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Ein Regiogeld für Südtirol?

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In Europa gibt es eine Menge von regionalen Komplementärwährungen, oft “Regiogelder” genannt, die den regionalen Wirtschaftskreislauf stärken und Kaufkraftabfluss aus der Region verhindern sollen. Wenn es nach der 5-Sterne-Bewegung (5SB) geht, soll bald auch Südtirol eine solche Parallelwährung bekommen, unter Einbindung der öffentlichen Hand. Der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger hat einen entsprechenden Beschlussantrag eingebracht, über den der Landtag schon am 7. Juni entscheiden soll.

Solche Komplementärwährungen basieren auf freiwilliger Teilnahme von Konsumenten und Produzenten aus der Region und gelten nicht als gesetzliches Zahlungsmittel, d.h. weder können damit Steuern beglichen werden noch gilt Annahmepflicht. Das oft mit Gutscheinen verglichene Regiogeld kann nur regional ausgegeben werden, weshalb regionale Produkte und Dienstleistungen an Attraktivität gewinnen. Da nur lokale Unternehmen mitmachen, wird einerseits Kaufkraft an lokale Unternehmen gebunden, andererseits werden die strengen Wettbewerbshüter in Brüssel auf den Plan gerufen. Beim größten deutschen Regiogeld-Netzwerk, dem “Chiemgauer”, machen derzeit gut 600 Unternehmen mit. Die Parallelwährung SARDEX hat sich in Sardinien anscheinend bewährt und in zehn anderen Regionen Italiens sind inzwischen ähnliche Modelle entstanden. Die Gemeinwohlregion Obervinschgau hatte ebenfalls eine Komplementärwährung angestrebt, was bisher am Desinteresse der lokalen Banken gescheitert ist.

Köllensperger geht mit seinem Vorschlag einen Schritt weiter: Mit dem zukünftigen Gesamt-Südtiroler Regiogeld sollen auch öffentliche soziale Versorgungsleistungen wie z.B. das Familiengeld, die Zusatzrente, das Familiengeld, die Kita-Beiträge, die Arbeitslosenunterstützung ausgezahlt werden. Diese Idee, auch im Trentino 2016 von der 5SB im Rahmen eines Gesetzentwurfs ins Spiel gebracht, macht durchaus Sinn, wenn man die regionale Wirtschaft aus der Abhängigkeit nationaler und internationaler Finanzmärkte heraushalten und krisensicherer machen will. Unabhängig von Marktentwicklungen außerhalb könne damit die regionale Versorgungssicherheit gewährleistet und die Wertschöpfung im Land gesteigert werden. Zudem wird ein Regiogeld im Unterschied zur herrschenden Geldschöpfungspraxis der Geschäftsbanken schuld- und zinsfrei von einer nicht profitorientierten Stelle ausgegeben.

Das von Köllensperger vorgeschlagene Regiogeld hat noch keinen Namen, doch die Grundelemente sind im ausführlich begründeten Beschlussantrag klar abgesteckt. Die Komplementärwährung soll als regionales Gutscheinsystem eingeführt werden, basierend auf einer Genossenschaft als Organisationsstruktur. Private Vereine, Verbände, Unternehmen und öffentliche Institutionen würden diese Genossenschaft tragen. Das Regiogeld sollte vorzugsweise in elektronischer Weise (regionale Prepaid-Karte) in Umlauf kommen. Die Genossenschaftsmitglieder wären die sogenannten Akzeptanzstellen der Komplementärwährung. Das komplementäre Geld könne auch für die Grundsicherung und andere öffentliche Sozialleistungen zum Einsatz kommen, als Vorstufe zu einem Südtiroler Grundeinkommen sozusagen.

Anreize für Verkäufer von Gütern und Dienstleistungen sollen dadurch geschaffen werden, dass Regiogeld-Umsätze zum Teil steuerfrei ausgezahlt werden. Und damit wären wir schon bei einem kleinen Haken dieser Innovation, nämlich der fehlenden staatsrechtlichen Grundlage. Für eine lokale Währung gibt es keine autonome Zuständigkeit und selbst der Staat hat sie zum Teil an die EU abgegeben, zumal nur mehr die EZB befugt ist, gesetzliche Zahlungsmittel (abgesehen von den Münzen) auszugeben. Auch die weit wichtigere Schöpfung von elektronischem Giralgeld durch die Banken im Zuge der Kreditgewährung erfolgt nur in Euro. Um einer öffentlichen Gebietskörperschaft Leistungen in Komplementärwährung zu erlauben, könnte deshalb sogar eine Ausnahmeregelung auf EU- bzw. Eurozonenebene erforderlich sein: nicht eben leicht durchzusetzen. Allerdings sind nach geltender Rechtsordnung regionale Tausch-Gutscheinsysteme zulässig und auch schon im Betrieb. Zumindest im privaten Sektor könnte ein Regiogeld in Südtirol durchaus Fuß fassen und seinen Zweck erfüllen. Durch den 5-Sterne-Beschlussantrag soll die Landesregierung verpflichtet werden, einen Konzeptvorschlag auszuarbeiten und einen Testlauf durchzuführen. Damit wäre der erste Schritt getan.


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