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Gehts noch dümmer?

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Mit Blick auf die Abstimmung in Schottland geben Südtirols Politikerinnen und Medien einmal mehr ihr Allerbestes — man tut sich schwer, auf internationaler Ebene dümmlichere Kommentare zu finden, als die der heimischen Selbstbestimmungsgegner.

Noch am Vortag der schottischen Abstimmung hatte ich zu erklären versucht, warum Schottland in jedem Fall gewinnen würde, ganz egal ob sich das Ja oder das Nein durchsetzt: Zum Beispiel, weil die Schotten frei und demokratisch entscheiden durften und weil die Zentralisten gezwungen waren, das Nein in Devomax (maximale Autonomie) umzuwandeln. Darüberhinaus hatte ich diesen halb ironischen Kommentar getwittert, dessen Wahrheitsgehalt sich nun jedoch beweist:

Denn während die Tageszeitung vor der Abstimmung mit Anton Pelinka getitelt hatte, Südtirol sei mit Schottland nicht vergleichbar

TAZ: Süd-Tirol ist nicht Schottland.

behauptet sie heute völlig ungeniert, die Niederlage der schottischen Sezessionisten sei »eine Watsche« für die Südtiroler Unabhängigkeitsbefürworter:

TAZ: Die schottische Lektion.

Zudem sehe sich die SVP in ihrer Position gegenüber Rom bestärkt. Das sind zwei Widersprüche, wie sie größer kaum sein könnten:

  1. Wenn Südtirol nicht (mit) Schottland (vergleichbar) ist, warum sollte dann das schottische Nein eine Watsche für hiesige Unabhängigkeitsbefürworter sein? Frei nach obigem Tweet sucht sich die TAZ einfach aus, was für die eigene Position gerade bequemer ist — ganz egal, wie sehr sie sich argumentativ verrenken muss.
  2. Wenn es stets hieß, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern, nun jedoch die Schotten das genaue Gegenteil bewiesen haben, warum fühlt sich dann die SVP in ihrer Position bestätigt?

Doch noch viel wichtiger als diese Widersprüche, die sich das unionistische Establishment ganz nonchalant zu übersehen leisten kann, scheint mir folgende Frage:

Was am Begriff »Selbstbestimmung« hat die Tageszeitung nicht verstanden?

Selbstbestimmung ist nicht nur ein Erfolg, wenn die Bevölkerung sich für eine Abspaltung ausspricht, denn Selbstbestimmung ist die Möglichkeit, ergebnisoffen frei und demokratisch über die eigene Zukunft und über den eigenen institutionellen Rahmen zu befinden. Insofern ist die Abstimmung in Schottland — und darüber sind sich fast alle internationalen Beobachter einig — ein großes demokratisches Vorbild. Wenn man von »selbst bestimmen« spricht, sollte es gleichzeitig eine elementare Erkenntnis sein, dass Schottland (nur) für Schottland entschieden hat und nicht auch für Katalonien, Baskenland, Südtirol und andere mit. Oder hätte ein schottisches Ja automatisch auch zur Unabhängigkeit unseres Landes geführt?

Doch offenbar ist soviel Einsicht für die Tageszeitung, die bei diesem Thema gern die Drecksarbeit übernimmt, schon zu hoch.

Siehe auch: 01



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Comentârs

13 responses to “Gehts noch dümmer?”

  1. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    wenn wir schon bei unsinnigen vergleichen sind, gäbe es noch einen widerspruch.

    das nein der schotten war – wenn man es mehrheitlich und vereinfachend sieht – ein sieg der rechten, konservativen und traditionalisten und eine niederlage der linken, sozialdemokraten und grünen.

    es ist sehr lustig, dass ein sieg der britischen rechten und eine niederlage der schottischen linken eine “watsche für die deutsche rechts-opposition” ist.

    südtirol ist so pervers.

