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Stiefkind Korridorzug.

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Die Zeiten als die Korridorzüge, die Lienz mit Innsbruck verbinden, noch ohne Halt durch den Südtiroler Teil des Pustertales brausten, sind noch in lebhafter Erinnerung. Anfang der 90er Jahre intensivierten sich die Forderungen, diese Züge auch Südtiroler Fahrgästen zugänglich zu machen. Dies gelang Ende der 90er Jahre. Anfangs gab es noch vier direkte Zugpaare zwischen Lienz und Innsbruck, derzeit noch deren zwei.
Für den Fahrplanwechsel im Dezember 2013 werden auch diese abbestellt. Die Pustetalbahn verliert somit ihren letzten überregionalen Zug. Der legendäre Pustertal-Express, der Innsbruck über die Südbahn mit Wien verband, wurde schon im Mai 1996 eingestellt und für touristische Sonderzüge, wie etwa den Skiexpress Brüssel-Innichen oder den Nachtzug Rom-Innichen gibt es längst keine Trassen mehr im Pustertal.

Beim Südtiroler Mobilitätsressort waren die Korridorzüge aus logistischen Gründen schon länger unbeliebt, da sie in das einfach zu handhabende Umlaufschema Unruhe brachten. Logistisch ist es natürlich einfacher und auch ökonomischer, den gesamten Tag Züge zwischen Franzensfeste und Innichen hin und her zu schicken. Ob dies auch allen Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht ist eine andere Frage.

Das Land Tirol und die ÖBB dürften den Korridorzügen kostenmäßig auch nicht nachtrauern. Aufgrund des Pariser Vertrags hatte Österreich das Recht, zwischen Lienz und Innsbruck auf eigene Kosten Züge verkehren zu lassen. Die Kostenstruktur der Korridorzüge ist eine etwas undurchsichtige Materie. Selbst nach der Öffnung für Südtiroler Fahrgäste hat sich das Land Südtirol nur sehr unterproportional an den Kosten beteiligt. Einer Landtagsanfrage sind folgende Zahlen zu entnehmen: Das Land Südtirol bezahlt für diese Züge an Trenitalia 168.000 Euro, zusätzlich kann Trenitalia laut Aussagen von Landesrat Widmann jährlich Fahrscheinerlöse in Höhe von 200.000 Euro einstreichen. Dies dürfte allerdings nur ein geringer Teil der Gesamtkosten sein. Nordtirol dürfte auch nach der Öffnung der Korridorzüge einen Großteil der Kosten gestemmt haben. Genaue Zahlen sind gar nicht so leicht zu recherchieren, da sich die für die Zugbestellung verantwortliche VTG nicht in die Karten schauen lässt.
Für den Südtiroler Anteil dürften Kosten von mindestens 2 Millionen Euro anfallen, was bedeutet, dass Nordtirol für Züge, die auf Südtiroler Territorium verkehren, gute 1,5 Millionen Euro bezahlt. Dies ist auch deshalb von Interesse, da auf der anderen Seite Südtirol den Bahnverkehr im Trentino jährlich großzügig mit 5 Millionen Euro subventioniert.

Es gibt verschiedene Gründe warum die Einstellung der Korridorzüge nicht akzeptabel ist:

  1. Die beiden Korridorzüge sind nicht nur für das Osttiroler und Südtiroler Pustertal attraktive Direktverbindungen nach Innsbruck. Auch für die restliche Südtiroler Bevölkerung stellen sie bei einmaligem Umstieg in Franzensfeste eine attraktive Verbindung nach Innsbruck her. Dies gilt umsomehr, da ab Dezember 2013 lediglich ein direktes Zugpaar zwischen Bozen und Innsbruck in Aussicht gestellt wird.
    Ich kann nicht etwas Bestehendes streichen, ohne eine wirksame Alternative in Form von — beispielsweise — stündlichen Direktverbindungen auf der Brennerstrecke zwischen Bozen und Innsbruck anzubieten.
  2. Die Regionalzüge der Pustertaler Linie sollen erst ab 2015 nach Lienz durchgebunden werden. Auch hier gilt das Argument von Punkt 1. Ich kann nicht etwas Bestehendes streichen, wenn die (Teil-)Alternative erst in ein oder zwei Jahren angeboten wird. Warum Teilalternative? Auch mit Direktzügen von Lienz nach Franzensfeste müssen Fahrgäste aus dem Pustertal zweimal (in Franzensfeste und am Brenner) umsteigen, um nach Innsbruck zu gelangen, außer man nimmt ab Franzensfeste den teureren Eurocity.
  3. Die Pustertaler Bahnlinie wird mit dieser kurzsichtigen Entscheidung ihres überregionalen Charakters beraubt. Fast schon eine Ironie der Geschichte, dass die Pustertalbahn im Jahre 1871 die erste direkte Bahnverbindung zwischen Wien und Innsbruck herstellte, die vollständig auf dem Territorium der k. u. k. Monarchie verlief.
    Abgesehen von diesem geschichtlichen Aspekt gibt es im Pustertal Nachfrage nach direkten Verbindungen über den Brenner nach Innsbruck. Zudem gibt es Potential für touristische Spezialverkehre, die durch die heutige Trassenpolitik verunmöglicht werden. Dazu noch mehr.
  4. Die Streichung der Korridorzüge könnte kurzfristig für die Pusterer noch zu weiteren bösen Überraschungen führen. Unter Umständen könnte das Pustertal die wenigen direkten Verbindungen nach Bozen und Meran verlieren. Die heute angebotenen Direktverbindungen verzahnen sich umlauftechnisch mit den Korridorzügen in Franzensfeste. Ohne Korridorzüge könnten die heutigen Direktzüge nach Bozen möglicherweise nur mehr bis Franzensfeste verkehren.

