Schon seit mehreren Jahren laufen in Südtirols Trenitalia-Regionalzügen automatische Durchsagen, die jeder Beschreibung spotten. Obwohl auch ranghohe Mitarbeiter des Landesmobilitätsressorts regelmäßig diese Verbindungen nutzen und somit Zeugen des Missstands sind, hat sich daran nie etwas geändert. Eine Kostprobe:
Guten Abend, willkommen a en Bord des Zuges 10950. Der Zug hält in Waidbruck, Klausen, Brixen u en de erreicht Franzensfeste um 21 Uhr 13 Uhr. Trenitalia wünscht Ihnen eine angenehme Fahrt.
Transkription von mir
Doch seit einiger Zeit handelt es sich bei den Zügen technisch nicht mehr um reine Trenitalia-Regios. Es ist jetzt das Land Südtirol, welches die Staatsbahnen mit der Durchführung der Fahrten beauftragt und somit eigentlich die Auflagen und Bedingungen diktieren könnte. Offensichtlich besteht aber gar kein Interessen, durch straffe Verträge für diesbezügliche Verbesserungen zu sorgen. Im Gegenteil: Trenitalia werden vom Land sogar jährlich hohe Effizienzprämien aus Südtiroler Steuergeldern ausbezahlt — unter anderem dafür, dass wir uns Tag für Tag diese Sprachverarschung anhören dürfen. Wo außer hier wäre es vorstellbar, dass eine offizielle Amtssprache derart systematisch verhunzt wird?
14 replies on “Prämie trotz Sprachverhunzung.”
Du hast Recht was die sprachliche Qualität der Durchsagen anbelangt, dass so etwas nicht mehr Aufsehen bereitet, hängt mit der unterdurchschnittlichen Gesamtqualität des Betreibers zusammen. Tränitalia ist das vielleicht schlechteste Bahnunternehmens Europas, in meiner mehr als zehnjährigen Erfahrung als Pendler auf der Strecke Pustertal-Bozen hat man sich an noch viel schlimmere Sachen gewöhnt, allen voran der Schmutz und das teilweise unprofessionelle Personal. Leider ist bei der SAD auch nicht alles zum Besten gestellt (zu kalte Züge, unbequeme Sitze, schlechte Informationspolitik bei Störungen), immerhin ist aber ein gewisser Qualitätssprung erkennbar. Bevor bei uns wirklich ein europäischer Standard erreicht wird, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Dann würden auch derartige Durchsagen nicht mehr akzeptiert werden.
Bei Trenitalia kämpft man gegen Windmühlen. Das Problem ist aber doch, dass selbst das Land weiterhin auf diesen Betrieb und dessen Substandard setzt. Das Mobilitätsressort hätte nämlich sehr wohl die Möglichkeit, mittels einer gut gemachten internationalen Ausschreibung für höhere Qualität zu sorgen, mit oder (meiner Auffassung nach besser) ohne Trenitalia. Es wäre vielleicht Aufgabe der Opposition im Landtag, darüber zu wachen, dass unsere Steuergelder nicht Unternehmen in den Rachen geschoben werden, die uns im Grunde nur veräppeln — wofür die Qualität der Durchsagen ja nur ein emblematisches Beispiel ist.
Ein Pendleralltag wird besonders dann zum Abenteuertrip, wenn völlig unerwartete Wetterereignisse eintreten, wie diese Woche:
a) Montag 22.11.2011. Zug 10961 von Innichen kommend, Brixen ab 8.30, Klausen ab 8.38 entfällt aufgrund eines Materialschadens (Durchsage in Klausen nur auf Italienisch und völlig unverständlich). Ursache vielleicht die wenigen cm Neuschnee, die es morgens gab?
b) Donnerstag, 25.11.2011. Derselbe Zug wird aus dem Pustertal mit 30 Minuten Verspätung gemeldet, wobei die Verspätung sukzessive nach oben korrigiert wird. Mögliche Absage zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. Ursache vielleicht die arktischen Temperturen im Pustertal, immerhin in Toblach -7,5°C
Ob die von mir vermuteten Wetterereignisse die tatsächliche Ursache waren ist nicht bestätigt. Erfahrungsgemäß häufen sich bei ähnlichen Wettersituationen die Verspätungen und Zug-Streichungen. 3 cm Neuschnee und Temperaturen von -7°C sind für eine alpine Region Ende November natürlich ein völlig unerwartetes Wetterereignis. Trenitalia ist aus dem Schneider und das Land Südtirol kann weiterhin auf diesen Betrieb bauen. Schweizer Verhältnisse….wir warten und warten und warten.
