Der Verein Noiland hatte Ende Jänner bei der italienischen Kulturabteilung des Landes um einen Beitrag für die Veröffentlichung der italienischen Fassung von Kann Südtirol Staat? angesucht. Ende März traf die von Amtsdirektor Antonio Lampis unterzeichnete Ankündigung ein, dass der Antrag abgelehnt werde.
Angeführt waren folgende Gründe:
- Das Amt bevorzuge die Finanzierung von Verlagsprojekten in italienischer Originalsprache oder von Werken mit Beiträgen italienischsprachiger Autorinnen.
- Wenn der Inhalt politische Themen oder historisch relevante Vorkommnisse betreffe, wie es hier der Fall sei, prüfe das Amt, dass unterschiedliche Gesichtspunkte berücksichtigt wurden, die die gesamte Bevölkerung Südtirols und nicht nur einen Teil davon repräsentieren.
Jenseits der Ablehnung an sich ist es unerhört, dass sich das Land damit anmaßt, Italianitätspatente auszustellen: Selbst dort wo in Südtirol proportionale Quoten (Arbeitsplätze, Sozialwohnungen etc.) vorgesehen sind — und das ist bei Beiträgen der Kulturabteilungen nicht der Fall —, beruht das Prinzip stets auf der Sprachgruppenerklärung, also auf einer Selbstzuordnung. Dass ein Amt, das keinen Zugriff auf die Zugehörigkeitserklärungen hat, Mutmaßungen über die Italianität der Autorinnen anstellt und damit sogar offiziell die Ablehnung eines Beitrags begründet, ist ein Skandal. Auf welcher Grundlage die Zuordnung zu einer Sprachgruppe erfolgt sein mag (Name, politische Beurteilung…?) ist nicht ersichtlich.
Auszug aus dem Ablehnungsschreiben vom März 2024
Diese äußerst fragwürdige Vorgehensweise widerspricht übrigens auch dem international anerkannten Grundsatz, dass Minderheitenschutzregelungen niemals so interpretiert (bzw. missbraucht) werden dürfen, dass dies Mitgliedern der Minderheitsgesellschaft Nachteile verschafft. Selbst im illiberalen Italien muss man bislang wohl nirgendwo die eigene Italianität nachweisen, um in den Genuss eines Beitrags zu kommen — dafür aber in Südtirol.
Dass zudem ausgerechnet politische Publikationen Gesichtspunkte berücksichtigen sollen, die die Gesamtbevölkerung repräsentieren, ist unsinnig. Ein derartiges Kriterium könnte sich zwar problemlos über die gesamte Fördertätigkeit des Amtes erstrecken (möglichst unterschiedliche Werke unterstützen, die in ihrer Gesamtheit möglichst in die Breite gehen), doch jedes einzelne Werk kann wohl kaum so viele Meinungen in sich vereinigen, wie sie in der Gesamtbevölkerung vorhanden sind. Und es erscheint auch gar nicht sinnvoll, wenn man sich nicht der Beliebigkeit hingeben will.
Schwer vorstellbar auch, dass dieser Kann Südtirol Staat? angelegte Maßstab bei den anderen vom Amt geförderten Werken erfüllt wurde.
Man wird das Gefühl nicht los, dass die wenig haltbaren Ablehnungsgründe nur vorgeschoben wurden, weil die Annahme des Förderantrags dem politischen Willen des zuständigen Landesrats widerspräche.
Auf die Nachfrage von Noiland, wie — und auf welcher gesetzlichen Grundlage — denn die Italianität der Autorinnen festgestellt worden sei1da man die Einschätzung des Amtes, ohne die zugrundeliegenden Kriterien zu kennen, auf dem Einspruchsweg nur schwer entkräften könne, folgte eine abermals von Herrn Lampis unterzeichnete Antwort, in der darauf jedoch nicht näher eingegangen wurde.
Stattdessen wurde ein weiterer Grund für die Abweisung hinzugefügt: Jahrzehntelanger Erfahrung (!) zufolge sei das Zielpublikum eines solchen Werkes in der Lage, es in der Originalsprache zu lesen. Eine weitere Unterstellung. Und die ist schon deshalb erstaunlich, weil das Buch ein völlig neues, inklusives Konzept verfolgt, das auch Menschen außerhalb der üblichen Bubble sprachgruppenübergreifend ansprechen soll — und weil sich außerdem bei Noiland die Anfragen bezüglich einer italienischen Fassung häufen. Ob es die Aufgabe einer öffentlichen Verwaltung ist, aufgrund angeblicher Erfahrungen zu prognostizieren, ob eine Übersetzung überhaupt nötig ist, darf wohl in Frage gestellt werden.
Insgesamt scheinen die angewandten Kriterien leider recht wenig mit einer objektiven, transparenten und nachvollziehbaren Bewertung des Antrags zu tun zu haben.
Es geht hier — wie bereits weiter obeb angedeutet — nicht darum, ob die Veröffentlichung hätte gefördert werden sollen oder müssen, sondern mit welch skandalösen, der öffentlichen Verwaltung unwürdigen Begründungen dies abgelehnt wurde.
- 1da man die Einschätzung des Amtes, ohne die zugrundeliegenden Kriterien zu kennen, auf dem Einspruchsweg nur schwer entkräften könne
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