Kurtaxe, Tourismusabgabe und IMU-Umsetzung: zum ersten Mal sieht sich das Land in der Pflicht, seine begrenzten Kompetenzen in der Steuerpolitik nicht nur zur Bedienung der Interessen der Wirtschaftsverbände zu nutzen, wie mit den IRAP-Senkungen geschehen, sondern für mehr Kostenbeteiligung der Verursacher und Abgabenbeitrag gemäß Leistungsfähigkeit. Bei der Kurtaxe geht es um nichts anderes als eine Gebühr, die die Kosten der Tourismuswerbung den Nutznießern und nicht mehrheitlich dem allgemeinen Steuerzahler anlasten soll. Bei der Tourismusabgabe um einen bescheidenen, aber legitimen Beitrag der Hotellerie und anderer, davon profitierender Branchen zu den tourismusbezogenen Infrastrukturen und Beiträge, für die das Land aufkommt. Gegen das bescheidene Aufkommen der Kurtaxe von 18 Mio Euro und einen Tourismusabgabesatz zwischen 0,1% und 0,2% des Umsatzes haben HGV, LVH und SWR nach einer Woche konzertiertem Sperrfeuer die SVP dahin gebracht, wieder vor den Lobbys in die Knie zu gehen und das Ganze zu verschieben. Da stellt sich schon die Frage, welche Auseinandersetzungen auf Südtirol zukommen, wenn demnächst wesentliche Kürzungen der Einnahmen des Landes seitens Rom durch lokale Steuererhöhungen aufgefangen werden müssen.
Der Fehler bei dieser Art von Finanzpolitik liegt schon 17 Jahre zurück. Denn auf die Tourismusabgabe, die einzige autonom regelbare Steuer, hat die SVP schon 1994 verzichtet. Man hat fleißig den Werbeaufwand mitfinanziert, den Tourismus auf einen nicht nachhaltigen Wachstumskurs hochsubventioniert und die Hotellerie daran gewöhnt, dass viele tourismusbezogene öffentliche Ausgaben vom Land getragen werden. Nun führt sich der HGV wie ein verwöhntes Kind auf, das mit völligem Liebesentzug droht, wenn eine ganz legitime Kostenbeteiligung gefordert wird. Diese ist jedoch unumgänglich, denn die krasse steuerliche Benachteiligung der Arbeitnehmer gegenüber den Selbstständigen kann das Land gar nicht durch bloße Mini-Korrekturen beim IRPEF-Zuschlag ausgleichen, genausowenig wie die pauschale Einkommenssteuerbefreiung einer ganzen Berufsgruppe, nämlich der Bauern.
In dieser Auseinandersetzung bringen die Unternehmerverbände immer wieder die Litanei “Die Wirtschaft verträgt eine Belastungen mehr”, und zitieren angeblich entrichtete Steuerleistungen von über 70% des Einkommens, die kein HGV-Meister belegen kann. Amtliche Daten zu den von den einzelnen Branchen und Unternehmen getragenen Steuern gibt es nämlich nicht. Vor Jahren widmete das WIFO dem Thema eine ganze Studie, analysierte aber kurioserweise den formal geschuldeten Steuerdruck, nicht die tatsächlich gezahlten Abgaben. Man weiß, wie viel IRPEF Arbeitnehmer, Bauern und Rentner aufbringen, aber es gibt keine Transparenz beim Beitrag der “Wirtschaftstreibenden” gemäß Kategorie zum Fiskus in Südtirol und damit zum Landeshaushalt. Ohne eine klare Datengrundlage lässt sich auch keine sachliche Diskussion zur Steuergerechtigkeit führen.
Stefan Pan meinte am 18.4. im Sender Bozen: “Italien hat die höchste Steuerbelastung Europas und Südtirol die höchste Steuerbelastung Italiens.” Beide Feststellungen sind falsch. Italien hat mit den “Salva Italia”-Maßnahmen zwar zugelegt, liegt aber noch nicht an der Spitze. In Südtirol lag laut ASTAT (Die Konten der öff. Verwaltung 2009) die Abgabenbelastung in Bezug auf das BIP 2009 mit 38,5% deutlich unter dem Wert Gesamt-Italiens und Österreichs sowie unter dem EU-Durchschnitt. Die Lohnabhängigen und Rentner zahlten 2010 zusammen 1.715 Mio. Euro an IRPEF, also gut 80% des Gesamtaufkommens der IRPEF (ohne kommunalen und regionalen Zuschlag). Die vermögenswirksamen Steuern (Erbschaft, Schenkung, ICI, Wertzuwachssteuer, Steueramnestien usw.) erbrachten gemäß ASTAT 2009 19,5 Mio Euro, was 0,42% des gesamten Steueraufkommens entspricht. Zwar wird die IMU diesen Anteil der Vermögenssteuern etwas erhöhen, doch hätten Arbeitnehmer und Rentner weitaus mehr Grund, der SVP zu drohen als der HGV.
