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Korruption im nationalen Interesse?

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Die investigative italienische Tageszeitung il Fatto Quotidiano schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, der italienische Staatspräsident und sein Entourage hätten auf Robert Schülmers, Staatsanwalt des Rechnungshofes, Druck ausgeübt, um dessen Ermittlungen gegen Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) einzubremsen.

Der Autor des Beitrags beruft sich dabei auf einen Emailverkehr zwischen Schülmers, seinem Vorgesetzten, Rechnungshof-Generalstaatsanwalt Salvatore Nottola, und Tommaso Miele, Vorsitzender des Verbands der Rechnungshofsstaatsanwälte, der auszugsweise zitiert wird.

Robert Schülmers war in letzter Zeit medienwirksam aufgefallen, weil er mit ungewohnter Akribie auch gegen SVP-Granden ermittelte. Für Irritationen bei der Sammelpartei dürften vor allem seine Untersuchungen zum Sonderfonds des Landeshauptmanns hervorgerufen haben. So soll sich denn Luis Durnwalder bei einem Treffen mit Staatschef Giorgio Napolitano darüber beklagt haben.

Äußerst interessant ist am Artikel des Fatto Quotidiano unter anderem die Feststellung, der Eingriff des Staatspräsidenten sei auch im Lichte der besonderen Rolle der SVP für die nationale Einheit zu sehen: Man sei sich bewusst, dass die Sammelpartei dafür bürge, dass Südtirol bei Italien bleibt. Die Ermittlungen des Rechnungshofes drohten, den Unabhängigkeitsbefürwortern in die Hände zu spielen.

Schulmers sa benissimo che il leader di Svp è un personaggio chiave per gli equilibri nazionali. Il partito guidato da Durwaldner è il collante politico che tiene queste terre legate all’Italia e in particolare al centrosinistra. […] Schulmers, dal 2006 sostituto della Corte dei Conti e dal 2011 capo della Procura regionale, è visto come un rompiscatole troppo attivo, che magari con l’intenzione di far rispettare la legge italiana, rischia di far prevalere la minoranza secessionista.

Quelle: Il Fatto Quotidiano.

Sollte sich die Meldung bestätigen, würde dies gar einigen Verschwörungstheorien zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Offensichtlich wäre dann dem Staat die »heilige« nationale Einheit sogar wichtiger, als der demokratische Wille der Bevölkerung und als die Korruptionsbekämpfung — ganz egal, ob Durnwalder nun schuldig ist oder nicht. Einem eventuell entlastenden Urteil werden nun viele ohnehin nicht mehr glauben. Und: Die SVP wäre als eine Partei entlarvt, die nicht wirklich die Interessen der Südtiroler vertritt.



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Comentârs

10 responses to “Korruption im nationalen Interesse?”

  1. niwo avatar
    niwo

    Gerüchten zufolge, soll es in der Durnwalder-Schwimmbad-Causa auch Druck von “ganz oben” gegeben haben. Die Ermittlungen wurden daraufhin eingestellt. Seitdem, immer besagten Gerüchten entsprechend, soll der LH gegenüber dem Zentralstaat, seine Unabhängigkeit verloren haben.
    Wie gesagt, Gerüchte, die sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen, wo zentralstaatliche Institutionen der nationalen Einheit ja Einiges unterzuordnen scheinen, nicht leicht beweisen lassen. Hierzu bräuchte es unabhängige, internationale Untersuchungskommissionen und die Bereitschaft entsprechende Dokumente einsehen zu können.
    Auffallend ist zumindest, dass der LH in der Frage der Unabhängigkeit, die Zugehörigkeit zu Italien nie in Frage stellte, nicht einmal unter der Regierung Monti als Vertragsbrüche die politische Agenda bestimmten. Aus zentralstaatlicher Sicht macht es sehr wohl Sinn den Landeshauptmann zu decken.

    1. anonym avatar
      anonym

      Nach allem was in den vergangenen Jahren passiert ist, darf man sich mit Recht fragen wieviel Dreck am Stecken viele SVP Politiker haben.
      Mich würde es keineswegs wundern, wenn der Staat wahrscheinlich Kenntnis davon hat. Wer hat z.B. die Wanzen in den Büros installiert?
      Mit diesem Wissen lässt sich dann Druck machen.
      Ich weiss, klingt wie eine dieser typischen Verschwörungstheorien, aber wenn man die Fakten anschaut und was nun langsam ans Licht kommt, dann ist das mehr als nur eine Theorie.

