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Oktavia B.: Schottland und Katalonien ja…

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Nachdem wir schon Marco Boato von den italienischen Grünen über die Meinung der europäischen Spitzenkanditatin, Ska Keller, zum Selbstbestimmungsrecht befragt haben, hat uns nun auch Oktavia Brugger, ihres Zeichens Europakandidatin der Südtiroler Grünen auf der Liste Tsipras, ihre Position zu diesem Thema mitgeteilt. Wie zu erwarten war, spricht sich Brugger gegen die Selbstbestimmung unseres Landes aus — überraschend ist hingegen, dass sie dies im Fall von Schottland und Katalonien anders sieht.

: Sehr geehrte Frau Brugger, die Spitzenkandidatin der europäischen Grünen, Ska Keller, hat sich dafür ausgesprochen, Regionen wie Schottland und Katalonien ein demokratisches Selbstbestimmungsrecht anzuerkennen und im Falle einer Loslösung vom Vereinigten Königsreich bzw. von Spanien ihren Verbleib in der EU zu ermöglichen. Da die Südtiroler Grünen — aus wahltaktischen, aber auch aus inhaltlichen — Gründen nicht gemeinsam mit den europäischen Grünen zur anstehenden EU-Wahl antreten, sondern gemeinsam mit der Liste Tsipras, möchten wir in Erfahrung bringen, wie Sie zur genannten Position von Frau Keller stehen. Insbesondere würde uns auch interessieren, wie Sie zu einem demokratischen Selbstbestimmungsrecht für Südtirol stehen.

In den zwei genannten Fällen bin ich dafür, dass der Wille der Schottinnen und Schotten, welche bereits mit Zustimmung des Vereinigten Königreichs dazu aufgefordert wurden, diesen in einem Referendum auszudrücken, anerkannt wird und das[s] Gleiches auch in Katalonien geschehen kann. Wenn die Mehrheit die Unabhängigkeit wählt, haben diese Staaten automatisch das Recht, als Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannt zu werden, denn die Regionen waren ja bereits ein Teil von ihr. Die Selbstbestimmung ist jedoch nicht in allen Fällen das adäquate Mittel. Das gilt insbesondere in Südtirol. Die historischen und sozialen Gegebenheiten sowie die in internationalen Verträgen verankerte Autonomie machen das reine Mehrheitsprinzip eines Referendums nicht zur Lösung allen Übels. Die ethnische Frage macht es immer noch schwierig, sich als Gemeinschaft eines Landes ohne sprachliche Revanchismen zu identifizieren, so wie es zum Beispiel in Schottland der Fall ist. Hinzu kommen die Rechtspopulisten, welche die Selbstbestimmung für ihre Zwecke ausnutzen. Deshalb denke ich, dass wir bedacht und schrittweise vorgehen müssen. Alexis Tsipras hat bereits hervorgehoben, dass auf Grenzverschiebungen verzichtet und vielmehr auf eine starke Autonomie der europäischen Regionen — wie Schottland, Katalonien und auch Trentino-Südtirol-Tirol — innerhalb einer föderalen Union gesetzt werden sollte.

Wie auch schon für Herrn Boato kann auch für Frau Brugger keine Wahlempfehlung ausgeben.

Siehe auch: 01 02 03 04



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Comentârs

26 responses to “Oktavia B.: Schottland und Katalonien ja…”

  1. Flo avatar
    Flo

    Ihre Antwort ist ja an sich schon ziemlich fragwürdig da sie ja das Selbstbestimmungsrecht in ein gutes und ein weniger gutes einteilt und natürlich, für Südtirol letzteres vorsieht. Da sie einen großen Teil ihres Lebens in Rom verbracht und dort natürlich auch sozialisiert wurde, überrascht mich ihre Antwort aber kein bisschen.
    Was mich aber überrascht ist diese Aussage:

    Hinzu kommen die Rechtspopulisten, welche die Selbstbestimmung für ihre Zwecke ausnutzen.

