, dass der Einsatz seine Wirkung nicht verfehlt hat. Über einen Umweg (.cat wurde als erste und bisher einzige Sprach- statt einer Länderdomain vergeben) konnten Widerstände ausgeschaltet, das gesteckte Ziel erreicht werden. Ein Ziel, das man mit Sicherheit nicht erreicht hätte, wenn man auf die Realisten gehört hätte. Denn realistisch hätte es .cat nie geben dürfen und bis heute nicht gegeben.

02 Der Sport: Die Katalanen wollen eigenständig an internationalen Sportbewerben teilnehmen, doch internationale Sportverbände, die spanische Politik und vor allem auch das spanische Gesetz sagen unisono: Nein. Katalonien argumentiert: Auch andere infranationale Gebiete — wie Schottland, Wales, die Färöer-Inseln — sind Mitglied internationaler Sportverbände. Ein Widerspruch. Die spanische Politik, die spanische Gesetzgebung können nicht Einfluss nehmen auf überstaatliche Organisationen. Zwei Widersprüche.

Man macht sich also in mühevoller Kleinarbeit daran, zuerst in unbedeutenden, dann (gemäß öffentlicher Auffassung) immer wichtigeren Sportarten die internationale Anerkennung zu erlangen. Man spielt bei internationalen Meisterschaften, zum Teil im etwas offeneren und spanienkritischeren Südamerika mit. Und stets mit tatkräftiger Unterstützung der katalanischen Regierung. Schlussendlich zieht man vor den internationalen Sportsgerichtshof in Lausanne, der feststellen muss, was nicht mehr leugbar ist: Der Ausschluss Kataloniens von internationalen Sportverbänden fußt auf einer Reihe von Widersprüchen und kann juristisch nicht aufrecht erhalten werden.

Jetzt geht es (ganz euphemistisch) »nur noch« darum, die einzelnen Verbände von einer Mitgliedschaft zu überzeugen. Das kann in manchen Sportarten noch Jahre dauern, doch eins ist sicher: Die Katalanen werden nicht aufgeben. Eine Pioniersleistung, die auch uns vielleicht irgendwann zugute kommen wird, da wir nicht mehr werden sagen können: Ist nicht, geht nicht.



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Comentârs

3 responses to “Wider den Methodenzwang.”

  1. wiesion [ch] avatar
    wiesion [ch]

    nur so als fussnote: wer interessiert ist, sollte sich die geschichte vom kanton jura (gründung 1979 – nach 170jähriger zugehörigkeit zu bern) durchlesen und die jüngsten entwicklungen (wahrscheinlich entsteht ein neuer kanton welcher süd- und nordjura vereint um das jurassische volk zu vereinen) beobachten.

  2. niwo avatar
    niwo

    Es ist immer wieder erstaunlich wie die Katalanen erfolgreich neues Terrain ausloten.
    Die zwei oben angeführten Beispiele sind beides Aktionen, die versuchen Katalonien international sichtbar zu machen. Gerade auf diesem Gebiet hat Süßtirol in den letzten Jahren völlig versagt.
    Etwas provokant, aber den faktischen Tatsachen entsprechend, kann man behaupten: International existiert Südtirol nicht.
    Südtirol gibt es weder als Namen, noch als Internetkürzel, noch als Sportnation noch als sonst irgendetwas. Als Name, als Begriff, als Marke sind wir im offiziellen internationalen Gebrauch tot. (das kann auch die SMG mit ihren Marketingaktivitäten nicht wettmachen)
    Unseren vor allem im deutschen und italienischen Sprachraum verkehrenden Politikern (in diesen beiden Sprachräumen sind wir ja noch halbwegs präsent, wenn in I auch nur als Alto Adige) sind diese eklatanten Versäumnisse nicht einmal bewusst. Außerhalb dieser beiden Sprachräume existiert Südtirol noch beim geografisch versierten Politologen und Historiker, ansonsten sind wir nicht existent.
    Dass dieses Nicht Existieren mittel/langfristig in unserer medial vernetzten Welt zu einem Identitätsproblem führt, mag etlichen SüdtirolerInnen oberflächlich betrachtet ja noch gleichgültig erscheinen, dass wir damit wirtschaftlich einen unschätzbaren Wert vernichten ist für viele Zeitgenossen, denen nur monetäre Werte etwas bedeuten, vielleicht weniger witzig. Dass ihnen dieser Wertverlust nicht bewusst ist, ist mehr als unverständlich – im Falle unserer politischen Vertretung grenzt es schon an fahrlässige bzw. vorsätzliche Vernachlässigung der Landesinteressen.
    Fazit: Südtirol muss international sichtbar gemacht werden, durch eine Sportautonomie, durch ein eigenes Internet-Suffix, durch ein eigenes Euro Münz-Prägerecht, durch ein eigene Briefmarken usw.
    Ich kann mich nur wiederholen, aber seht doch mal wie viel über die kleinen Färöer Inseln berichtet wird, da sie als eigene Fußballmannschaft bei allen Qualifikationswettbewerben mitspielen können. Zur Information: Die Färöer-Inseln haben 50.000 Einwohner, liegen mitten im Nordatlantik, haben ein eigenes Internet-Suffix, eine Sport-Autonomie, eigene Geldscheine, eigene Briefmarken, einen eigenen Bank IBAN Code und vieles mehr. Die Färöer-Inseln existieren international.
    Südtirol verkehrt international, wie ein Kind, dem man den Namen geraubt hat. Entsprechend entwurzelte Antworten vernehmen meine Ohren häufig, wenn SüdtirolerInnen international (außerhalb des dt. und it. Sprachraumes) ihren Status zu erklären versuchen.

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