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Die Interpretation.
Geschäftsordnung

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Kurz vor ihrem Abtritt hat Kurzzeit-Landtagspräsidentin Julia Unterberger ihre Drohung wahrgemacht: Mittels Interpretation von Artikel 92 der Geschäftsordnung versucht sie dem Landesparlament in Hinkunft weitgehend die Obstruktion zu ersparen. Diese Praxis — auch als Filibustering bekannt — zielt darauf ab, Parlamente etwa durch Einbringung von Tausenden Abänderungsanträgen oder durch Redeflut handlungsunfähig zu machen. Ein Meister darin ist der rechtsextremistische Landtagsabgeordnete Donato Seppi, der pünktlich mit Obstruktion droht, wenn es um heiße Eisen geht.

Ihr Vorgänger Dieter Steger hatte Unterberger einen mit der Opposition abgesprochenen Reformvorschlag für die Geschäftsordnung des Landtags hinterlassen, der das Parlament deutlich aufwerten soll. Artikel 92 war von dieser Vereinbarung jedoch ausgeklammert worden, weil er von einigen Oppositionellen als heilige Kuh betrachtet wird. Ohne die Zustimmung aller ist die Eindämmung der Obstruktion per Abänderung des entsprechenden Artikels nicht zu schaffen, da auch dies durch Obstruktion verhindert werden kann.

Das ist der Grund, warum die rote Julia auf den Trick mit der Auslegung ausgewichen ist. Zugegeben, womöglich ist es verfahrenstechnisch nicht ganz einwandfrei, dem Filibustering einfach per Interpretation der bestehenden Geschäftsordnung Einhalt zu gebieten (welche das Landtagspräsidium allein durchführen kann). Doch einerseits wusste Unterberger die große Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, und andererseits ist auch die Obstruktion keine wirklich demokratische Praxis, wenn ein einzelner Abgeordneter, der wie im Fall von Donato Seppi nicht einmal über ein Vollmandat verfügt, die Arbeit aller anderen ad absurdum führen kann. Unter diesen Umständen ist kaum verwunderlich, dass die Mehrheit den Landtag nicht mehr ernstnimmt und versucht, so viele Maßnahmen wie möglich per Regierungsverordnung durchzukriegen.

Wenn gleichzeitig die Rechte der Opposition — durch Stegers Reform — tatsächlich gestärkt wurden, ist Unterbergers Maßnahme, die auf eine bessere Handlungsfähigkeit des Landtags abzielt m. E. durchaus legitim.

Wenn wir uns immer darüber beklagen, dass die Volkspartei in 40 Jahren keine Ortsnamenregelung verabschiedet hat, dann müssen wir uns auch darüber bewusst sein, dass dies aufgrund der Obstruktion nie wirklich möglich gewesen wäre. Eine Verfahrensänderung ist also die Voraussetzung, um heiße Eisen endlich anzugehen. Um Benachteiligungen zu verhindern, sind ohnehin eigene Schutzmechanismen vorgesehen, etwa die nach Sprachgruppen getrennte Abstimmung im Landtag.

Jetzt wird sich zeigen, ob die Volkspartei einen demokratisch vertretbaren Gebrauch ihres neuen Handlungsspielraums machen wird — indem sie sich konstruktiver im Landtag einbringt und auch längst überfällige Gesetze verabschiedet — oder ob sie Missbrauch und Schindluder treibt, indem sie im Alleingang ein neues Landtagswahlrecht beschließt, das ihr trotz sinkender Zustimmung auch 2013 die absolute Sitzmehrheit garantieren soll.



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Comentârs

4 responses to “Die Interpretation.
Geschäftsordnung

  1. feinstaubmeran avatar
    feinstaubmeran

    Schindluder, genau das befürchte ich.
    Bei dem, an den Tag gelegten Demokratieverständnis, der noch Mehrheitspartei.
    Bisher stand immer der Machterhalt im Vordergrund, dieser Maxime hatte und hat sich alles unter zu ordnen.

  2. m.gruber avatar
    m.gruber

    Bisher stand immer der Machterhalt im Vordergrund, dieser Maxime hatte und hat sich alles unter zu ordnen.

    *hust*

  3. Barbara Klotz avatar
    Barbara Klotz

    Wenn wir uns immer darüber beklagen, dass die Volkspartei in 40 Jahren keine Ortsnamenregelung verabschiedet hat, dann müssen wir uns auch darüber bewusst sein, dass dies aufgrund der Obstruktion nie wirklich möglich gewesen wäre. Eine Verfahrensänderung ist also die Voraussetzung, um heiße Eisen endlich anzugehen.

    Was erst zu beweisen wäre!
    Die SVP war wohl eher zu bequem, die angekündigte Obstruktion auszusitzen, sie hätte bei einigem Durchhaltevermögen Donato Seppi ganz elegant austricksen können. Es hätte halt bedeutet, 24 Stunden lang im Landtag zu sitzen. Wie lange glauben Sie, kann ein Einziger reden? 10-12 Std., keinesfalls länger, das kann jede/r Mediziner/in bestätigen.
    Ein einmal so durchgezogenes Exempel hätte alle weiteren Versuche ziemlich gedämpft, und die parlamentarische Normalität weitestgehend wiederhergestellt.

  4. pérvasion avatar

    Sollten Ihre Aussagen zutreffen, war die Obstruktion für die SVP ein Alibi, um heiße Themen nicht anzugehen. Mit der Unterberger-Interpretation wäre (so sie einer allfälligen gerichtlichen Überprüfung standhält) das Alibi aus dem Weg geräumt und die SVP endgültig bloßgestellt, wenn sie in absehbarer Zeit kein Gesetz zur Ortsnamenregelung verabschiedet.

    Mein Wissensstand ist jedoch ein anderer: Demnach war die Obstruktion nicht nur ein Alibi, sondern ein tatsächliches Problem, weil deren Last nicht nur auf den Einbringer fiel, sondern — aufgrund des Südtiroler Spezifikums — in erster Linie auf die Verwaltung: Wie bekannt sein dürfte, müssen in Südtirol Gesetzesvorschläge, Anträge usf. übersetzt werden, bevor sie in den Landtag kommen. Hätte Donato Seppi also ein Telefonbuch eingereicht, hätte dieses Telefonbuch zuerst von den zuständigen Übersetzern in die andere Sprache übertragen werden müssen. Damit hätte er — ohne 10-12 Std. reden zu müssen — die Landtagsarbeit über Wochen oder gar Monate blockieren können.

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