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Eine neue Erinnerungskultur.

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Vor fast genau vier Jahren hatte ich hier die Schaffung eines »positiven« Denkmals für Südtirol angeregt, wo alle Bürger gemeinsam an die Opfer der totalitären Regimes gedenken könnten. Durch das jüngste Abkommen zwischen römischer Zentralregierung und SVP ist jetzt jedoch der Umgang mit den bestehenden, »negativen« Denkmälern wieder mit voller Wucht in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit gerückt.

Während das Mussolinirelief von Hans Piffrader möglicherweise von den Finanzämtern abgehängt wird, ist im Falle des Siegesdenkmals eine sogenannte »Historisierung« wahrscheinlich. Paradoxerweise könnte so mit etwas Mut und Phantasie gerade das Siegesdenkmal Teil eines »positiven« Denkmals werden. Eine Erklärungstafel ist zur Erreichung dieses Ziels jedoch völlig ungeeignet, denn wie groß sie auch sein mag, sie vermöchte es nie, die Monumentalität des Bauwerks von Marcello Piacentini anzufechten oder auch nur zu kommentieren. Sie verkäme unweigerlich zur entbehrlichen Fußnote. Die Erläuterung des Denkmals und der Voraussetzungen für sein Zustandekommen wäre in der sogenannten Krypta besser aufgehoben, wo — wie vorgeschlagen — auch eine Ausstellung über die Greueltaten jener Zeit untergebracht werden könnte.

Für die Historisierung des Denkmals wäre jedoch erforderlich, ihm in einer ebenbürtigen Sprache zu antworten: Nur so könnte man ihm einen Ausdruck unserer heutigen, demokratischen Sichtweise als Kommentar entgegensetzen. Eine architektonische und künstlerische Umgestaltung seines Umfelds etwa würde das Bauwerk in einen völlig neuen Kontext einbetten und könnte es in einen für Südtirol einmaligen Ort der Erinnerung und des Gedenkens verwandeln. Dadurch wäre der Erhalt des Siegesdenkmals sichergestellt, ohne es als Ort der Huldigung fortbestehen zu lassen. Eine künstlerische Verarbeitung wäre (anders als eine Tafel) auch aus dem urbanen Kontext sofort lesbar — selbst im Vorbeifahren oder mit einem flüchtigen Blick verstünde jeder, dass hier nicht (mehr) der Totalitarismus geehrt wird.

Freilich würde dem Platz durch eine solche Umwandlung auch eine neue Zentralität zuteil. Dies ist jedoch durchaus wünschenswert, wenn er vom Siegesplatz zum Platz der gemeinsamen Erinnerung wird.

Siehe auch: 01 02 03 04



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Comentârs

11 responses to “Eine neue Erinnerungskultur.”

  1. martin avatar
    martin

    Platz der gemeinsamen Erinnerung

    das ist ein sehr positiver Vorschlag !!

  2. pérvasion avatar

    Zur Klarstellung: Das war nicht als Vorschlag für eine Umbenennung gedacht.

  3. martin avatar
    martin

    Tja, langfristig wirds wohl nicht gut bei “Siegesplatz” bleiben können.

  4. succus avatar
    succus

    Ich stimme dir voll zu. Es ist klar, dass das Denkmal nicht geschliffen werden kann, umso mehr sollte hier die Kreativität im Rahmen eines Umgestaltungsprozesses großen Raum eingeräumt werden. Da der Faschismus für mich städtebaulich (Freiheitsstraße) durchaus wertvolles hervorgebracht hat, könnte dies Anlass genug sein, das Denkmal in einem völlig neuen Kontext zu setzen und damit als etwas neues, identitätsstiftendes zu verwandeln. Sollte man es schaffen, das Denkmal in eine Gedenkstätte für die Greuel und Irrungen des Faschismus und Nationalsozialismus zu verwandeln und es dabei künstlerisch so geschickt zu gestalten, dass es von allen Besuchern, unabhängig von Herkunft und Sprache als ein gemeinsames Mahnmal gegen den Totalitarismus angenommen wird, dann wäre ein wichtiger Schritt für die Aufarbeitung der Vergangenheit und für eine gemeinsame Zukunft getan.

  5. niwo avatar
    niwo

    Sehr guter Vorschlag, aber in Anbetracht der derzeitigen Ereignisse, wo sich wieder mal alle italienischen Parteien von Rechtsaußen bis Links, einschließlich der Südtiroler Grünen zusammenfinden, ein sehr harter Weg.