Auf der anderen Seite geht der Unternehmerverband nie genauer auf die Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft ein, deren Umfang in Südtirol wesentlich höher liegt als in Nachbarregionen. Trotz stagnierendem Landeshaushalt sind die Ausgaben für die Wirtschaftsförderung laufend gestiegen und erreichten laut ASTAT 2009 allein bei den Investitionsausgaben 443 Mio. Euro. Die Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung kosten das Land im Jahr 2012 mit 354,2 Mio Euro mehr als es mit der IRAP insgesamt einnimmt. Aber nirgendwo kann der Bürger nachlesen, wofür die 141 Mio. Euro ausgegeben worden sind, die 2009 ans Gastgewerbe geflossen sind. Das Land wird schon wissen, warum es im Unterschied zu österreichischen Bundesländern keinen Subventionsbericht herausbringt.
Interessant ist schließlich das öffentliche “Finanzierungsdefizit” Südtirols, das laut ASTAT 2009 bei -597 Mio. Euro lag. Mit diesem missverständlichen Begriff bezeichnet das ASTAT einen für Südtirol allbekannten Umstand: die öffentliche Hand gibt im Land mehr aus als an Einnahmen erzielt werden. Mit dem Mailänder Abkommen vom November 2009 musste Südtirol zwar auf rund 500 Mio Euro verzichten und entsprechend schrumpfte der Landeshaushalt. Nach Montis zusätzlichen Sparmaßnahmen wird es kein derartiges Finanzierungsdefizit mehr geben. Dennoch leistet Südtirol — genauso wie die übrigen autonomen Regionen — noch immer keinen nennenswerten Beitrag zum Staatshaushalt. Dieser Sachverhalt ist für den Wirtschaftsprofessor Monti mit ein Grund, an dem 90%-Rückfluss des lokalen Staatssteueraufkommens ans Land zu rütteln. Wenn Monti und die Nachfolgeregierungen dieses Vorhaben zwecks Stabilisierung der Staatsfinanzen auch nur teilweise umsetzen, kommen andere Einschnitte auf den Landeshaushalt zu. Das Land wird seinen Spielraum bei den eigenen Steuern und Steuerzuschlägen wirklich nutzen müssen, wenn nicht querbeet massiv gekürzt werden soll. Bestimmte Branchen ganz nach medialer Lautstärke weiter freizuhalten wird sich als Nachteil erweisen. Somit ist die sofortige Einführung der Tourismusabgabe eine Art Nagelprobe dafür, ob die SVP für die finanzpolitischen Anpassungen an die Monti- und Post-Monti-Zeit gerüstet ist. Die Verschiebung der Steuer auf 2014 oder ein neuerlicher Verzicht darauf sind hingegen für Monti ein willkommenes Argument gegen die Erweiterung der Steuerautonomie und für weitere Mittelkürzung: “Wenn ihr Südtiroler nicht mal die einzige schon bestehende autonome Steuer anwendet…”
20 replies on “Noch nicht im »Monti-Zeitalter« angekommen.”
An diesem Beispiel sieht man dass einiges was in unserem Land falsch läuft nicht dem italienischen Staat die Schuld zu geben ist. Das Problem liegt an einer fehlenden Diskussion zur Steuergerechtigkeit zu der sich unser demokratisch unterentwickeltes Land nicht aufraffen kann.
@ gorgias
reflexartig alles den römern in die schuhe schieben zu wollen ist in der tat eine unsitte. rom ist für genug blödsinn verantwortlich, da muss man ihnen nicht auch noch das eigene versagen anlasten. die sind auch ohne dieses unfähig genug.
andererseits ist die steuergerechtigkeit, von der du sprichst, auch in “demokratisch hochentwickelten ländern” (was immer das sind) nicht erfüllt, oder? oder kannst du mir ein land nennen, in dem speziell im zuge der krise jetzt tatsächlich ohne scheuklappen über eine gerechte lastverteilung gesprochen wurde – geschweige denn eines, in dem entsprechende gesetze sogar umgesetzt wurden. mir fällt keines ein. vielmehr ließt man wieder vermehrt dinge wie diese:
http://www.guardian.co.uk/business/2012/apr/29/rich-list-record-fortunes-britain
Ich halte nichts davon, für alles dem Staat die Schuld zu geben. Selbst dafür, dass wir noch immer Teil dieses Staates sind, tragen wir größtenteils selbst Verantwortung.
