Die wichtigste Sprache »für ein gutes Zusammenleben« in Südtirol ist die italienische. Das sagt nicht , sondern die Südtirolerinnen und Südtiroler laut neu veröffentlichtem Sprachbarometer. Obschon gerade während der letzten Jahre immer wieder davon die Rede war, dass angeblich die Bedeutung der italienischen Sprache in Südtirol zurückgeht (»Südtirol verdeutscht« — zum Beispiel in einem Artikel von Barbara Bachmann in der Zeit), sehen das die hier lebenden Menschen anders.
Dabei wird das Italienische nicht nur insgesamt als die bedeutendste Landessprache angesehen, sondern auch von jeder einzelnen der berücksichtigten »Sprachgruppen«.
Selbst die deutschsprachigen Südtirolerinnen sind mehrheitlich der Meinung, dass die lingua franca nazionale hierzulande wichtiger sei als ihre eigene, wiewohl das Deutsche die Muttersprache von über zwei Dritteln der hier wohnenden Menschen ist. Vor zehn Jahren noch sahen die Deutschsprachigen Deutsch als die wichtigste Landessprache an.
Die Südtirolerinnen italienischer Muttersprache waren 2004 noch zu 75,8% der Meinung, die deutsche Sprache sei für das gute Zusammenleben »ausschlaggebend« oder »sehr wichtig«. 2014 sahen das nur noch 68,1% so.
Auffallend ist zudem, dass gerade die Personen, die eine andere Muttersprache als die drei autochthonen Landessprachen angaben, dem Deutschen unter allen Gruppen die geringste Bedeutung beimessen (67,6%), deutlich weniger als dem Italienischen (87%). Dies deutet darauf hin, dass Südtirol außerstande ist, Zugewanderten die Gleichwertigkeit der beiden landesweiten Amtssprachen Deutsch und Italienisch erfolgreich zu vermitteln.
Die von den Südtirolerinnen insgesamt gefühlte Bedeutung der deutschen Sprache ist während der letzten zehn Jahre — also im Vergleich zum ersten Sprachbarometer — um über sechs Prozentpunkte eingebrochen, von damals 79,2% auf heute nur noch 72,7%. Gleichzeitig hat die Wichtigkeit der italienischen Sprache leicht von 81,5% auf 81,8% zugenommen. Der Unterschied zwischen Deutsch und Italienisch beläuft sich nun schon auf knapp zehn Prozentpunkte und hat sich somit in zehn Jahren vervierfacht.
Die Bedeutung des deutschen Dialekts (63,8%) ist laut Einschätzung der Südtirolerinnen übrigens noch einmal um fast zehn Prozentpunkte geringer, als jene der deutschen Hochsprache (72,7%).
Die ladinische Sprache liegt hingegen weit abgeschlagen bei 6,8%. Dies liegt vermutlich daran, dass sie fast nur in den Gemeinden, wo sie Amtssprache ist, für ein gutes Zusammenleben nötig ist. Für ein gutes Zusammenleben auf Landesebene halten sie selbst eine knappe Mehrheit der LadinerInnen nicht für »ausschlaggebend« oder »sehr wichtig«. Es wäre jedoch interessant zu wissen, wie die BewohnerInnen der ladinischen Gemeinden die Wichtigkeit des Ladinischen für das dortige Zusammenleben einschätzen.
Fazit: Eine angebliche »Verdeutschung« Südtirols lässt sich anhand dieser Daten nicht nachweisen. Im Gegenteil — die deutsche Sprache verliert in nur zehn Jahren in der sprachgruppenübergreifenden Einschätzung deutlich an Bedeutung »für ein gutes Zusammenleben« in Südtirol. Ein Befund, der sich mit den wachsenden Schwierigkeiten des Deutschen als Amtssprache deckt.
19 replies on “Wichtigste Sprache: Italienisch.”
Ein weiterer Grund dirses Land asap zu verlassen
Warum?
Würdest du es mir bitte erklären?
Also ich habe ein richtig mulmiges Gefühl. Mir gefällt die Entwicklung nicht. Besonders weil die Ladiner ihre eigene Sprache “vernachlässigen”
Irgendwann folgt die Immersionsschule und die Sache ist gegessen.
Das Elsass läßt grüßen.
Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder in den italienischen Kindergarten usw. Wo soll das hinführen?
Boxer, das Pferd aus der “Animal Farm” sagt dazu:
… deswegen hat sich die ff ja wirklich “verzweifelt” dazu “aufgemacht”, damit ja alles so bleibt wie es ist! – Denn wir wüssten bei einer Abstimmung wirklich nicht was wir wollen, – oder vielleicht doch?
