Das Problem ist sattsam bekannt und hat zum disagio politico (nicht sociale) unter den Italienern Südtirols stark beigetragen. Seit 1993 wird die italienische Sprachgruppe in der Landesregierung durch eine Partei vertreten, die nur einen kleineren Teil der italienischen Wählerstimmen auf sich vereint (PD-Ergebnis bei den Landtagswahlen 2013: 6,7%). Ganz gleich, wen wir wählen, hieß es darum oft aus italienischen Kreisen, wir sind nie in der Landesregierung vertreten. Während die deutsch- und ladinischsprachige Wählerschaft seit jeher mehrheitlich in der Regierung vertreten ist, gilt dies offensichtlich für die italienischsprachige Wählerschaft nicht, und das auf Dauer.
Laut Autonomiestatut ist das zwar völlig rechtens, doch politisch nicht ideal, weil sich die Mehrheit der italienischen Wählerschaft ausgeschlossen fühlt, die Wahlbeteiligung sinkt, die politische Frustration steigt. Also kein Vorteil für die Demokratie im Land. Laut Statut (Art. 50, Abs. 2) muss die Landesregierung die Stärke der Sprachgruppen im Landtag widerspiegeln. Wenn nun die Italiener in immer geringerer Zahl wählen und ihre Stimmen auf eine Vielzahl von Parteien aufsplittern, seien sie selbst schuld, wenn am Ende nur ein einziger Landesrat diese Sprachgruppe (26% der Bevölkerung) vertritt, also gleich viele Landesräte wie die Ladiner (4,5% der Bevölkerung).
Doch ginge es auch anders, wenn man ein neues “konkordanzdemokratisches” Prinzip verankerte, nämlich, dass es die Mehrheit der Abgeordneten jeder Sprachgruppe sein muss, die die Landesräte zu bestimmen hat. Ein solches Prinzip verletzt nicht das Demokratieprinzip, entspricht aber besser einem autonomen Land mit drei Sprachgruppen. Die Vertretung der italienischen Sprachgruppe würde damit nicht mehr einer Partei überlassen, die nur die Minderheit der Abgeordneten dieser Gruppe stellt (PD heute 2 von 5). Eine Sprachgruppe würde nicht mehr dafür benachteiligt, dass sie aus strukturellen Gründen verschiedene kleine Parteien in den Landtag wählt. Zu diesem Prinzip würde nebenbei auch das Recht — und nicht bloß eine Kann-Bestimmung —der Ladiner auf einen Landesrat gehören.
Ganz neu wäre dieser Ansatz nicht.
Die Gruppe der Landtagsabgeordneten einer Sprachgruppe hat nämlich laut Statut in einigen Fällen einige Aufgaben und Recht, wie z.B. die Anfechtung von Haushaltskapiteln (Art. 84, Abs. 2) und vor allem bei der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Landesgesetze (Art. 56, Abs. 1 und 2). Warum nicht dieser Gruppe auch die Kernaufgabe der Vertretung der jeweiligen Sprachgruppe in der Regierung anvertrauen? Dabei wäre es wichtig, die Landesregierung nicht nur mit 7 Landesräten zu besetzen, wie derzeit, sondern mit 9 oder 10, damit sich bei Aufrundung auch zwei für die italienische Sprachgruppe ausgehen. Gelangte die Gruppe der italienischsprachigen Abgeordneten zu keinem Konsens oder Mehrheitsentscheid, wäre der Landeshauptmann wieder frei, einen italienischen Landesrat seiner Wahl in die Regierung zu berufen.
Damit wäre die Landesregierung repräsentativ für die jeweilige Mehrheit der Sprachgruppen im Landtag. Dies würde ihre politische Legitimation stärken und so manchen Frust auf italienischer Seite abbauen. Entscheidungen in der Landesregierung würden in der Folge nicht mehr so häufig einstimmig getroffen wie heute, doch wäre auch die italienische Rechte bzw. Mitterechts mehr in die Mitverantwortung einbezogen.
Die Chance für diese Neuerung bieten der laufende Autonomiekonvent und die nachfolgende Statutsreform. Eine solche Regelung kann aber auch schon in die Novelle zum Landtagswahlrecht eingefügt werden, die der Landtag diesen Monat Mai diskutiert und verabschiedet. Der ethnischen Konkordanz im Land wäre mit einer solch einfachen Neuregelung wesentlich gedient.
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