Perspektiven und Forderungen:

  1. Kurzfristige Beibehaltung der Korridorzüge, bis nicht ein Gesamtkonzept für ein Angebot Lienz–Innsbruck steht oder eine anderwertige Alternative für den Direktverkehr über den Brenner umgesetzt wird.
  2. Das Landes-Mobilitätsressort hat in der Vergangenheit sehr wenig Sensibilität für die Verbesserung der Verbindungen über den Brenner nach Innsbruck gezeigt. Der Fernverkehr, der nach dem Ausstieg von Trenitalia glücklicherweise von DB und ÖBB angeboten wird, kann die Lücke, mit lediglich 5 Zugpaaren täglich, nicht schließen. Besonders am wichtigen Tagesrand fehlt es an Verbindungen. Die Korridorzüge haben hier teilweise Lücken geschlossen. Es ist unakzeptabel, die Korridorzüge zu streichen, ohne auf der Brennerstrecke das Angebot an Direktzügen nach Innsbruck signifikant zu steigern.
    Mittelfristig müssen da von 5.00 bis 22.00 Uhr direkte Regionalzugverbindungen von Bozen nach Innsbruck angeboten werden.
    Anscheinend soll sich in dieser Angelegenheit auch die Nordtiroler VTG wenig kooperativ zeigen. In diesem Falle muss die Angelegenheit auf politischer Ebene geregelt werden. Die Europaregion der Sonntagsreden wartet schon seit Jahren auf eine inhaltliche Perspektive. Im Übrigen ist es etwas befremdend, dass Südtirol Regionalzüge, die zwischen Salurn und Trient verkehren, jährlich mit 5 Millionen Euro subventioniert, während es für Direktzüge nach Innsbruck anscheinend an entsprechenden Vereinbarungen und an finanziellen Mitteln mangelt.
  3. Auf der Pustertalbahn muss im Zuge des Baus der Riggertalschleife ein neues Trassenkonzept überlegt werden. Durchaus interessant ist ein Mischkonzept zwischen Regional- und Regionalexpress-Zügen. Dies verlangt aber zusätzliche Kreuzungsmöglichkeiten und evtl. punktuelle zweigleisige Kreuzungsabschnitte. Im Rahmen eines solchen Konzeptes müssen auch entsprechende Kapazitäten für direkte Züge zwischen Lienz und Innsbruck eingeplant werden. Vielen Planern ist nicht bewusst, dass der Bau der Riggertalschleife nicht den Abbau der Bahnstrecke über Aicha bedeuten darf. Dieses Teilstück könnte in ferner Zukunft, sollte der Brennerbasistunnel tatsächlich eröffnet werden, noch an Bedeutung gewinnen.
  4. Den Maßnahmen unter Punkt 2 sollte die materielle Übernahme der Pustertalbahn vom Land vorausgehen. Mit RFI als Verhandlungspartner ist es schwierig hier zukunftsweisende Lösungen umzusetzen. Zahlen muss sowieso Südtirols Steuerzahler.


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Comentârs

10 responses to “Stiefkind Korridorzug.”

  1. bzler avatar
    bzler

    Befragt doch eine/r einmal unseren Verkehrsassessor unangenehm zum Thema. So mitten im Wahlkampf wäre ein ja-wir-melken-unsere-Euregio-Partner-Eingeständnis wie Balsam auf mancher Wunden.

  2. Hans avatar
    Hans

    Die Notwendigkeit einer Direktverbindung (Korridorzug) zwischen Ost- und Nordtirol zeigt wieder einmal recht eindrucksvoll, wie weit wir von einer Europaregion Tirol entfernt sind.
    Obwohl Osttirol nicht nur geografisch immer ein Teil von Südtirol (südlichen Tirol) war, denkt kein Ost- oder Nordtiroler im Traum daran, in Südtirol zu arbeiten, oder gar seinen Wohnsitz dorthin zu verlegen. Umgekehrt aber sehr wohl. Und das hat viele Gründe …

    1. hunter avatar
      hunter

      ich kenne einige – mich eingeschlossen :-)

    2. pérvasion avatar

      Die Notwendigkeit einer Direktverbindung (Korridorzug) zwischen Ost- und Nordtirol zeigt wieder einmal recht eindrucksvoll, wie weit wir von einer Europaregion Tirol entfernt sind.