Ja, weiterhin zu Italien zu gehören (Romaeterna), österreichische (DOPPEL)-Staatsbürgerschaft für diejenigen die dies wollen, Tiroler sein zu dürfen wenn es gerade eine Gedenkfeier mit touristischen Maximierungseffekten gibt und wie gesagt mediterran-alpin “und jo net weiter rouglen …” Und übrigens zu mediterran-alpin …: eines Tages klatschen eh die Mittelmeerwellen an die Laurinwand, dann sind alle Wünsche obsolet und Probleme damit gelöst …!
… ich kommentiere mich nicht selbst, aber eine Ergänzung hätte ich anzubringen:
http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/4838274/Kehrtwende-in-Osterreichs-SudtirolPolitik
… vielleicht holt uns Hochetscher (Altoatesini) dieser Artikel ein bisschen aus dem selbst verordneten Tiefschlaf…?
Ich will euch beim Zeichnen von Katastrophen-Szenarien ja nicht stören (ist natürlich gelogen, will ich doch ;) ), aber wäre es nicht doch gut, etwas genauer hinzuschauen und vor allem mehr Vorsicht beim Ziehen von apokalyptischen Schlussfolgerungen walten zu lassen?
Aus der Publikation des Astat geht z.B. nicht hervor, wie die Frage genau gestellt worden ist, was wesentlich dafür ist, wie sie von den Teilnehmenden an der Befragung verstanden worden ist: “wichtig für das Zusammenleben” kann ganz nüchtern meinen “de facto wichtig in meiner alltäglichen Lebensbewältigung” oder “wichtig in dem Sinn, dass es einen Wert für mich darstellt”. In diesem Zusammenhang sei übrigens darauf hingewiesen, dass bei der Erhebung 2004 die Frage auf Italienisch (Secondo Lei quanto è importante conoscere le seguenti lingue per vivere meglio (bene) in Alto Adige?) anders lautete als auf Deutsch (Ist es Ihrer Ansicht nach für ein gutes Zusammenleben in Südtirol wichtig, folgende Sprachen zu können?) – schon das allein macht eine Bewertung eigentlich unmöglich.
Wenn wir nun trotzdem annehmen, die meisten Befragten hätten die Frage im ersten Sinne verstanden, so kann eine rückläufige Bedeutung des Deutschen vor allem für ItalienerInnen bedeuten, dass sie, mehr als vor zehn Jahren, mit dem Italienischen allein durch ihr Leben kommen. Aber was die Ursache dafür ist, wissen wir allein aufgrund dieser Aussage nicht – und meines Wissens gibt es auch keine Analyse entlang verschieden Variablen, die uns eine Antwort darauf geben könnte. Ist es, weil ItalienerInnen stärker als vor 10 Jahren in sprachlich homogenen Gruppen und Gebieten leben? Ist es, weil das Deutsche auch in heterogenen Gruppen und Räumen weniger praktiziert wird als vor 10 Jahren? Oder aus ganz anderen Gründen?
Und vor allem, welche realen Auswirkungen hat das auf die sprachliche Vielfalt insgesamt in unserem Land?
Wenn Simon schreibt, dass von einer “Verdeutschung” Südtirols keine Rede sein kann, dann glaube ich, dass aus diesen Daten, so wie sie uns zur Verfügung stehen, umgekehrt ebenso wenig eine “Italianisierung” im Sinne einer existenziellen Bedrohung für den Erhalt der deutschen Sprache in Südtirol herausgelesen werden kann.
Last but not least bin ich der Ansicht, dass ein steigender Anteil an Kindern mit anderer Muttersprache als Deutsch in den deutschsprachigen Bildungseinrichtungen kein Grund ist auszuwandern oder zu suggerieren, dass dagegen etwas zu tun wäre, sondern dass es notwendig ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie unser Schulsystem auch mit dieser Form von Diversität umgehen kann. Nennt sich Inklusion.
ich kann in simons artikel keine zeichnung eines katastrophen-szenarios entdecken.
Es geht um die Kommentare.
@Steffl
Ja, es gibt deutschsprachige Schulen, in denen es schwierig ist, Deutsch als Umgangs- vielleicht sogar als Unterrichtssprache durchzusetzen. Ist auch an der Deutschen Schule Mailand so. Zum Beispiel. Was ich sage, ist, dass die Lösung nur jene sein kann, einen Umgang mit Diversität zu finden, so wir schulische Inklusion als den grundsätzlich zu beschreitenden Weg sehen. Auch wenn es um die Sprache der SchülerInnen geht. Ein hoher Anspruch, ich weiß.
