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Die Erschaffung der Spaltung.

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Seit der Festnahme von Aktivistinnen und Politikerinnen in Zusammenhang mit den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen haben sich die gelbe Farbe und insbesondere gelbe Schleifen als Symbol für die Forderung ihrer Freilassung durchgesetzt. In vielen katalanischen Ortschaften — auch im zu Frankreich gehörenden Nordkatalonien — befestig(t)en zivilgesellschaftliche Akteure gelbe Schleifen an Brückengeländern, Leitplanken oder Lichtmasten.

Militante Unionistinnen stoßen sich an diesen Symbolen, die sie an die politischen Häftlinge erinnern, und apellieren daran, dass der öffentliche Raum politisch neutral zu sein habe. Eine diskutable These.

Zu sagen ist, dass die Forderung nach unverzüglicher Freilassung der (bisher ohne Gerichtsurteil eingesperrten) Häftlinge und nach freier Rückkehr der im Exil befindlichen Katalaninnen nicht an der »Grenze« zum Unionismus haltmacht, sondern auch von vielen Menschen erhoben wird, die die Unabhängigkeit des Landes ablehnen.

Bezeichnend ist jedenfalls, dass militante Unionistinnen, speziell die Parteien Ciutadans (Cs) und PP eine Art der Spaltung herbeireden, die zumindest in dieser Form nicht zu existieren scheint. Mehrmals kam es während der vergangenen Wochen und Monate zu Gewalt, doch — soweit ich das überblicken kann — stets vonseiten militanter Unabhängigkeitsgegnerinnen, die auch um Zusammenarbeit mit (neo-)franquistischen Kräften nie verlegen sind.

Vor einigen Tagen griff in Barcelona ein Mann eine Frau an, deren Kinder gelbe Schleifen abgenommen und auf dem Boden verstreut hatten. Politikerinnen von Cs und PP verurteilten die Tat aufs Schärfste und verwiesen auf die angebliche Gewaltbereitschaft von Sezessionistinnen. Obschon sich wenig später bestätigte, dass der Mann kein Unabhängigkeitsbefürworter war, sondern ein Rassist, der die Frau dazu aufgefordert hatte, »in ihr Land zurückzukehren«, da ihre Kinder die Stadt verschmutzten, hielt Cs an einer bereits einberufenen Kundgebung »gegen [sezessionistische] Gewalt« fest.

Während dieser Kundgebung wurde nun von Teilnehmenden ein Team von Telemadrid attackiert, weil sie ein gelbes Symbol auf der Kamera als gelbe Schleife fehlinterpretiert hatten.

Unionistinnen griffen also ein Kamerateam aus der spanischen Hauptstadt an, weil sie fälschlicherweise dachten, es handle sich um Unabhängigkeitsbefürworterinnen — bei einer Kundgebung, die einen rassistischen Vorfall als angebliche sezessionistische Gewalt instrumentalisieren (und verurteilen) wollte.

Die größte »Spaltung« wird künstlich von jenen erschaffen, die eine friedliche demokratische Entscheidung mit allen Mitteln unterbinden wollen.

Nachtrag: Zwei Fragen an diejenigen, die jetzt vielleicht — erwartbarerweise — denken:

Es ist doch egal, von wem die Gewalt ausgeht. Dass es zu Gewalt kommen würde, war doch irgendwie absehbar. ‘Schuld’ an der Gesamtsituation sind also trotzdem vor allem die, die die Forderung nach staatlicher Unabhängigkeit (wenn auch friedlich und demokratisch) erhoben haben.

  • Liefern wir unsere Demokratie — im Prinzip jede umstrittene demokratische Forderung, wie zum Beispiel auch die nach einer pestizidfreien Gemeinde — dann nicht den (potentiell) Gewalttätigen aus? Entsprechende Drohungen oder auch nur Vermutungen ließen dann jedes Projekt erlöschen.
  • Müssen wir dann aus Rücksicht vor dem Rassisten, der die Frau in Barcelona angegriffen hat — oder aus Angst vor den Nazis, die derzeit in Chemnitz ihr Unwesen treiben — Grenzen dichtmachen?

Siehe auch: 01 02 03 04 05 06



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