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Ein Gewissen für Ellecosta.

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Toni Ebner, dessen Leitartikel zu religiösen und ethischen Themen ich immer wieder deutlich kritisiert habe, findet zum Fall Ellecosta klare Worte, denen ich mich in vollem Umfang anschließen kann:

Ab in die Mottenkiste!

Für Bürgermeister Luigi Spagnolli ist Oswald Ellecosta kein Nazi-Sympathisant. Das mag stimmen, seine Aussagen sind trotzdem unakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen. Kein Politiker in Deutschland oder Österreich wäre länger als drei Tage nach so einem verbalen Ausrutscher noch im Amt.

Den Einmarsch der Nationalsozialisten am 8. September 1943 als Befreiung zu bezeichnen, ist entweder totale historische Ignoranz oder ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Hat der Vizebürgermeister von Bozen nicht mitbekommen, dass die Nationalsozialisten in Südtirol die Terrorherrschaft der Faschisten fortgesetzt haben, nur in einer anderen Qualität?

Hat Ellecosta nie etwas von den Judendeportationen gehört, die seine Befreier mit tatkräftige Hilfe von Südtiroler durchgezogen haben? Heute noch leben Familienangehörigen von Südtiroler Nazis in Wohnungen von Südtiroler Juden; zuerst wurden die jüdischen Nachbarn angezeigt, dann von der Gestapo angeholt, ins Konzentrationslager deportiert und dort ermordet. Und in ihre Wohnungen zogen die lieben Nachbarn ein, die gewissenlos von der menschenverachtenden Ideologie der “Befreier” profitierten.

Und hat Ellecosta auch nicht mitbekommen, wie die Nazis mit den politischen Gegnern nach dem 8. September 1943 verfahren sind? Wer es nicht geschafft hätte zu flüchten, wurde verhaftet, peinlich verhört, misshandelt und in die Konzentrationslager deportiert. Die Südtiroler Nazi-Gegner hatten nur das Glück, dass dieses Terrorregime 1945 zusammengebrochen ist und Hitlers Schergen in Südtirol zu wenig Zeit hatten, um richtig aufzuräumen.

Viel unheil haben sie trotzdem angerichtet und viel Leid verursacht. Ellecosta vergisst die vielen jungen Männer, die damals ihr Leben an der Front oder sonst wo in einem sinnlosen Krieg verloren haben. Sicher, viele sind mit Begeisterung in den Krieg gezogen; dass sie wirklich mit ebenso viel Begeisterung auf den Schlachtfelder verblutet sind, ist unwahrscheinlich.

Es ist dann auch eine Tatsache, dass die Südtiroler Nazis mit Vorliebe die Söhne der Dableiber an die Front geschickt haben, wohin diese sicher nicht wollten und wo sie unfreiwillig als Kanonenfutter für Adolf Hitler missbraucht wurden.

Und trotz all dieser furchtbaren Ereignisse, haben die Südtiroler nach dem Krieg zusammengestanden, egal ob sie auf der Seite der Nazis waren oder auf der anderen Seite.

Frieden und Eintracht mussten wieder in dieses Land einziehen. Der 8. September 1943 sollte deshalb das bleiben, was er immer war: ein historisches Datum, das die einen mit Freudentränen erlebten und die anderen mit Schmerzenstränen. Wer aber den 8. September 1943 als “Befreiungstag” ansieht, hat von der Südtiroler Geschichte nichts verstanden und gehört dorthin, wo derartige Ideen bleiben sollen: in die Mottenkiste!

Toni Ebner, Dolomiten, am 28. April 2009.



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Comentârs

4 responses to “Ein Gewissen für Ellecosta.”

  1. Ander avatar
    Ander

    Tja, die heilige katholische Athesia ;-)

    Es ist irgendwie schade, dass dieser Artikel nicht übersetzt im Alto Adige steht. In diesen Tagen ist mir besonders aufgefallen, wie unterschiedlich akzentuiert dieses Thema und jenes von Seppi in Bruneck in den Medien der beiden Sprachgruppen behandelt wurde. Bei dieser Situation ist es schwer vorstellbar, zu einer gemeinsamen Sichtweise der Situation (und der Geschichte) zu kommen. Da ist noch ein weiter Weg zu gehen…

  2. gadilu avatar
    gadilu

    L’articolo di Ebner è stato pubblicato il giorno dopo sul Corriere dell’Alto Adige.

  3. Ander avatar
    Ander

    Appunto. Sul Corriere dell’Alto Adige.

  4. pérvasion avatar

    Kurz nachdem Ebners Kommentar in den Dolomiten erschienen ist, hat der Alto Adige ein großes (einseitiges) Interview mit dem Athesia-Patron veröffentlicht, in dem er seine Positionen wiederholt hat. Dies hat die italienische Tageszeitung jedoch nicht daran gehindert, unvermindert mit ihrer Hetze fortzufahren, die nicht davor zurückschreckt, alle Südtiroler deutscher Muttersprache über einen Kamm zu scheren — vielleicht zum Vorteil des Absatzes, mit Sicherheit gegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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