Die Bürgerinnen und Bürger von Mals haben sich in einer bindenden Volksabstimmung für ein gemeindeweites Pestizidverbot ausgesprochen. Nun hat sich der Gemeinderat jedoch einer Umsetzung des Bürgerwillens verweigert — mit dem Argument, Ausschuss und Rat sähen sonst womöglich einer Auflösung entgegen. Damit wurde allerdings der Ermessensspielraum bereits überstrapaziert: Bürgerinnen und Bürger hatten den demokratischen Auftrag, Pestizide zu verbannen, bereits im Bewusstsein erteilt, dass dies die gesetzlichen Möglichkeiten der Gemeinde womöglich überschreitet. Dem Gemeinderat obliegt es also aus demokratischer Sicht ausdrücklich, diesem Willen ohne wenn und aber Rechnung zu tragen. Eine Auflösung des Gemeinderats steht in keinem vernünftigen Verhältnis dazu, wovor wir nun stehen: die Auflösung der Demokratie.
Wenn überhaupt, dann stünde es nur einer höheren Instanz zu, die Malserinnen und Malser in die Schranken zu weisen. Tut dies der Gemeinderat, der genau jene repräsentiert, deren Auftrag er sich verweigert, müsste er einer Auflösung zuvorkommen und Neuwahlen einberufen.
Doch während Politiker andernorts rechtliche Konsequenzen in Kauf nehmen, um den Willen der Bevölkerung umzusetzen, reicht die Courage der Südtiroler Mandatare offenbar kaum so weit, Neuwahlen zu riskieren. Das ist ein Armutszeugnis — und eine Verhöhnung des Mutes, den die Malserinnen und Malser durch ihren mehrheitlichen Entscheid an den Tag gelegt haben.
7 replies on “Mals: Demokratie aufgelöst.”
Genau DAS ist Südtirol! Es gibt praktisch keine (Mehrheits)-Politiker mehr mit Rückgrat, sei es in der Gemeinde, im Land, in Rom. Jeder verweist immer auf irgendein Gesetz, das unbedingt eingehalten werden muss und das man natürlich nicht in Frage stellen kann. Traurig …
Naja…ob den Bürgern von Anfang an die mangelnde rechtliche Umsetzbarkeit der Abstimmung bekannt war…das ist wohl eher zu bezweifeln. Ich erinnere mich an die Aussagen des Sprechers der Promotoren, dass sie zu diesem Punkt einen Rechtsexperten mit sozusagen richterlichen Befugnissen befragt hätten und dieser versichert hätte, dass das Referendum zulässig und umsetzbar sei. Leider wurde weder der Name dieses Experten noch sein Gutachten je veröffentlicht. Auch hätte dieser Experte nach der Abstimmung die rechtliche Umsetzbarkeit darlegen sollen.
Da bin ich anderer Meinung. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen sich in einem Spannungsverhältnis gegenüber. Man kann von einer öffentlichen (wenn auch gewählten) Institution nicht verlangen, sich gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu stellen.
Die Staatsgewalt und das Recht gehen vom Souverän aus. Niemand in Mals stellt sich gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Es geht um folgende Frage: Muss sich das Gesetz den gesellschaftlichen Bedürfnissen anpassen oder umgekehrt. Wenn es dabei zu einem Spannungsverhältnis kommt, dann ist es Aufgabe der gewählten Vertreter Wege zu suchen einem gesellschaftlichen Bedürfnis, im Rahmen der Möglichkeiten, zu entsprechen. Notfalls müssen die Möglichkeiten auch ein wenig nach oben strapaziert werden. Recht ist keine rigide Materie, sondern durchaus flexibel und dehnbar, nicht im Sinne von Willkür sondern im Sinne von Anpassungsfähigkeit. Die Abstimmung des Gemeinderates ist Mals war nicht Ausdruck davon. Es gibt immer Möglichkeiten einem Bedürfnis nachzukommen, auch wenn es Gesetze gibt, die dies nicht (so leicht) ermöglichen. Dies ist eine der ureigenen Aufgaben der Politik und eines der Grundprinzipien der Demokratie. Diese Botschaft scheint die Mehrheit des Malser Gemeinderates nicht verstanden zu haben.
Ich glaube schon, dass demokratische Abstimmungen im Rahmen rechtsstaatlicher Standards erfolgen müssen, auch wenn mal eine neue demokratische Entscheidung (hier: Malser Abstimmung) einer alten demokratischen Entscheidung (hier: bestehende gesetzliche Regelung) widerspricht.
Ich auch nicht.
Milf, das war eine amtliche und bindende Abstimmung, nicht eine Volksbefragung. Wenn die Politik sich außerstande sieht, dem Willen der Bevölkerung — um deren Meinung die Gemeinde selbst gebeten hatte — Rechnung zu tragen, ist wohl der Rücktritt die einzige Lösung. Sonst hätte man das ganze Spektakel gleich dem Theaterverein übergeben können.
Sicherlich ist es in Mals so, dass in einer Volksabstimmung 75 % für das Pestizidverbot gestimmt haben. Das ist demokratischer Fakt in dieser Großgemeinde. Aber Mals wäre nicht Mals wenn:
Die SVP (Bürgermeisterpartei) stellt 15 von 20 Räte
zwei “oppositionelle Räte” stehen in dieser Frage noch auf Seiten des BM
Ich kann hier nicht auf 100 %ige Sicherheit pochen aber der Bürgermeister kann die Geschichte der Eintragung in die Gemeindesatzung auch später nachholen und Inzwischen kann der Bürgermeister, als amtierende Amtsperson, auch eine Verordnung erlassen.
Mein Fazit: Wahkampfgeplänkel und Wahlkampfgetöse hat hier im Gemeinderat von Mals stattgefunden, geschmückt mit “Demokratie aufgelöst”.