@ pérvasion
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wo die Ursachen für bestimmte Zustände in unserem Land liegen. Als Minderheit werden wir in Italien immer nur eine Fußnote für nationale Interessen sein und deswegen müssen wir uns standhaft für unsere eigenen Interessen einsetzen.
Doch frage ich mich warum so viel unötig gekatzbuckelt wird. Warum es soviel Anbiederung gibt, die unnötig wäre und von gewissen Tourismuspräsidenten betrieben wird. Dass es den Italienern gleich ist, dass viele Übersetzungen furchbar klingen und unzlänglich sind kann man, wenn man es aus ihrer Position aus betrachtet sogar nachvollziehen. Wenn man sieht, dass dieser Tourimuspräsident es außerdem zuläßt, dass eine Laufschrift mit falschen Übersetzungen in gleich mehreren Sprachen die Touristen aus aller Welt begrüßt.
Warum wird stattdessen nicht mehr von unserer seite getan, um unsere Kultur zu Pflegen? Als ich neulich in Bozen auf dem Zug wartete, kam eine mehrsprachige Durchsage aus dem Lautsprecher. Und als die deutsche Variante angesagt wurde, fing eine (bundes)deutsche Reisgruppe neben mir an sich über diese sprachliche Blüte zu amüsieren. Warum regt sich aber niemand bei uns auf? Warum gibt es keine Unterschriftensammlungen gegen solches schlecht gesprochenes Deutsch?
Ich kann mich auch noch an einem anderen Beitrag erinnern, wo sich ein Politiker, dessen Partei sich für die Rettung unserer Kultur auf die Fahnen geschrieben hat, sich in einer Diskussion auf diesen Blog über die korrekte Beschriftung eines Straßenschildes blamiert hat. Wenn es nicht einmal jene die sich beruflich für unser “Deutschtum” einsetzen, es auf dem Hut kriegen das richtig zu machen, wer dann? Die Wahrheit liegt wohl auch darin dass wir ein Volk von Dialektsprechern sind, das selbst kein gutes Hochdeutsch spricht. Dafür können die Italiener nichts, aber dafür müssten wir uns in erster Linie selbst einsetzen.
Ich verstehe nicht, warum man eine Straße unbedingt nach den Venedigermanndln benennen sollte, obwohl sie in der italienischen Version nach der stadt Venedig benannt ist. Positiv ist jedenfalls, dass man sich darüber zumindest Gedanken macht. Richtig bleibt aber nur Venedigstraße.
Herr Staffler… ich bitte Sie!
Hatten wir das nicht schon mal?
Also, nochmal zum Mitschreiben, direkt aus dem Duden:
Unterstreichung von mir.
@ gorgias
die durchsagen am bahnhof sind in der tat amüsant und traurig zugleich. einmal sind es sprecher, die kein deutsch können. ein andermal eine bundesdeutsche stimme, die rooovereeeeetooooo und verooona pooooorta nuoooova ausspricht, dass es die sau graust.
ich sehe überhaupt kein problem darin, dass wir dialektsprecher sind und damit aufwachsen. im gegenteil, mich nervt dieses gesülze, wonach der hochsprache eine irgendwie geartete überlegenheit zuerkannt wird. der dialekt ist in vielen facetten wesentlich reicher und präziser als die hochsprache, da er unmittelbar mit den hiesigen gegebenheiten verbunden ist. wenn man darüber hinaus der standardsprache mächtig ist, ist das gut. der dialekt ist aber in jedem fall eine bereicherung.
@ hartmuth
gibt es irgendeine instanz, die du als “neutrales schiedsgericht” in diesem fall anerkennst (duden-redaktion, die gesellschaft für deutsche sprache, das institut für deutsche sprache, bastian sick ;) …), denn wir sollten hier die ganze diskussion nicht noch einmal aufrollen. ich würde dann die von dir gewählte institution oder person schriftlich kontaktieren und die richtige lösung für den besagten fall einholen. sollte ich mit “venediger straße” tatsächlich falsch liegen, spendier ich dir ein schnitzel mit pommes mitsamt preiselbeermarmelade und entschuldigung.
ist das ihr ernst?