    1. Sabina avatar
      Sabina

      Ich glaube nicht, dass das, was du beschreibst “pervers” ist.
      Menschen, Systeme sind in sich nicht kohärent (wenn damit eine lineare Rationalität gemeint ist), sie sind voll von Widersprüchen. Und diese Widersprüche sind demnach nicht “Devianz” sondern “Norm”.
      Wer gesellschaftliche (Veränderungs)Prozesse anstoßen, fördern möchte, sollte dem Rechnung tragen, indem er/sie mit Widerständen um- und mitgeht, weil das “Entlarven” zu einer Intensivierung eben dieser Widersprüche führt und eher dazu beiträgt, den Status Quo zu zementieren, während die Akzeptanz des Widerspruchs in sich das Potential, nicht der Aufhebung des Widerspruchs (!) sondern der Veränderung innerhalb von auch weiter bestehenden Spannungsfeldern, trägt.
      Außer wir glauben (wie zumindest ich für einige Zeit geglaubt habe), dass Systeme an ihren Widersprüchen zerbrechen…;-)

      1. Harald Knoflach avatar
        Harald Knoflach

        uff. da muss ich jetzt nochmal drüber schlafen und deinen text in aller geistesfrische lesen. im moment steig ich noch nicht ganz dahinter, was du sagen willst.
        ich hab hier “pervers” im sinne seiner ursprünglichen bedeutung gebraucht und meinte damit “verdreht”

      2. Sabina avatar
        Sabina

        Ja, genau…das war ein etwas “verdrehter” Kommentar :-). Ich habe mich auf die Bedeutung “unnormal” (die der Begriff “pervers” ja auch hat) bezogen und wollte – ganz einfach (?!) – sagen, dass Widersprüchlichkeit nicht unnormal, sondern, ganz im Gegenteil, bei Menschen, Organisationen, Institutionen…”normal” ist.
        Und auch eine Lanze dafür brechen, dieser Widersprüchlichkeit gegenüber Nachsicht walten zu lassen, weil sie es ist, die (gemeinsam gestaltete, also wirkliche) Veränderung erst möglich macht.
        Aber letztere Überlegung war schon einen Schritt weiter und bezog sich weniger auf deine (nachvollziehbare) Entnervtheit der TZ gegenüber, sondern vielmehr auf die Frage ob und wie gesellschaftliche Veränderungsprozesse entlang von Widersprüchen gestaltet werden können.

      3. Harald Knoflach avatar
        Harald Knoflach

        ok. wobei wir – glaube ich – zwischen eben diesen fruchtbringenden widersprüchen und dem, was die tz und andere medien da machen – unterscheiden müssen. es gibt nämlich nur zwei erklärungen – sie machen das absichtlich oder sie sind tatsächlich so blöd.

  2. Manni avatar
    Manni

    Es gibt gottlob noch Journalisten, die ihren Job ernst nehmen:

    Die Mär von den bösen Nationalisten zieht nicht mehr

    Quelle.

  3. kompatscher avatar
    kompatscher

    Ausgezeichneter Kommentar!!!
    Das Problem ist, dass dieser DUMME Journalismus von den meisten Menschen in diesem Lande nicht durchschaut, bzw. einfach hingenommen wird. Wie sonst gibt jemand für eine solche stupide Zeitung Geld aus und wieso inseriert jemand in so einem Käseblatt?

  4. Silvia avatar
    Silvia

    … aber dafür ist der Toni Ebner heute ganz auf eurer Seite. Das ist doch schon mal nicht schlecht, oder :-D ?

    1. pérvasion avatar

      You are missing the point: Hier geht es nicht darum, wer auf wessen Seite ist, sondern darum, dass auf beiden Seiten sauber und redlich argumentiert wird. Was die Tageszeitung macht hat mit Diskussionskultur nichts zu tun.

  5. phoenixblob avatar
    phoenixblob

    Einverstanden: Dümmer geht es nicht mehr.

    1. Die NSTZ schreibt, dass “die Situation in Südtirol nicht mit jener in Schottland zu vergleichen SEI” (indirekte Rede!) und nicht, dass “die Situation in Südtirol nicht mit jener in Schottland zu vergleichen IST”. Das zeigt, dass die NSTZ lediglich die Meinung von Anton Pelinka wiedergibt. Zudem wird das Plakat “Südtirol ist nicht Schottland” gemeinsam mit einem Bild von Anton Pelinka gezeigt. Wäre das die Meinung der NSTZ, dann hätte sie das Bild von Anton Pelinka weglassen müssen.

