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Bern: Ein Wandbild als Vorbild.

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Im öffentlichen Auftrag erschaffen die beiden sozial engagierten Künstler Eugen Jordi und Emil Zbinden 1949 an der Berner Schule Wylergut ein illustriertes Wand-ABC. Es besteht aus asymmetrisch angeordneten Bildkacheln, deren Inhalt jeweils einem Buchstaben des Alphabets zugeordnet ist: A wie Affe, E wie Esel, K wie Kuh. Neben hauptsächlich Tieren kommen auch Menschen vor, jedoch handelt es sich dabei stets um rassistische Fremdbezeichnungen (Buchstaben I und N) und stereotypisierende Darstellungen (zusätzlich Buchstabe C), die sich auf nichtweiße Gruppen beziehen. Nach Jahrzehnten der Gleichgültigkeit wird diese Tatsache nunmehr seit Jahren thematisiert und problematisiert. Zunächst werden die betreffenden Kacheln verdeckt, dann noch 2020 von Unbekannten mit schwarzer Farbe übermalt.

Da sie das denkmalpflegerisch als »erhaltenswert« eingestufte Wandbild »mit hoher malerischer Qualität« gerade in einem Schulgebäude für inakzeptabel hält, schreibt die Stadt Bern im Sommer 2019 einen transdisziplinären Wettbewerb aus, um Wege für die Kontextualisierung zu finden.

Gemeinsamer Lernprozess

Schlussendlich gewinnt auf einstimmige Empfehlung der Jury »Das Wandbild muss weg!«, ein Projekt, das die vollständige Entfernung des Kunstwerks aus dem Schulhaus und seine Überbringung ins Bernische Historische Museum BMH fordert. Dort sei der geeignete Ort für eine öffentliche Debatte über strukturellen Rassismus und Kolonialismus — nicht an einer Primarschule mit einer immer diverseren Schülerinnenschaft. Seit März 2021 wird auf die Abnahme hingearbeitet, die bis 2024 abgeschlossen sein soll. Der gesamte Prozess wird — auch im Netz — für alle nachvollziehbar dokumentiert, begleitend finden Workshops für Lehrkräfte (aus denen Lehrmaterialien für alle Berner Schulen entstehen sollen) und öffentliche Veranstaltungen statt.

Auch Eugen Jordi und Emil Zbinden waren geprägt vom Imperialismus und Rassismus der Nachkriegszeit in der Schweiz – in Sprache, Darstellung und Weltsicht. Selbst wenn sie keine rassistische Absicht hatten, muss das Wandbild aus heutiger Sicht als rassistisch gelesen werden. Uns ist wichtig zu betonen: Wir sind alle rassistisch sozialisiert, weil unsere koloniale Vergangenheit in unsere gesellschaftlichen Strukturen heute hinein wirkt. Wir wollen keine Fingerzeige machen, sondern aufzeigen, wie wir gemeinsam gegenüber unserer rassistischen Sozialisierung sensibler werden können, um bewusst gegen Rassismus in seinen vielfältigen Formen anzugehen.

— Projekt »Das Wandbild muss weg!«

Das Projekt umfasst ferner eine gesellschaftliche und schulinterne Auseinandersetzung. Den »Erinnerungs- und Verlernensprozess« soll im Dialog mit rassismusbetroffenen Menschen und den Erbinnen der Künstler eine temporäre künstlerische Installation an oder neben der vom Wandbild hinterlassenen Leerstelle begleiten.

Siehe auch: 01 02



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