    Hm, Frau Brugger, an was könnte das wohl liegen? Vielleicht trägt sogar ihre national ausgerichtete Partei (bei Grünen eigentlich ein Widerspruch in sich) eine nicht kleine Teilschuld daran…

  2. Libertè avatar
    Libertè

    Wie kann man “Selbstbestimmung ausnutzen” ?

  3. Csvr avatar
    Csvr

    Was ist eine Autonomie wert, wenn mit jedem Ministerwechsel die vorausgegangene Rechtslage wieder überholt ist. Frau Brugger bräuchte nur die Äußerungen von Herrn Zeller verfolgen.
    Auch der VfGH höhlt die Autonomie ständig aus.
    Es ist verwunderlich, dass eine erfolgreiche Journalistin solche Aussagen trifft.

  4. Gabriele Di Luca avatar
    Gabriele Di Luca

    O. Brugger ha fornito una ottima risposta.

    1. CSVR avatar
      CSVR

      Bitte erklären Sie was denn nun von Frau Brugger herausgearbeitet wurde?

  5. pérvasion avatar

    Es wäre interessant, in Erfahrung zu bringen, was die Grünen in Südtirol, aber auch die Linken in Italien und Europa konkret dafür tun, dass sich die Vision einer »starke[n] Autonomie der europäischen Regionen — wie Schottland, Katalonien und auch Trentino-Südtirol-Tirol — innerhalb einer föderalen Union« verwirklicht. Oder warten sie einfach darauf, dass dies von allein geschieht?

    1. pérvasion avatar

      Zusatzfrage: Ist in Tsipras’ und Bruggers föderaler Union zwischen die europäischen Regionen und die EU eine nationalstaatliche Ebene geschaltet?

      1. Christoph Moar avatar
        Christoph Moar

        Naive Antwort meinerseits (ohne dass ich Gelegenheit gehabt hätte, O. Brugger dazu zu fragen): Ja. Da die EU ja ein Vertragswerk zwischen Nationalstaaten ist, sind es nach meiner Einschätzung auch diese, die einen weitern Ausbau (sei es zu einem Staatenverbund, oder zu mehr Subsidiarität oder zu einer anderen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Union/ Nationalstaaten/ regionalen Einheiten) rechtlich zustimmen werden. Und daraus ergibt sich für mich natürlich der Zweifel, ob diese Nationalstaaten sich bei einer solchen Aktion in Luft auflösen werden. Sprich: wie realistisch ist es, dass die Bundesrepublik sich auflöst, damit Bayern direkt unter einem europäischen Bundesstaat hängt? Würde Berlin auf die Transferleistungen von Bayern verzichten müssen, wären sie pleite ;)

        Aber: ist es “per se” ein Problem, wenn zwischen dem (noch zu schaffenden) europäischen Bundesstaat und den europäischen Regionen ein Nationalstaat hängt? Nicht, wenn das Subsidiaritätsprinzip so stark wäre, dass “alles wesentliche” von der Region bis hin zur Gemeinde gehandhabt wird.

        Führen einige der hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_F%C3%B6deralismus) angegebenen Links weiter?

      2. niwo avatar
        niwo

        Nicht, wenn das Subsidiaritätsprinzip so stark wäre, dass ”alles wesentliche” von der Region bis hin zur Gemeinde gehandhabt wird.

        Trotzdem müssen Regionen, die sich von einem bestehenden Nationalstaat loslösen wollen, diese Möglichkeit haben. Ohne diese Möglichkeit, vor allem an den Bruchstellen der Nationalstaaten (aber nicht nur) werden sich diese nur schwerfällung und widerwillig in Richtung Subsidiarität oder Regionalisierung bewegen.

      3. pérvasion avatar

        Mit einer völlig ausgehöhlten nationalstaatlichen Ebene hätten auch wir kein Problem. Doch genauso unwahrscheinlich wie die Selbstabschaffung der Nationalstaaten ist für mich deren Selbstaushöhlung. Warum sollten sie das tun? In Italien zum Beispiel ist gerade das genaue Gegenteil der Fall. Deshalb braucht es meiner Meinung nach Bestrebungen wie jene in Schottland und Katalonien, sich dem Einfluss der jeweiligen Nationalstaaten zu entziehen und somit konkrete Schritte zur Föderalisierung der EU zu setzen. Andernfalls lassen wir tatsächlich alles beim Alten und hoffen, dass sich etwas ändert.