    2. Wenn man einen Schritt weiterdenkt, würde das bedeuten, dass ein Medium zwangsläufig die Meinung des Interviewpartners übernimmt. In der Online-Ausgabe der NSTZ findet sich heute ein Interview mit Philipp Achammer, der sagt: “Man kann die Situation in Schottland wirklich nicht mit Südtirol vergleichen.” Wie passt das alles jetzt also zusammen?
    3. Wenn man glaubt, dass ein Medium eine Meinung vertritt, dann sollte man am ehesten den Kommentaren des Herausgebers Glauben schenken. Bereits am 11. September (!) hat Arnold Tribus gesagt: “Wenn die Schotten sich loslösen, dann könnte es auch in Südtirol eine noch größere Bewegung für die Selbstbestimmung geben.” Siehe http://www.tageszeitung.it/2014/09/11/schwangere-europa/ (Video ab 2:00). Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das Nein der Schotten ein Dämpfer für die Separatisten in Südtirol ist. Das spricht dafür, dass die NSTZ von Anfang der Auffassung war, dass die Volksabstimmung in Schottland Auswirkungen auf die Separatistenbewegung in Südtirol hat.

    1. hunter avatar
      hunter

      du hast in der tat nicht ganz unrecht. wobei es speziell in südtirol oft schwierig ist, zwischen interpretativem- und meinungsjournalismus zu unterscheiden. meinung wird zwar meist gekennzeichnet (außer bei salto.bz), aber vermeintlich interpretavie berichte sind nicht selten meinungsschwanger. (z.b. wird auf der interviewseite kein konjunktiv mehr verwendet und es steht geschrieben: warum die unabhängigkeitsabstimmung in schottland nicht mit südtirol vergleichbar – und das recht auf selbstbestimmung keine lösung IST.)

      wobei ich hinter der auswahl – sowohl der experten als auch der schlagzeilen (blattlinie?) – strategie verorte. pelinka diente als glaubwürdiges sprachrohr jener botschaft, die die tageszeitung loswerden wollte. nämlich den sezessionisten – wie sie schreiben – im falle eines JAs den wind aus den segeln zu nehmen. da es dann das NEIN geworden ist, hatten sie neuerlich eine schlagzeile parat, um den sezessionisten den wind aus den segeln zu nehmen.
      freilich können wir nicht wissen, wie die NSTZ bei einem JA getitelt hätte.

      der andere aspekt ist jener der “auswirkungen auf südtirol”. da ist eine bewertung sehr schwierig.
      das NEIN ist im empfinden der meisten medien und somit auch der menschen ein dämpfer für die sezessionisten in südtirol. dieses empfinden ist sozusagen “realität”. logisch ist dieser schluss aber nicht, da er auf einem falschen verständnis von selbstbestimmung auf der einen und einer unstimmigen “koalition” der europäischen sezessionisten auf der anderen seite zurückzuführen ist. es wurden (bewusst oder unbewusst) falsche analogien hergestellt. und konsequenterweise wird nun auch anhand dieser falschen analogien bewertet. es stellt sich also die frage, ob es aufgabe einer zeitung ist, die falschen analogien zu perpetuieren und so die “realität” zu beschreiben oder sollte sie lieber die fehlschlüsse aufzeigen und richtigstellen.

      1. phoenixblob avatar
        phoenixblob

        Wenn hinter der Auswahl von Interviewpartnern bei der NSTZ Strategie steckt, dann hätte sie nicht Philipp Achammer interviewen dürfen, der ja in der Sache der Vergleichbarkeit zwischen Südtirol und Schottland gegenteiliger Meinung (“Man kann die Situation in Schottland wirklich nicht mit Südtirol vergleichen.”) als die Analyse/der Kommentar in der Samstags-Ausgabe der NSTZ ist.

        Es geht nicht darum, ob der Vergleich zwischen Südtirol und Schottland richtig oder nicht ist. Jeder soll die von der NSTZ vertretenen Schlussfolgerungen kritisieren dürfen. Es geht darum, dass hier der NSTZ vorgeworfen wird, dass sie ihre Auffassung nach der Abstimmung in Schottland geändert hätte. Das ist falsch. Wie ich bereits dargestellt habe, hat die NSTZ sowohl vor als auch nach der Abstimmung die Ansicht vertreten, dass der Ausgang der Abstimmung in Schottland Auswirkungen auf die Sezessionsbewegung in Südtirol hat. Im jetztigem Fall ist es eben nach Ansicht der NSTZ ein Dämpfer für sie.

      2. hunter avatar
        hunter

        ok. einverstanden.
        wobei sie trotzdem nicht verstanden haben, was der prozess selbstbestimmung bedeutet.

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