Interessant an den letzten Wochen ist die abrupte Verschiebung der Eigenwahrnehmung. Südtirol erkennt auf einmal, dass seine Autonomie eine Sonntagsautonomie ist. Im grauen Alltag der Schuldenkrise gibt es für Italien Wichtigeres als die Frage, ob ein paar Bergler selber über ihre Angelegenheiten entscheiden wollen.
In den letzten Wochen ist eine Art subkutaner Loslösungsprozess in Gang gekommen. Südtirol und Südtirols Politiker erkennen, dass es mit dem heutigen Italien nicht mehr weitergeht. Noch sagt es von den Machtträgern keiner so richtig laut, aber viele spüren unter der Haut, dass Rom nicht mehr der Partner der Zukunft ist.
Radikale Ideen hatten immer nur dann eine Chance, wenn sie von gemäßigten Politikern übernommen wurden. Das Projekt eines selbstständigen Staates Israel wurde zuerst auch nur von Extremisten vertreten. Machbar wurde es erst, als sich die maßvollen Kreise die Idee zu eigen machten. Genauso war es in der Slowakei, im Kosovo und im Südsudan. Solange hier nur die nationalistische Rechte die völlige Unabhängigkeit forderte, war die Sache chancenlos. Erst als gemäßigte Parteien die Idee übernahmen, wurde die Staatengründung realistisch.
Aus dem Leitartikel von Kurt W. Zimmermann (Verantwortlicher Direktor) in der dieswöchigen ff.
Siehe auch: 01
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