  6. Rübezahl avatar
    Rübezahl

    Gleichzeitig mit der Errichtung des “Siegesdenkmales” ist das Gefallenendenkmal der Tiroler Kaiserjäger dem Erdboden gleichgemacht worden. Die Trümmer befinden sich heute noch unter dem Vorplatz das “Siegesdenkmales”, damit jeder, der am faschistischen Denkmal einen Kranz niederlegt, das Tiroler Gefallenendenkmal mit Füßen tritt. Zu einer “Historisierung” des “Siegesdenkmales” müsste es daher auf jeden Fall gehören, dass man das geschleifte Gefallenendenkmal wieder auferstehen lässt und allen Gefallenen widmet, während man das “Siegesdenkmal” z. B. in Stacheldraht einpackt. Der würde mehr als jede Tafel erklären, worum es geht. Das Museum in der Krypta würde die Sache ergänzen.

  7. anonym avatar
    anonym

    Man könnte auch – ähnlich wie in Tchernobyl – einen “Sarkophag” darüber stülpen. Das könnte das neue Museum für die jüngere Geschichte sein, in dem diese Relikte gesammelt und erklärt ausgestellt würden. Und im Inneren, einem Art Hof/Lichthof, geschützt vor “Feiern” und ähnlichem Missbrauch, stünde das “Denkmal” ohne dass es auch nur 1 mm hätte bewegt werden müssen.

  8. notschorle avatar
    notschorle

    Ich denke das architektonische Umgestaltung des Siegesdenkmals, etwa durch den Zubau eines Gebäudes um eine mögliche Ausstellungsfläche zu vergrößern. Man könnte dort dann beispielsweise auch eine Ausstellung über das Schicksal der Meraner Juden machen. Als wichtig erachte ich jedoch, dass ein mögliches Museum nicht nur das Schicksal der deutschsprachigen Südtirolern behandelt, sondern sich mit den gesamten Geschehnissen auch nach 1943 und das den Italienern im Lande auch so vermittelt. Andernfalls wird es wohl kaum möglich sein, denn dann könnten die Italiener glauben, man würde ihnen die Kollektivschuld geben. Des weiteren finde ich, dass es nicht beim Namen Siegesplatz bleiben darf, da dieser Name immer den Sieg der anderen über die einen ausdrückt und deshalb nicht zum friedlichen Zusammenleben beiträgt. Platz des Gedenkens/ Piazza della memoria erachte ich übrigens als sinnvolle Namen.

  9. markus m. schmitz avatar
    markus m. schmitz

    Seit Jahren verfolge ich aus der Eifel aufmerksam die nicht endende kontroverse Debatte um den Umgang mit dem faschistischen “Siegesdenkmal” in Bozen und anderen faschistischen Relikten.

    In meiner Heimat, genauer gesagt im Herzen des neu eingerichteten Nationalparks Eifel, gibt es eine imposante Anlage aus der Zeit des Nationalsozialismus, die sogenannte “Ordensburg Vogelsang”. Die Anlage wurde ab 1934 von den Nationalsozialisten zur Schulung ihrer zukünftigen politischen Führungskräfte errichtet. In den 1940er Jahren erzogen dann hier von der Partei ausgewählte Lehrkräfte Internatsschüler der “Adolf-Hitler-Schulen”. Von 1946 bis 2005 war sie danach das Zentrum eines zunächst britischen, dann belgischen Truppenübungsplatzes. Erst seit dem 1. Januar 2006 sind das Gelände und das denkmalgeschützte Ensemble für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Betreibergesellschaft vogelsang ip schreibt zur ihrer Konzeption folgendes:

    Wir von vogelsang ip verstehen unsere Arbeit als Beitrag zur Aufklärung über die Ziele und Wirkungen nationalsozialistischer Erziehung und Beeinflussung. Die ehemalige “Ordensburg” ist ein wichtiger Erinnerungsort an die Geschichte des Nationalsozialismus und deren Folgen. Deshalb wollen wir bei der Betrachtung der Vergangenheit nicht stehen bleiben und einen Beitrag zur kulturellen und politischen Diskussion leisten.

    Gut 40 Millionen Euro stellen EU, Bund, Land und Region bereit, damit hier in den nächsten Jahren das neue Forum Vogelsang entstehen kann. Wir planen und realisieren bis 2013 ein Besucherzentrum mit einer Dokumentation zur NS-Geschichte. […]

    Kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes und Freizeitgestaltung sind für uns von vogelsang ip keine unüberbrückbaren Gegensätze.

    (http://www.vogelsang-ip.de/nextshopcms/show.asp)

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie in Südtirol über den Internetauftritt von vogelsang ip eine Vielzahl von Anregungen für eine Umgestaltung des “Siegesdenkmals” und des “Siegesplatzes” zu einem Ort der Auseinandersetzung mit dem Faschismus und der damit verbundenen leidvollen Südtiroler Geschichte bekommen können.

  10. martin avatar
    martin

    ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Schicksalsgeschichte der Meraner Juden eine Sonderstellung einnehmen müssen.

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