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Mehr Kleinstaaten — mehr Integration!

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Der scheidende EU-Kommissar für Energie und zukünftige Kommissar für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, wird in der Süddeutschen Zeitung vom 11.09.2014 mit folgender Aussage zitiert:

Die Kleinstaaterei im Energiesektor müsse aufhören. Allein könne keiner in der EU gegen die anderen in der Welt bestehen: “Die kleinen Staaten wissen es schon, die großen noch nicht”.

Von dieser Aussage lässt sich folgendes ableiten:

  1. Kleine EU-Mitgliedsstaaten sind kooperationswilliger als große. Aufgrund ihrer geringen Größe wissen die Kleinen, dass es ohne Kooperation und Integration nicht geht.
  2. Kleinstaaterei wird zwar häufig mit »Kleinstaat« in Verbindung gebracht, betrieben wird diese aber von den großen EU-Staaten. Diese sind für die weitere europäische Integration zu groß, im globalisierten Kontext aber zu klein um noch eine nennenswerte Rolle zu spielen. Dies haben die großen EU-Staaten augenscheinlich noch nicht zur Gänze verstanden, die kleinen Staaten schon.
  3. Der Vorwurf, durch neue Staatengründungen innerhalb der EU würde die europäische Integration aufs Spiel gesetzt, ist falsch. Laut Burkhart Müller, Süddeutsche Zeitung vom 8.11.2011, bedrohen die Unabhängigkeitsbestrebungen Europa nicht, sondern sind eine Konsequenz der Integration. Konkret:

    Nicht nur die Vernetzung, auch die Entmachtung und Entmündigung der Staaten ist durch die krisenhaften Vorgänge der vergangenen Jahre so stark vorangetrieben worden, dass die neuen Regionalstaaten nicht so sehr aus ihrem bisherigen Mutterstaat heraus – als vielmehr in den Schoß Europas mit seinen innig verschlungenen Wirtschaftsbeziehungen hineinfallen würden. […] Solch ein Staatenverfall wäre nicht Ausdruck von Desintegration, sondern im Gegenteil als Folge gesteigerter Integration zu werten.

  4. Sollten in den nächsten Jahren innerhalb der EU neue unabhängige Staaten entstehen, ist dies eine Chance zu mehr Integration. Der Ball liegt bei der EU, diese Gelegenheit zu nützen und im Sinne von Robert Menasse ein Europa von unabhängigen, europäischen Regionen unterstützend zu begleiten.


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Comentârs

3 responses to “Mehr Kleinstaaten — mehr Integration!”

  1. rüegg avatar
    rüegg

    Oettinger war schon immer unfähig. Gerade im Energiebereich ist Regionalität wichtig. Das Beispiel von Feldheim in Brandenburg das dank erneuerbarer Energien unabhängig ist zeigt dass gerade das Gegenteil von Oettingers Aussage richtig ist. Er will nur die Bedeutung länderübergreifender Energiekonzerne erhalten, nur das ist und war sein Ziel.
    Daher passt dieses Oettingerzitat nicht in den Kontext!

  2. niwo avatar
    niwo

    Selbst wenn man im Energiebereich dezentrale Strukturen schaffen will, was ich persönlich befürworte, und in erster Linie auf erneuerbare Energien setzt, ist Kooperation zwischen den Regionen eine wichtige Voraussetzung. Nicht jede Region ist für alle Formen der regenerativen Energieerzeugung gleich geeignet. Stichwort: Windenergie, Photovoltaik, Wasserkraft, entsprechende Stromtrassen usw. Wenn man bedenkt, dass über die nicht mehr existente Grenze am Brenner seit 1961 keine Hochspannungsleitung führt, sehe ich im Bereich Kooperation noch Spielraum nach oben.
    Relevant vom Oettinger Zitat ist die Tatsache, dass er aus seiner Erfahrung wohl den großen EU-Staaten ein provinzielleres Verhalten attestiert als kleinen EU-Mitgliedsländern.
    In diesem Sinne müßte die EU froh sein, wenn sie in absehbarer Zeit neue unabhängige Mitgliedsstaaten, wie Schottland und Katalonien begrüßen kann.

    1. rüegg avatar
      rüegg

      Dezentralisierung bedeutet ja nicht Autarkie sondern heisst auch Zusammenarbeit.
      Wobei erneuerbare Energien wie PV, Windkraft und Biomasse für jede Region geeignet ist. Hier nur die allerbesten Regionen nur mit einer bestimmten Art von Stromerzeugung zu nutzen würde andererseits hohe Stromnetzkosten und hohe Übertragungsverluste verursachen. Daher ist dezentrale und regionale Stromerzeugung immer kostengünstiger.
      Oettinger unterstellt viel, doch was mit provinziellem Verhalten gemeint sein soll verstehe ich nicht. Grosskonzerne die ihre Gewinne stets ins steuergünstige Ausland verlagern, mit ihrer Lobby die Politik bestechen sind nicht die Lösung. “Provinzielle”, regionale, erneuerbare Stromerzeugung mit Bürgerbeteiligung sind demokratischer.

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