Unser empirisch eindeutiger Befund lautet, dass von einer objektiven Benachteiligung der Italiener in Südtirol nicht gesprochen werden kann. Die Gründe für den “disagio”, so es ihn überhaupt gibt, müssen in der historischen Entwicklung und der heutigen politischen Struktur des Landes liegen. Im Vergleich zu den 1960/70er Jahren sind die Italiener heute nicht mehr privilegiert, die politische Führungsklasse ist primär deutsch.
Aus dem in der dieswöchigen ff erschienenen Gastbeitrag des Soziologen Max Haller, Koautor der Publikation »Ethnische Differenzierung und soziale Schichtung in der Südtiroler Gesellschaft«, hrsg. Hermann Atz, Max Haller, Günther Pallaver, Nomos 2016.
8 replies on “Benachteiligt oder unprivilegiert?
Quotation”
Der Gastbeitrag von Max Haller ist, wie auch die Studie, auf die er Bezug nimmt, höchst interessant und differenziert. Unmittelbar vor dem hier zitierten Absatz steht:
Wenn der disagio, wie Haller und seine MitautorInnen aufgrund ihrer Erhebungen darlegen, nicht real, sondern eine Konstruktion ist, ist deren wissenschaftliche Aufgabe erfüllt.
Offen bleibt die Frage, wie politisch und gesellschaftlich mit diesem Befund umgegangen werden kann. Welche Antworten kann die Politik geben und wie können wir als Bürgerinnen und Bürger, als zivilgesellschaftliche Organisationen dafür Sorge tragen, dass das “objektive” Wissen zu einer Veränderung subjektiver Wahrnehmungen, vor allem aber auch öffentlicher, medialer Darstellungen führt.
BBDs Strategie ist jene des hartnäckigen, unerbittlichen Aufzeigens, die allerdings gerade bei denjenigen, die es zu gewinnen gilt, Widerstände und Verhärtungen generiert.
Ich finde, es würde gerade einem Blog, der ein inklusivistisches Gesellschaftsmodell vertritt, ausgezeichnet zu Gesichte stehen, wenn er Widerstände nicht brechen wollte, sondern einen konstruktiven Umgang mit ihnen suchen würde.
(Ja, ich weiß, dass ihr das nicht als eure Aufgabe seht. Aber ich wollte es gesagt haben.)
Ich bin ja der Meinung, dass der »imaginären Krankheit« schon genug Aufmerksamkeit gewidmet wird, und zwar meist so, als wäre sie objektiv vorhanden. Deshalb mein Versuch, die »Hypochondrie« als solche aufzudecken.
Übrigens: Vor der von dir zitierten Stelle beschäftigt sich Haller — wie du weißt — eingehend mit Fazzis Analysen und widerspricht ihnen fast ausnahmslos.
Aber wir können natürlich daran arbeiten, mehr Anknüpfungspunkte anzubieten.
Ja, ich bin des Lesens mächtig. Sollte das etwas an meinen obigen Aussagen ändern?
Nein, kaum. Jemand, der/die den ff-Gastbeitrag nicht gelesen hat, könnte aber fälschlicherweise schlussfolgern, dass Haller mit Fazzi überhaupt d’accord geht.
Wohl eher nicht…wenn die Schlussfolgerung Hallers diese ist:
Du hast Recht, ich hätte mir diesen Hinweis sparen können 😬
Il disagio probabilmente esiste ma sono lacrime di coccodrillo.