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Tram: Schon wieder spricht mich jemand an.

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von Erwin Demichiel

„Na, die Tram … jetzt wirst du wohl von direkter Demokratie geheilt sein …. das Volk kannst du definitiv vergessen.“ Jetzt schreib ich etwas dazu. Als Vorwort: Direkte Demokratie heißt nicht, dass das herauskommt, was ich mir wünsche. Aber darum geht es jetzt nicht. Schon eher geht es darum, dass in der Werkzeugkiste ‚direkte Demokratie’ nicht nur ein Hammer drin ist, mit dem alle Heimwerkerpläne umgesetzt werden können. Und wenn es denn wäre, dann gäbe es immer noch 100 Tutorials dazu, die mir zeigen, wie ich stehen, sitzen, liegen, den Hammer halten muss, wie stark und in welchen Abständen zu klopfen ist, welche Temperatur idealerweise sein soll,  um …. usw. Will sagen, es gibt eine Menge zu lernen bei der Sache ‚direkte Demokratie‘ und wir sind gerade dabei. Zum Beispiel:

  • Erstens: Die beratende Volksabstimmung zur Trambahnlinie wurde von einer Gruppe von BürgerInnen erwirkt laut Art. 59 der Gemeindesatzung, die dafür 2000 Unterschriften vorsieht. In der so erzwungenen öffentlichen Vorstellung der geplanten Tramlinie und in der Diskussion dazu wurde nie ersichtlich, ob überhaupt und ggf. wie sie als Teil eines umfassenden Mobilitätsplanes für die Stadt und ihr Einzugsgebiet verstanden werden kann. Höchstens wurde  als Fußnote auf den sog. PUMS-Plan (piano urbanistico mobilità sostenibile) verwiesen, den es geben soll. In den Köpfen der Menschen jedenfalls hing die Tram komplett isoliert in der Luft und als ein solcher isolierter Gegenstand sollte sie bewertet werden. Damit war Unheil vorprogrammiert und ein Bürger im Stadtviertel Oberau durfte sich mit Recht fragen, wieso die Tram nicht bei ihm vorbei fährt.
  • Zweitens: Es gibt einen PUMS-Plan für Bozen. Er wurde sicher von ernsthaften Fachleuten erstellt. Allerdings ist es einer der allergröbsten Fehler, den eine Stadtverwaltung heute (!) begehen kann, einen langfristigen Plan zu einem derart explosiven Thema wie die Mobilität ohne Bürgerbeteiligung  zu erstellen. Und damit ist eine Bürgerbeteiligung gemeint, die den Namen verdient und keine der billigen und für alle Beteiligten demütigenden Rosstäuschermethoden. Ich sage es bewusst so krass, weil die üblicherweise praktizierten Anhörungen nicht viel mehr als leere Rituale sind. Man müsste sich in europäischen Städten für gute Beispiele nur umschauen. Bürgerbeteiligung im gemeinten Sinne gab es nicht und deshalb standen Tür und Tor weit offen, um das Thema Mobilität von beliebiger Seite jederzeit politisch instrumentalisieren zu können.
  • Drittens: So war es dann auch. Mit Blick auf die nächsten Gemeindewahlen und mit der Absicht den Bürgermeister zu schwächen wurde von der politischen Opposition ein Detail – die Tram –  herausgegriffen und (mit relativ dünnen und beliebigen Argumenten) als Problem thematisiert. Die Tram wurde in eine Bürgerbefragung gepackt und de facto zu einer Abstimmung gegen den Bürgermeister gemacht.  
  • Viertens: Die Gemeindeverwaltung war von der plötzlichen Aufgabe, das Projekt öffentlich vorstellen und  begründen zu müssen, überfordert und hatte angesichts der fehlenden soliden stadtplanerischen Grundlage im genannten Sinne (jedenfalls wurde keine kommuniziert) keine überzeugenden Argumente – außer eine in Aussicht stehende staatliche Förderung in unbekannter Höhe, zu der innerhalb von zwei Monaten das Ansuchen eingereicht werden musste. Der Bürgermeister und die regierende Mehrheit waren in der Defensive und konnten nicht anders, als diese beratende Volksabstimmung als gezieltes Vorwahlmanöver zu begreifen. Entsprechend wurde sie behandelt.
  • Fünftens: Unter diesen Umständen war die Information für die BürgerInnen — gemessen an der Bedeutung des Themas — zeitlich irrwitzig kurz und extrem schlecht. Mehr als ein paar dünne und platte Schlagworte von beiden Seiten waren nicht zu hören.
  • Sechtens: Eigentlich wäre es einfach. Ein weitreichender Entwicklungsplan für eine Stadt wird unter echter Bürgerbeteiligung erstellt und anschließend der Bürgerschaft zur Abstimmung vorgelegt. So hätte direkte Demokratie in so einer Sache wirklich Sinn. Da würden sich Beteiligung (Partizipation) mit Mitbestimmung sinnvoll verbinden. Jeder hätte seinen Platz: PolitikerInnen, ExpertInnen und BürgerInnen, und der Spielraum für politische Manöver wäre sehr klein. Es wäre ein Zeichen von politischer Größe, Weitsicht und Klugheit, wenn die aktuelle Stadtregierung noch in dieser Legislatur ein solches Projekt beschließen würde.
  • Siebtens: Wenn eine Gemeindeverwaltung  ernsthaft an Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung interessiert ist, dann könnte sie außerdem den einschlägigen Abschnitt in der Gemeindesatzung mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft überarbeiten. Fachwissen dazu ist in unserem Land vorhanden.

Am Ende bleibt die lehrreiche Erkenntnis, dass wir getäuscht wurden: Wir dachten, wir stimmen gut informiert über eine substanzielle Sachfrage ab, aber so war es nicht. Wir und auch ein Instrument der direkten Demokratie wurden für ein parteipolitisches Manöver missbraucht.


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