        Post scriptum: niwo ist mir zuvorgekommen.

      4. pérvasion avatar

        Würde Berlin auf die Transferleistungen von Bayern verzichten müssen, wären sie pleite ;)

        Nicht, wenn es — wie es sein sollte — einen leistungsfähigen innereuropäischen Finanzausgleich gibt.

      5. Christoph Moar avatar
        Christoph Moar

        Stimme beiden durchaus zu. Der “Druck” von Catalonien oder Schottland kann zum Gegedrohen” gegen zentralistische Ansätze sehr wertvoll sein. Realistischer als dass dann letzten Endes 350 Einzelregionen mit jeweils eigener Nationalflagge entstehen, wird – wenn der Druck auf die Nationalstaaten hoch genug ist – vermutlich eher die Aushöhlung als die Auflösung geschehen. Aber das ist natürlich subjektiv und kann gerne jeder anders einschätzen.

      6. Harald Knoflach avatar

        kann mir wer erklären, warum – falls es tatsächlich soweit kommt – ich eine völlig ausgehöhlte und unbedeutende verwaltungsebene (die des nationalstaates) dann aufrechterhalten soll? abschiebeposten für ausgediente parteimitglieder? geldverbrennungsmaschine? bürokratiestelle?

      7. pérvasion avatar

        All das. Und für ein paar Nostalgiker. Es ist wie mit der Region Trentino-Südtirol.

      8. Christoph Moar avatar
        Christoph Moar

        kann mir wer erklären, warum – falls es tatsächlich soweit kommt – ich eine völlig ausgehöhlte und unbedeutende verwaltungsebene (die des nationalstaates) dann aufrechterhalten soll?

        Wird wohl keiner erklären können. Ich zumindest nicht. Ich spreche aber auch nur von Vermutungen, was realistischerweise eintreten könnte. Dass sich alle Nationalstaaten friedlich auflösen sehe ich noch nicht wirklich am Horizont. Kann aber jeder gerne anders sehen.

    2. bzler avatar
      bzler

      Bei dieser Frage schließe ich mich pérvasion bedingslos an: die Zukunftsvision der Grünen ist eines der bestgehüteten Geheimsnisse in diesem Land. Vermutlich wird die Zukunft abgesagt.

  6. bzler avatar
    bzler

    Zitat, pervasion, 22.Mai 2014:

    Für uns war und ist die Unabhängigkeit nie ein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Umsetzung gewisser Ziele (Föderalisierung, Subsidiarität, Überwindung des nationalen bzw. ethnozentrischen Ansatzes, Selbstverantwortung, Demokratisierung Europas etc.). Uns geht es also weit weniger um den Staat und weit mehr um die Gesellschaft, als den meisten anderen Verfechtern einer zentralistischen/föderalistischen/sezessionistischen Lösung. […] Auch parallele Bestrebungen, zum Beispiel in der Euregio oder auf Brüsseler Ebene, sind äußerst willkommen, da eine gleichzeitige, selbst wenn unkoordinierte Druckausübung in die richtige Richtung zum Ziel führen kann.

    Aber seltsamerweise sind Frau Brugger und Herr Boato keine “Wahlempfehlung” wert, nachdem sie sich zu der einen Frage negativ geäußert haben und das ohne überhaupt nach “parallelen Bestrebungen” befragt worden zu sein. Seid mir nicht böse, wenn ich den roten Faden nicht finde.

    1. Harald Knoflach avatar

      kann es sein, dass du unabhängigkeit und selbstbestimmung verwechselst?
      unabhängigkeitsgegnerschaft ist für uns kein ausschlusskriterium, die verweigerung der demokratischen wahlfreiheit jedoch schon.