Inklusion hat keinen Sinn mehr wenn sie, ob des Anteils nicht deutschsprachiger, keine mehr ist. Und wie Steffl die Situation schildert sind wir teilweise an diesem Punkt angelangt.
@Liberté
Inklusion ≠Integration.
Deine Aussage mag für Letztere zutreffen, für Erstere nicht.
@Steffl:
Naja … wohl eher nicht.
Ich war schon mal in Merans Grundschulen. Das ist erst 2 Jahre her, dass ich dort zu tun hatte. Es gibt keine Klasse, die sich wie du es sagst folgendermaßen zusammensetzen:
1/3 deutschsprachig
1/3 sprechen nur italienisch mit Ausnahmen
1/3 immigranten
Übertreibung hilft eben auch der Sache nicht weiter. Da würd ich vorschlagen du rechnest nochmal nach und lieferst die absoluten Zahlen.
@Steffl:
Danke, darum ging’s mir. Schon differenzierter. Wäre auch komisch gewesen, denn dann hätte die Klasse in der sich dein Kind befindet nämlich bei einer geschätzten Klassengröße von 18 Schülern und einem 1/3 “Zuwandererkinder” (= 6),, einen ca. 987% höheren Anteil an Immigranten als eine durchschnittliche Klasse im Burggrafenamt.
Kannste nachrechnen: http://www.provinz.bz.it/astat/de/bildung-kultur/665.asp?aktuelles_action=300&aktuelles_image_id=713645
Und das kann ich dir nicht glauben.
Woher weißt du das? hast du mit den Kindern der betreffenden Eltern geredet? Oder stützt sich diese Aussage nur auf dem, was dein Kind dir erzählt?
Diese Erfahrung hab ich leider nur allzu oft gemacht. Eltern hören irgendwas von Schule von ihren Kindern und glauben das … da ist Skepsis angebracht. Nur leider wären sie keine Eltern, wenn sie skeptisch wären … das ist das Dilemma.
Lass mich raten … eine Elternversammlung? Wo andere Eltern auch das gehört haben und wiedergeben, was ihnen ihre Kinder erzählt haben?
und..
Nein, der treibt sich auf anderen Seiten rum.
Auch ich bin mit manchen Kommentaren hier alles andere als einverstanden.
Etwas Grundsätzliches möchte ich aber trotzdem noch loswerden: In Südtirol gibt es zur sprachlichen Situation und zur sprachlichen Entwicklung sehr wenige Daten, viel weniger, als in anderen mehrsprachigen Regionen. Das Sprachbarometer bildet eine Ausnahme, wurde aber leider 2004 zum ersten Mal veröffentlicht (wodurch die Rückverfolgbarkeit der Daten enden wollend ist) und erscheint im biblischen Abstand von zehn Jahren.
Während des letzten Jahrzehnts, seit der Gründung von BBD, wurden von wichtigen politischen Vertretern und führenden lokalen wie internationalen Medien einfach Bauchgefühle als Wahrheiten rausposaunt. Wir haben uns bislang im großen und ganzen darauf beschränkt, zu widersprechen und auf die mangelhafte bzw. fehlende Datenlage hinzuweisen. Zehn Jahre lang haben wir auf dieses lustige Sprachbarometer gewartet und nun — sollen auch diese Daten sch… sein?
Mag sein, einiges spricht dafür, anderes dagegen. Aber das sind nunmal die Daten, die wir — wir in Südtirol, nicht BBD — haben und mit denen wir (zum Glück/leider) arbeiten müssen.
Was du hier schreibst, Sabina (mögliche unterschiedliche Interpretation der Fragestellung usf.) kann meiner Meinung nach für ein paar Prozentpunkte verantwortlich sein, aber nicht für die Hauptaussage, die sich aus dem Vergleich 2004-2014 ergibt. Ich bewerte ja nicht nur den aktuellen Wert, sondern vielmehr die Tendenz im Vergleich zu vor zehn Jahren… und dass sich da die Einschätzung zugunsten des Italienischen lediglich um 0,3 Prozentpunkte verschoben hat, spricht eher für eine sehr ähnliche »Auffassung« der Frage. Wäre nämlich die unterschiedliche Fragestellung für den Einbruch bezüglich der deutschen Sprache verantwortlich, hätte sich (aufgrund derselben Fragestellung) höchstwahrscheinlich auch bei den Angaben zur italienischen Sprache etwas verändert.
Kein Wunder, dass die Umfrage solche Ergebnisse ergibt: Südtirolerisch wurde nicht berücksichtigt…