      Selbst wenn Tirol nie geteilt worden wäre, bräuchten wir doch sicher eine Direktverbindung von Lienz in die Landeshauptstadt… ich verstehe also deine Logik nicht (aber die habe ich sowieso noch nie verstanden).

      1. Hans avatar
        Hans

        ..dann bräuchte es auch eine Direktverbindung von Reutte/Kitzbühel nach Innsbruck.
        Eine Direktverbindung von Ost- nach Nordtirol ist nur deshalb notwendig, weil für die Osttiroler Südtirol- und das aus vielen Gründen- als Arbeitgeber uninteressant bis unmöglich wurde bzw. geblieben ist. Die Osttiroler fahren ja nicht nach Nordtirol um dort zu urlauben oder weil es so lustig ist, sondern um dort zu arbeiten. Nur sehr wenige suchen im nahen Salzburg oder Kärnten nach Arbeit, weil dort die Situation auch nicht viel günstiger ist.
        Wäre Südtirol noch bei Österreich, würden die meisten Tiroler aus dem entlegenen süd- östlichen Landesteil (Osttirol) die in ihrer engeren Heimat keine Arbeit finden, sich im nahen (heutigen) ST (z.B. Bozen/Brixen) umschauen und nicht weit jenseits des Brenners oder hohe Tauern.
        Die Situation ohne Felbertauern- Straße muss für die OT schrecklich gewesen sein …

      2. niwo avatar
        niwo

        ..dann bräuchte es auch eine Direktverbindung von Reutte/Kitzbühel nach Innsbruck.

        Zumindest von Kitzbühel nach Innsbruck gibt es eine Vielzahl an Direktverbindungen.

  3. niwo avatar
    niwo

    Die Streichung der Korridorzüge könnte kurzfristig für die Pusterer noch zu weiteren bösen Überraschungen führen. Unter Umständen könnte das Pustertal die wenigen direkten Verbindungen nach Bozen und Meran verlieren. Die heute angebotenen Direktverbindungen verzahnen sich umlauftechnisch mit den Korridorzügen in Franzensfeste. Ohne Korridorzüge könnten die heutigen Direktzüge nach Bozen möglicherweise nur mehr bis Franzensfeste verkehren.

    Wie soeben in Erfahrung gebracht verliert das Pustertal durch die Streichung der Korridorzüge zwar anzahlsmäßig keine Direktverbindungen – es bleibt bei zwei direkten Zugpaaren Pustertal-Bozen – allerdings wird ein Direkt-Zugpaar im Gegensatz zu heute zu sehr uninteressanten Zeiten angeboten.
    Konkret gibt es ab Dezember folgende direkte Zugpaare:
    Innichen 5.23, Bruneck 6.00, Bozen 7.22
    Innichen 20.50, Bruneck 21.30, Bozen 23.00
    Der für Pustertals Pendler durchaus interessante Direktzug Innichen ab 6.50, Bruneck ab 7.30, Bozen an 9.00 verkehrt in Zukunft nicht mehr direkt bzw. nur mehr indirekt direkt. Aufenthalt in Franzensfeste von 20 Minuten und dann Weiterfahrt nach Bozen.

    Bozen ab 5.30, Bruneck an 7.00, Innichen an 7.40
    Bozen ab 17.10, Bruneck an 18.30, Innichen an 19.10
    Der Zug ab Bozen um 19.00 verkehrt nicht mehr direkt ins Pustertal.

    1. succus avatar
      succus

      Da bin ich aber sehr enttäuscht. Gerade aus dem Pustertal wird sehr viel gependelt, man braucht sich nur die Umstiege in Franzensfeste anschauen, viel mehr als vom Wipptal. Eigentlich müsste es umgekehrt sein, zumindest stündlich Meran-Innichen.

    2. pérvasion avatar

      Ein Aufenthalt von 20 Minuten, noch dazu am unattraktiven Standort Franzensfeste, ist heute nicht mehr vermittelbar. Nicht wegen des Umstiegs und nicht wegen der konkurrenzlos schlechten Fahrzeit. Was haben sich da unsere Mobilitätsressortler gedacht?

      Und für sowas wird dann der Korridorverkehr geopfert…

    3. niwo avatar
      niwo

      Vollständigkeitshalber muss ergänzt werden, dass es für den Zug Bruneck ab 7.30, Franzensfeste an 8.10, einen Umsteige Anschluss um 8.15 ab Franzensfeste, mit Ankunft in Bozen um 9.00 gibt.
      Die Garnitur aus dem Pustertal bleibt 20 Minuten in Franzensfeste stehen und fährt dann nach Bozen weiter. Ankunft Bozen 9.15.

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