Mit Blick auf die Abstimmung in Schottland geben Südtirols Politikerinnen und Medien einmal mehr ihr Allerbestes — man tut sich schwer, auf internationaler Ebene dümmlichere Kommentare zu finden, als die der heimischen Selbstbestimmungsgegner.
Noch am Vortag der schottischen Abstimmung hatte ich zu erklären versucht, warum Schottland in jedem Fall gewinnen würde, ganz egal ob sich das Ja oder das Nein durchsetzt: Zum Beispiel, weil die Schotten frei und demokratisch entscheiden durften und weil die Zentralisten gezwungen waren, das Nein in Devomax (maximale Autonomie) umzuwandeln. Darüberhinaus hatte ich diesen halb ironischen Kommentar getwittert, dessen Wahrheitsgehalt sich nun jedoch beweist:
Se domani in #Scozia vince il NO l'indipendentismo sudtirolese è finito. Se vince il SÌ il #Sudtirolo con la Scozia non c'entra nulla.
— BBD 🌻🌻🌻 (@31bbd) September 17, 2014
Denn während die Tageszeitung vor der Abstimmung mit Anton Pelinka getitelt hatte, Südtirol sei mit Schottland nicht vergleichbar
behauptet sie heute völlig ungeniert, die Niederlage der schottischen Sezessionisten sei »eine Watsche« für die Südtiroler Unabhängigkeitsbefürworter:
Zudem sehe sich die SVP in ihrer Position gegenüber Rom bestärkt. Das sind zwei Widersprüche, wie sie größer kaum sein könnten:
- Wenn Südtirol nicht (mit) Schottland (vergleichbar) ist, warum sollte dann das schottische Nein eine Watsche für hiesige Unabhängigkeitsbefürworter sein? Frei nach obigem Tweet sucht sich die TAZ einfach aus, was für die eigene Position gerade bequemer ist — ganz egal, wie sehr sie sich argumentativ verrenken muss.
- Wenn es stets hieß, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern, nun jedoch die Schotten das genaue Gegenteil bewiesen haben, warum fühlt sich dann die SVP in ihrer Position bestätigt?
Doch noch viel wichtiger als diese Widersprüche, die sich das unionistische Establishment ganz nonchalant zu übersehen leisten kann, scheint mir folgende Frage:
Was am Begriff »Selbstbestimmung« hat die Tageszeitung nicht verstanden?
Selbstbestimmung ist nicht nur ein Erfolg, wenn die Bevölkerung sich für eine Abspaltung ausspricht, denn Selbstbestimmung ist die Möglichkeit, ergebnisoffen frei und demokratisch über die eigene Zukunft und über den eigenen institutionellen Rahmen zu befinden. Insofern ist die Abstimmung in Schottland — und darüber sind sich fast alle internationalen Beobachter einig — ein großes demokratisches Vorbild. Wenn man von »selbst bestimmen« spricht, sollte es gleichzeitig eine elementare Erkenntnis sein, dass Schottland (nur) für Schottland entschieden hat und nicht auch für Katalonien, Baskenland, Südtirol und andere mit. Oder hätte ein schottisches Ja automatisch auch zur Unabhängigkeit unseres Landes geführt?
Doch offenbar ist soviel Einsicht für die Tageszeitung, die bei diesem Thema gern die Drecksarbeit übernimmt, schon zu hoch.
Siehe auch: 01
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