Freitag, 26.11.2010: Zug 20453, Brenner ab 11.38, Bozen an 12.59, gecancelt. Materialschaden. Ursache unbekannt. Am Bahnsteig von Klausen liegt ca 1 cm Neuschnee. Vielleicht hat es am Brenner sogar etwas mehr geschneit. Von Extremwettersituationen biblischen Ausmaßes kann nicht gesprochen werden. In den Alpen sind einige cm Neuschnee Ende November durchaus als normal zu bezeichnen, aber für Trenitalia möglicherweise eine zu hohe Anforderung. Schweizer Verhältnisse sehen anders aus.
Das sind in einer Woche mehr Zugausfälle, als ich in fünf Jahren (davon eines als Tagespendler) in der Schweiz erlebt habe. Ob sich jemand darüber Gedanken macht, was derartige Infrastruktur-, Verkehrs- und Dienstleistungsprobleme für den Standort Südtirol bedeuten?
Der “Standort Südtirol” ist der beste in ganz Italien, wie vor kurzem zu erfahren war. Man darf sich eben nur nicht mit der Schweiz oder anderen entwickelten Ländern vergleichen, dann steht man auch immer gut da. :D
Chistoph Franceschini schreibt bei Salto, dass Trenitalia nach der Elektrifizierung der Vinschger Bahnstrecke auch dort den Dienst übernehmen könnte — ob vollständig oder teilweise, bleibt offen. Ich bin zwar beileibe kein Fan der SAD, aber mehr Trenitalia ist wohl auch keine Lösung. Dem Artikel zufolge wurde aber nur mit SAD und TI verhandelt, eine öffentliche Ausschreibung gab es nicht.
Interessant finde ich unter anderem diesen Satz:
Kann es sein, dass dies damit zusammenhängt, dass Trenitalia wegen seines schlechten Diensts (!) vom Land »gezwungen« wurde, eigene Flirts anzukaufen? Um nicht zu sagen, dass das Land Trenitalia die Züge quasi geschenkt hat?
Grundsätzlich können nach der Elektrifizierung sowohl sad als auch trenitalia auf der Vinschger Bahn fahren. Hinsichtlich Dienstqualität gibt es kaum einen Unterschied. Wieso trenitalia zwei Züge weniger braucht, lässt sich nur mit besseren Umläufen erklären. Gatterer hat den Bogen schon lange überspannt.
Ja, die SAD gehört zweifellos in die Schranken gewiesen. Aber ist es nicht so, dass das Land Trenitalia zwei Flirtgarnituren grundlos quasi geschenkt hat — und das Unternehmen jetzt diese als Vorteil gegenüber anderen Mitbewerbern ausspielen kann?
Vielleicht ist es ja so dass der ein oder andere Provinzpolitiker das Konzept “Privatisierung” nicht ganz verstanden hat?
Zusammen übrigens mit dem »Vorteil«, dass TI und der Schienennetzbetreiber RFI demselben Unternehmen angehören und somit (in)direkt Druck ausüben könnten (»Schienennetzausbau oder -modernisierung nur wenn auch wir ein Stück vom Kuchen abbekommen«)… eine einmalige Interessensüberschneidung.
Gatterer hat Salto diese Stellungnahme zukommen lassen:
Ganz ehrlich… eine perfekte Zweisprachigkeit habe ich bei der SAD noch nie bemerkt. A bissl besser als TI zu sein ist doch keine Leistung.
Wie ist das mit den Steuereinnahmen zu bewerten?
Gatterer
Sehr geehrter Herr Gatterer!
Volle Zustimmung Ihrer Einschätzung der Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs. Und gerade deshalb gehört dieser neben der Post und Zugang zu Telefon-und Kommunikationsnetzen als öffentliches Gut in ein neues Autonomiestatut in den Händen der Europaregion und einem regionalem Verkehrsverbund. Die freiwillige Anwendung des Proporzes könnte dann zur Pflicht werden.
Oder man wählt die patriotische Lösung.
Der staatliche Konzern ÖBB kauft deutsche Nachtzuglinien.