      1. Harald Knoflach avatar

        Wir wollen, dass es die demokratische Möglichkeit gibt, sich zwischen unserer Vision und jener von Frau Brugger zu entscheiden. Frau Brugger möchte das nicht. Das ist der Unterschied. Das Faktum, dass sie unser Ziel der Unabhängigkeit nicht teilt, ist kein Problem. Die Position von Frau Brugger verweigert uns die Möglichkeit, unser Ziel auf legalem, demokratischen Wege zu erreichen. Wir tun das ihr gegenüber nicht.

    2. pérvasion avatar

      Das hat gleich zwei Gründe:

      • BBD bevorzugt klar einen Lösungsweg und den haben Boato und Brugger ausdrücklich ausgeschlossen. Ich bin zwar für projektübergreifende Kooperation zu haben, aber nicht, wenn mein Gegenüber meinem Weg ablehnend gegenübersteht (Gegenseitigkeit).
      • Brugger und Boato »verdienen« keine Wahlempfehlung, denn es gibt — selbst unter Berücksichtigung ihrer positiven Einstellung zum Europa der Regionen — diesbezüglich nichts, was sie im Vergleich zu ihren Konkurrenten »mehr« bieten könnten. Auch Dorfmann und Leitner befürworten die Regionalisierung der EU.

      Natürlich kann es andere Gründe geben, die jemanden aus BBD-Sicht wählbarer machen, als einen Mitkonkurrenten… aber für eine ausdrückliche Wahlempfehlung scheinen mir die Voraussetzungen nicht gegeben zu sein. Eher könnte ich mir eine negative Wahlempfehlung für Leitner vorstellen.

    3. bzler avatar
      bzler

      @hunter: kann schon sein, dass man mit sehr wohlwollender Unterscheidung der beiden Begriffe hier die notwendige Gratwanderung findet. Wird aber schon etwas sehr theoretisch und für den Hausgebrauch wohl auch zu anstrengend.

      @pervasion: ah, sind wir wieder bei der Nordwand-oder-Hintergrat-Diskussion. Was bleibt mir, als weiterhin beide Seiten für diese mutual exclusion zu mahnen? Wenn das Ziel das selbe ist, dann ist es mühselig, sich wegen der Wahl der Route (“Lösungsweg”) zu bekriegen. Also ist doch der Weg das Ziel, um das es geht?

      1. Harald Knoflach avatar

        Wird aber schon etwas sehr theoretisch

        finde ich überhaupt nicht. noch einmal: wir wollen die möglichkeit, dass sich die bevölkerung unseres landes zwischen verschiedenen zukunftsperspektiven auf demokratischem wege entscheiden kann? frau brugger möchte das nicht. ginge es nach ihr, könnten wir unsere vision nicht verwirklichen. geht es nach uns, kann sie ihre schon erreichen.

      2. bzler avatar
        bzler

        hunter, Du klingst gerade so, als wäre der Begriff der “Selbstbestimmung” bei uns in Südtirol so besetzt, als ob wir zwischen mehreren durchdachten Szenarien wählen könnten. Er ist aber halt einmal so besetzt, als dass wir uns damit für oder gegen den Freistaat abstimmen sollen. Da legst Du jetzt der Brugger schon etwas mehr in den Mund, als sie meines Erachtens gesagt hat. Andererseits kann Euch auch kaum jemand einen Vorwurf machen, dass andere Modelle noch nicht entwickelt worden sind. Der Vorwurf könnte beispielsweise bei den Grünen hängen bleiben.

      3. Harald Knoflach avatar

        sollte es zu einer abstimmung kommen hab ich aber mind. zwei alternativen.

      4. Libertè avatar
        Libertè

        Ich denke das Problem ist eher das es zu viele Varianten gibt, nicht wie z.B in Schottland

  7. Thomas Andreas avatar
    Thomas Andreas

    Es gibt nur drei varianten: rueckeingliederung in den oesterreichischen staat (als eigenes bundesland oder als teil des bundeslandes tirol), eigenstaatlichkeit mit drei volksgruppen oder beibehaltung des status quo.

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