  2. pérvasion avatar

    Ich muss gestehen, dass ich zum ersten Mal so etwas wie Angst verspüre (aber vielleicht ist das auch nicht ganz ungewollt). Falls das Prinzip der nationalen Einheit von »ganz oben« vor rechtsstatliche und demokratische Grundrechte gestellt wird, muss man sich jedenfalls fragen, wie weit das denn gehen kann — und wozu sich bestimmte Kräfte (z.B. Geheimdienst) legitimiert fühlen könnten.

    1. Manni avatar
      Manni

      @pervasion
      Das mit der Angst geht mir genauso. Was sich der italienische Geheimdienst alles erlaubt hat, kennen wir ja aus Büchern, die von Leuten geschrieben wurden, die nicht im Verdacht stehen, mit der Unabhängigkeit zu sympathisieren, wie etwa Hans-Karl Peterlini (“Bomben aus zweiter Hand”).Ich frage mich schon, was passieren würde, wenn selbst solche schmutzigen Tricks nicht mehr funktionieren würden, wobei man selbstverständlich sagen muß, daß die Unschuldsvermutung gilt.
      BTW:
      Auf suedtirolnews hat ein -auch von seinen “Höflichkeitsbesuchen”- bestens bekannter Kommentator die Zugehörigkeit zu Italien auch damit verteidigt, daß Südtirol sonst im juristischen Sinne “inzestuös” würde, weil hier jeder jeden kennt.
      Nach dieser “Logik” müßte Liechtenstein zu den korruptesten Staaten der Welt gehören. Schließlich ist dieses Fürstentum nicht einmal so groß wie die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt (FL:160 km2 – BgB: 1.100 km2)
      Wie auch immer: Sollte der Bericht wahr sein, so kann man sich als korrupter Politiker in Zukunft aufs nationale Interesse berufen -selbsverständlich nur, wenn man kein Sezessionist ist :-(

      1. pérvasion avatar

        Schade für unseren Höflichkeitsbesucher und seine Inzest-Thesen, dass er von den Fakten widerlegt wird. Und angeblich liebt er ja Fakten.

        Besonders dreist finde ich aber, dass jetzt der Staat wohl noch als Garant für Rechtsstaatlichkeit herhalten muss, während das Gerücht kursiert, dass sich der Staatspräsident über das Prinzip der Gewaltenteilung hinweg in ein Verfahren eingemischt hat.
        Ich dachte eigentlich, dieser Vorfall zeigt unserer Katalog-Intelligenzija endlich, wie falsch sie mit ihrer Einschätzung liegt, eines der (nach offiziellen Zahlen) korruptesten Länder der EU könne unsere Rechtsstaatlichkeit sichern. Doch offenbar ist diesen Leuten wirklich gar nix zu dumm — oder sie haben ein ernsthaftes Problem mit den Grundregeln der Logik.

  3. lois avatar
    lois

    ich frage mich wo dieser Herr seine Finger überall drin hat, SEL unbestritten, Stein an Stein, und die SVP versucht mit allen Mitteln sich aus dem Schlamassel zu retten und die Bergbewohner sind auch noch so naiv obwohl und hoffe ich glaube die Rechnung kommt im Herbst

    1. pérvasion avatar

      Mir ist die gesamte Angelegenheit zu undurchsichtig und ehrlich gesagt auch Schülmers’ Vorgangsweise suspekt, weshalb ich ihm nicht meine Solidarität ausdrücken kann. Eine illegale Einmischung »von oben« wäre freilich durch nichts zu rechtfertigen, denn gegen übereifrige Staatsanwälte (so dies auf Schülmers zutreffen sollte) gibt es ganz legale Einspruchs- und Beschwerdemöglichkeiten. Leider fürchte ich, dass es zu keiner vollständigen Aufklärung kommen wird — denn falls stimmt, was der Fatto Quotidiano schreibt, wird Napolitano auch Mittel und Wege finden, sich vor weitergehenden Ermittlungen zu schützen.

