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Pride – vom Fluss bis zum Meer?

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Gestern hat in Bozen die erste Pride-Parade Südtirols stattgefunden — und sie war ein richtig großer, schöner Erfolg. Tausende Teilnehmende, gute Stimmung, mehrsprachiges Umfeld und keine wahrnehmbaren homophoben Gegenproteste. Auch den Namen der Veranstaltung, Südtirolo Pride, der aufgrund einer Reflexion über hegemoniale Verhältnisse und Kolonialismus bewusst gewählt wurde, fand und finde ich großartig.

Einen leider groben Misston habe ich jedoch wahrgenommen und möchte ihn hier benennen, da ich glaube, dass Kritik — wo sie nötig ist — von »Innen«, bestenfalls von der queeren Community selbst, aber zumindest wie in unserem Fall nicht von queerfeindlichen, sondern auch von ausgesprochen queerfreundlichen Menschen kommen sollte.

Gegenüber der gestrigen Tagesschau von Rai Südtirol hat eine Veranstalterin folgendes gesagt:

[Anmoderation: Den Vorwurf des Antisemitismus aber lassen die Veranstalter nicht gelten.]

Wenn wir sagen, dass wir für Palästina sind, dann heißt das wir sind gegen Genozid, wir sind gegen Gewalt und das ganz unabhängig [davon], von wem sie kommt. Es gibt genauso Personen, die jüdisch und queer sind, so wie es Personen gibt, die muslimisch und queer sind.

Tagesschau Rai Südtirol, Transkription und Übersetzung aus dem Dialekt von mir

Vermutlich über den gesamten Verlauf des Marsches, sicher jedoch ab dem Mazziniplatz und bis zu den Talferwiesen, wo ich es selbst beobachtet und dokumentiert habe, sind jedoch nicht nur viele Personen mit palästinensichen Flaggen mitgelaufen, sondern auch eine gut sicht- und hörbare Gruppe mit dem Banner No Pride in Genocide (der auch in der Tagesschau zu sehen war).

Eine von ihnen skandierte über ein Megaphon (!) fast ununterbrochen folgenden Spruch:

Le frocie lo sanno, da che parte stare: Palestina libera dal fiume fino al mare.

Übersetzung: »Die Lesben wissen, auf welcher Seite sie stehen: ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer.«

From the river to the sea also. Während man das Gemetzel, das der israelische Staat derzeit in Gaza veranstaltet, mit harschen Tönen kritisieren soll und darf — wiewohl man nicht vergessen sollte, dass noch immer unschuldige israelische Geiseln in den Händen der klerikalfaschistischen Hamas sind —, ist From the river to the sea krass antisemitisch und gegen das Existenzrecht von Israel gerichtet.

Nebenbei würde man damit den einzigen Staat im Nahen Osten eliminieren, in dem queere Menschen Rechte genießen und nicht verfolgt werden.

So wie von anderen Kundgebungen richtigerweise verlangt wird, dass sie zum Beispiel rechtsextreme Teilnehmende aussondern, hätte — allein schon aus Gründen der Kohärenz — diese Gruppe von den Veranstalterinnen sofort gestoppt und der Veranstaltung verwiesen werden müssen.

Wo bitte sollen die queeren Jüdinnen leben, von denen oben die Rede war, wenn man Israel auslöschen will? Mir ist klar, dass Jüdinnen nicht automatisch Israelinnen sind, doch die meisten queeren Jüdinnen dürften wohl in Israel leben.

Da jede Domination relativ ist, wie schon Albert Memmi sagte, sind natürlich auch (sexuelle, sprachliche und andere) Minderheiten nicht davor gefeit, wiederum andere zu diskriminieren. Das wissen wir in Südtirol nur zu gut und sollte auch für die queere Community bedeuten, dass sie sich selbstkritisch mit Antisemitismus befasst, anstatt den Vorwurf einfach von sich zu weisen.

Dass von der offiziellen Bühne am Alexander-Langer-Platz aus in eine Palästinaflagge gehüllte Rednerinnen Palästina, Myanmar und sogar Iran (!) ihre Solidarität ausgesprochen haben, aber kein Wort über die israelischen Geiseln oder die Ukraine verloren haben, hinterlässt zumindest einen fahlen Beigeschmack.

Mich persönlich hat es dazu veranlasst, nicht länger dort zu verweilen, sondern die Veranstaltung zu verlassen. Aber auch alle anderen Bekannten, die ich beim Marsch getroffen habe — queere und nichtqueere — haben die einseitige propalästinensische Ausrichtung und die vielen Palästinaflaggen kritisiert, noch bevor ich es ansprechen konnte. Wirklich alle.

Ich schreibe nur ungern diesen spielverderberischen Beitrag, doch so, wie ich inzwischen fast täglich die unsäglichen Tabubrüche der Faschos benenne, will und kann ich auch hierzu nicht schweigen.

Noch einmal: Gratuliere zur insgesamt höchst gelungenen, überfälligen Veranstaltung für die queere Community in Südtirol, aber verschließt bitte eure Augen nicht vor eurem Antisemitismus.

Cëla enghe: 01 02 03 04



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Comentârs

One response to “Pride – vom Fluss bis zum Meer?”

  1. Eva avatar
    Eva

    die Palästina Aktivisten kapern jede Veranstaltung, die sich kapern lässt. Prideflagge ist der Regenbogen, oder Melone???

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