Lange Zeit sind Extremsportarten wie Snowboard- und Ski-Freestyle vom patriotischen Gedöns und von nationaler Symbolik verschont geblieben. Nicht zuletzt durch Terje Håkonsens Boykott der Olympischen Spiele in Nagano wurde — wie auch von anderen Sportlerinnen und Sportlern — aufgezeigt, dass es im Extremsportmilieu um die individuelle Leistung unabhängig von der Herkunft ginge und dass der respektvolle, kollegiale Wettstreit und das gegenseitige Pushen im Vordergrund stünden. Mit der Aufnahme einiger Extremsportarten in das olympische Programm hat sich das leider geändert und auch Extremsportler schwenken mittlerweile Landesflaggen, stehen zu Hymnen stramm und sind in Nationalteams organisiert.
Die jährlich stattfindenden X-Games (das Invitational ist das größte Extremsportevent und für einige der Athletinnen und Athleten bedeutender als Weltmeisterschaften und Olympische Spiele) waren in dieser Hinsicht bislang eine rühmliche Ausnahme. Und sie sind es bis zu einem gewissen Grad nach wie vor.
Bei den X-Games 2025 vor einigen Wochen in Aspen/Colorado gab es gleich mehrere Weltpremieren: Flora Tabanelli wurde mit 17 Jahren die jüngste Gewinnerin des Ski-Big-Air-Bewerbes (Video) in der Geschichte der X-Games. Ihr Bruder Miro Tabanelli holte sich ebenfalls im Ski-Big-Air-Bewerb die Gold-Medaille (Video), indem er als erster Ski-Freestyler überhaupt einen 2340 (6,5 Drehungen um die eigene Achse) bei einem Wettkampf in den Schnee stellte. Dem Snowboarder Hiroto Ogiwara war dieses Kunststück tags zuvor ebenfalls zum ersten Mal in der Geschichte bei einem Snowboard-Big-Air-Bewerb (Video) geglückt.
Doch neben den schwindelerregenden Tricks hat bei mir heuer noch etwas anderes für Erstaunen gesorgt: Die Athletinnen und Athleten aus Italien traten mit Jacken an, auf denen am Rücken groß “ITALIA” prangte und die ein grün-weiß-rotes Logo zierte.
Soweit ich das überblicken konnte sind die Italiener/-innen glücklicherweise die einzigen, die “Einheitskleidung” tragen und auf deren Outfit ein Hinweis auf ihre Herkunft zu finden ist. Eine kurze Recherche hat dann gezeigt, dass Miro Tabanelli bereits im Vorjahr mit einer solchen Jacke angetreten ist.
Ohne die großartige Leistung der Tabanelli-Geschwister in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, finde ich es dennoch schade, dass durch ein weiteres “World’s First” der italienischen Sportlerinnen nun auch bei den X-Games dieses lächerliche Nationendenken Einzug hält, obwohl die Organisatoren selbst davon offenbar noch nichts wissen wollen, wie ein Blick auf die offiziellen Ergebnislisten zeigt, in denen bei niemandem die Nationalität aufscheint.
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