      Was mir in der ganzen Diskussion zu kurz kommt, ist, dass die SVP (wennschon) deshalb Unterstützung aus Rom bekommt, weil sie den Verbleib Südtirols bei Italien sicherstellt. Ich glaube kaum, dass sich ein Journalist — der kein Interesse an Südtirols Unabhängigkeit hat — sowas aus den Fingern saugt.

      1. niwo avatar
        niwo

        Was mir in der ganzen Diskussion zu kurz kommt, ist, dass die SVP (wennschon) deshalb Unterstützung aus Rom bekommt, weil sie den Verbleib Südtirols bei Italien sicherstellt.

        Diese Frage wird in der gesamten Berichterstattung beinahe ausgeblendet. Sollte es für diesen von “Il fatto quotidiano” vorgebrachten Vorwurf Beweise geben, würden gar einige Fundamente Südtirols neu justiert werden. Die SVP wäre deifinitiv in ihrer Glaubwürdigkeit nachhaltig erschüttert. Mal sehen ob sich die lokale Jounaille des Themas in Form von mühevollen Recherchearbeiten annimmt.
        Auf nationalstaatlicher Ebene wird der Fall immer suspekter. In der gestrigen Printausgabe des “fatto” erhebt Marco Travaglio in seinem Leitartikel schwere Vorwürfe gegenüber den anderen nationalen Medien. Im Allgemeinen kritisiert er, dass auch “Qualitätsmedien”, wie etwa die Zeitung “La Repubblica” bestimmte Themen von der Berichterstattung ausklammern.

        Un paio di mesi fa, mentre la stampa progressista era impegnatissima nella campagna elettorale per il Pd e suoi mirabolanti gridi di battaglia contro la corruzione, il Fatto pubblicò in beata solitudine la notizia che l’anticorruzione Severino, appena approvata da Pd, Pdl e Centro, avrebbe salvato le coop rosse imputate nel processo Penati. Infatti derubricava la concussione per induzione in un reato minore, con pene più miti e prescrizione più breve (da 5 a 10 anni):… [….] L’altroieri puntualmente, è arrivata la sentenza del gip di Monza che, grazie alle nuove norme volute del Pd, dichiara prescritte le tangenti alle coop rosse….

        Auf die “ausgebremsten” Ermittlungen in Südtirol bezieht sich Travaglio gleich in zwei Absätzen:

        O a censurare la denuncia del procuratore della Corte dei Conti del Trentiono-Alto Adige sulle pressioni dei superiori e del Quirinale contro le inchieste sulla Provincia di Bolzano, per non disturbare il manovratore. Si può credere o non credere a quella denuncia, simpatizzare o meno con Napolitano: ma le notizie non sono nè di destra nè di sinistra, dunque si danno e basta. Possibilmente con nomi e cognomi. […]
        PS. Ieri la Procura di Roma ha reso noto di aver iscritto sul registro degli indagati per “calumnia e offese all’onore del capo dello Stato” il procuratore di Trento e Bolzano della Corte dei Conti, Robert Schülmers, che ha denunciato su una mailing list le pressioni dei superiori e del Quirinale. Resta da capire perchè non abbia iscritto anche i dirigenti del Colle e della Corte dei Conti per abuso d’ufficio, nell’ipotesi che Schülmers dica la verità . Ma soprattutto: è stato forse abrogato il segreto investigativo sul registro degli indagati? Oppure vale per tutti, salvo per chi critica il Re Sole?

      2. Steffl avatar
        Steffl

        Mir ist die gesamte Angelegenheit zu undurchsichtig und ehrlich gesagt auch Schülmers’ Vorgangsweise suspekt

        Dito. Man blickt hier überhaupt nicht durch. Und auch wenn der LH sicher kein Kind von Traurigkeit ist und es sicher nicht nötig hat, hier übermäßig in Schutz genommen zu werden, hinterlässt die Vorgangsweise dieses Herrn Schülmer, genau vor Wahlen so vehement gegen LH Durnwalder vorzugehen, einen faden Beigeschmack. Außerdem hört man immer wieder dass er nicht deutsch sprechen soll…das wäre auch ein großer Minuspunkt für diesen Herrn.
        Trotzdem sind die italienisch-staatlichen Verstrickungen der Sammelpartei (und dass sie auch in italienischen Medien neulich offen als Garant für ein Südtirol bei Italien bezeichnet wird) für den Minderheitenstatus gefährlich, jedenfalls meiner bescheidenen Meinung nach.

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