Zum Thema Straßennamen nur so viel: Da ich seit etwa 40 Jahren den Duden beinahe täglich in die Hand nehme, kenne ich die Duden-Regel 162 natürlich; sie schreibt keineswegs vor, dass man Venediger Straße schreiben muss, sondern lässt rein rechtschreiblich Venedigstraße, Venediger Straße und ausnahmsweise (in der Vorbemerkung) auch Venedig-Straße zu. Es greift daher die übergeordnete Regel, dass die Sprache verständlich sein soll und Missverständnisse zu vermeiden sind. Da es eine Stadt Venedig, aber auch einen Berg namens Venediger sowie die Bezeichnung Venediger(manndln) für gewisser Bergkobolde gibt, sollte man die Bezeichnung Venedigstraße (eventuell auch Venedig-Straße) wählen, wenn man die Stadt meint, und Venedigerstraße (gibt es in Osttirol tatsächlich), wenn man den Berg oder die Kobolde meint. Man schreibt ja auch Romstraße, weil bei der Schreibweise Römerstraße niemand an die Stadt, sondern jeder nur an das Volk der Römer denken würde. Ich hoffe, das ist klar genug, aber ich wäre natürlich mit jedem neutralen Schiedsgericht einverstanden. Schlimmer als eventuell falsche Schreibweisen finde ich aber, dass es in Bozen eine Fiumestraße gibt, die sich auf die kroatische Stadt Rijeka bezieht.
Bezöge sich der Straßenname auf den Berg oder die Kobolde, müsste er »Venedigerstraße« (zusammengeschrieben) lauten — wie eben in Osttirol. Bezieht er sich auf die Stadt, schreibt man »Venediger Straße« (getrennt). Aber ich freue mich auch auf den neutralen Schiedsspruch.
Die Bezeichnung Fiumestraße hat sicherlich einen revanchistischen Hintergrund und ist deshalb eigentlich abzulehnen. Andererseits müsste man genau recherchieren — haben Sie das getan? — ob Fiume der Ortsname der dort historisch ansässigen italienischen Minderheit ist. Dann wäre es im Deutschen egal, ob man »Fiume« oder »Rijeka« benützt. Nochmal was anderes ist, dass man dann eine Gleichberechtigung schaffen sollte: Die »Ödenburger Straße« heißt ja auf italienisch »via Å opron«.
http://www.rijeka.hr/Default.aspx?sec=476
Già , peccato che lo stesso portale web della città , disponibile in croato, inglese e italiano, nella versione italiana riporti tranquillamente lo storico nome Fiume, e il fatto che ci sia dimostra che viviamo in tempi nuovi rispetto a quelli della seconda guerra mondiale o anche della ex-Jugoslavia. Ennesimo esempio controproducente rispetto a ciò che si vuole dimostrare.
Wie gesagt:
Der italienische Name von Rijeka ist natürlich Fiume (Rijeka bedeutet ja Fluss). Im gesamten deutschen Sprachraum ist jedoch heute Rijeka üblich, daher sollte der Name der Bevölkerungsmehrheit auch auf der Bozner Straßentafel zu finden sein – sonst riecht es eben nach Revanchismus.
Außerdem gibt es in Bozen noch die Pola-Str. (kroat. Bezeichnung: Pula) und die Zara-Str. (kroat. Bezeichnung: Zadar) …
In questa frase c’è un “natürlich” di troppo. Fiume è il nome italiano della città sviluppatosi storicamente, non inventato da un Tolomei qualsiasi della costa dalmata, e il fatto che sia anche la traduzione di “rijeka” non significa nulla. Posso essere d’accordo sul fatto che “Fiumestraße” suoni poco simpatico, ma probabilmente dipende dal fatto che nella sistemazione dei cartelli stradali del dopoguerra non interessava a nessuno, non agli italiani per ovvi motivi ma nemmeno ai tedeschi, quale fosse la dicitura tedesca corretta di una lontana città croata. Tirare fuori questa storia ORA per parlare di revanscismo lo trovo un tantino sospetto.
@ hartmuth
hier der “neutrale Schiedsspruch”. ich hoffe, die sache ist somit erledigt:
ich habe den rat für deutsche rechtschreibung am institut für deutsche sprache in mannheim angeschrieben, da dieses damals von der deutschen kultusministerkonferenz mit der ausarbeitung des neuen regelwerkes für die deutsche sprache beauftragt wurde. ich denke, dass jene, die die regeln verfasst haben, durchaus befähigt sind, bindende aussagen über rechtschreibprobleme zu treffen.
meine anfrage:
und hier die antwort dazu:
Non è del tutto pertinente, ma visto che Thomas Benedikter anche viene citato, vorrei attirare l’attenzione dei lettori su questo articolo di fondo apparso su linkiesta:
http://www.linkiesta.it/alto-adige-tagli
Durnwalder in carica dagli anni settanta?
Monti non può tagliare in Sudtirolo?
Ma dove le vanno a cercare certe informazioni? Le tirano fuori dal cappello?
Exkurs.