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Bauern gegen den notwendigen Wandel.

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Weniger Rinder, weniger Methanausstoß; weniger Mineraldünger im Futtermittelanbau, weniger Lachgas. Wenn die Treibhausgase sinken sollen, kann nicht einer der wichtigsten Verursacher von Treibhausgas, die Landwirtschaft und vor allem die Viehzucht, einfach ausgespart bleiben.

Die Daten sind eindeutig: 71% des Lachgases und 76% des Methanausstoßes stammen in Südtirol aus der Landwirtschaft, insgesamt 17% der CO2-Äquivalente. In Deutschland sind es 8,3%, EU-weit rund 10%. Zählt man die Emissionen der Vor- und Nachleistungen der Landwirtschaft dazu, etwa den Futtermittelimport und die ganze Geräteausstattung, kommt man auf weit mehr, nämlich fast 1 Million Tonnen CO2 im Jahr (vgl. G. Niedrist, Eurac S. 99-121). Der überzogene Viehbestand belastet nicht nur das Klima, sondern auch die Artenvielfalt. Laut einer Eurac-Studie ist der Rückgang der Biodiversität in Südtirol zu 70% auf den Agrarbereich zurückzuführen. Wenn auch in der Menge nicht vergleichbar mit den Massentierhaltern im Flachland: auch Südtirols Fleisch- und Milchproduktion ist mitschuld an der Rodung von Regenwald, an zu hohem Stickstoffeintrag, am völlig aus dem Ruder gelaufenen Futtermittelanbau. Deshalb die Frage: Wenn die Bauern fast ein Drittel des gesamten EU-Budgets in Beschlag nehmen, wenn sie von Land und EU in Südtirol jährlich weit über 200 Millionen Euro an Beiträgen beziehen (Forst- und Agrarbericht 2022), warum sollten sie aus dem unvermeidlichen Klimaschutz ausgeklammert bleiben?

Es wäre schon ein Witz, wenn Bäuerinnen und Bauern mit ihren meist von der öffentlichen Hand mitfinanzierten und mit subventioniertem Agrardiesel betriebenen Traktoren auf dem Magnagoplatz auffahren würden. Es gibt kaum Berufsgruppen, die so viele Vorteile genießen wie die Bauern. Dem Bauernbund ist es ohnehin schon gelungen, dem ursprünglichen Klimaplan die meisten Zähne zu ziehen. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sollen bis 2037 um 40% sinken, aber ein echtes Programm zur Emissionsreduktion fehlt. Der Viehbestand soll nach aktuellem Trend spontan um 1% im Jahr abnehmen. Das bedeutet Klimaneutralität der Landwirtschaft im Jahr 2124. Helfen soll auch die Förderung der Heumilchproduktion, die pro kg Milch 25% weniger THG verursacht. Heumilch bringt mehr Wertschöpfung und verursacht weniger Emissionen je Liter Milch, steht im Klimaplan (S.53). Warum dann kein langfristiges Programm, um die Südtiroler Milchwirtschaft komplett auf Grundfutter umzustellen?

Nun beklagen die Bauern immer wieder zu hohe Kosten und zu niedrige Milchpreise, wie z.B. Christoph Casagrande (Dolomiten, 3./4.2.24). Stimmt nicht, weil der Milchpreis 2023 laut Sennereiverband mit über 58,15 Cent/l im Vergleich mit den Nachbarregionen deutlich höher lag. Die Bauernbundvertreter betonen die »Wirtschaftlichkeit« (SBB-Bezirksversammlung Wipptal, Dolomiten, 6.2.24): Die stark gestiegenen Erzeugerpreise stellten die Bauern vor große Herausforderungen. Gleichzeitig ertönt der Ruf: Land und Milchhöfe sollen den Preis stützen. Mit anderen Worten: die Steuerzahler. Die Milchproduktion in der Berglandwirtschaft ist schon lange nicht mehr »wirtschaftlich«. Sie wird zum Einen massiv subventioniert, zum Anderen arbeiten kleinere Milchviehhalter zu fiktiven Stundenlöhnen, die als Arbeitnehmer unakzeptabel wären. Nun steigen die Kosten für Treibstoff, Düngemittel und Pestizide, weil dank CO2-Steuer endlich mehr Kostenwahrheit einkehrt. Wenn die Rahmenbedingungen im Sinne des Schutzes von Klima und Artenvielfalt ökologischer werden, welchen Sinn ergibt es, klima- und umweltbelastende Tätigkeiten noch mehr zu subventionieren? Importiertes Kraftfutter auf einem Berghof klima- und bodenbelastend an Kühe zu verfüttern, die Milch hergeben, die die Verbraucher nicht mehr mit angemessenem Preis abnehmen wollen, ist eben unwirtschaftlich.

Der SBB streicht immer wieder die »Nachhaltigkeit« heraus, doch wenn die politisch gesetzten Regeln wirklich die Umstellung Richtung Klimaschutz fördern, ist er dagegen. Wenn die Verbraucherinnen endlich zugunsten von Klima und Gesundheit einkaufen und auf zu viel Fleisch und Milch verzichten, kann nicht mit öffentlichem Geld das Gegenteil, also der Produktionsausfall, auch finanziert werden. Kostenwahrheit bedeutet Preisbildung aufgrund der realen Kosten einschließlich der Umweltkosten. Wenn schon zusätzliche Subventionen, dann für jene Bauern, die auf umweltschonende und für eine gesunde Ernährung notwendige Produkte umstellen.

Im Sinne dieses ökologisch unumgänglichen Strukturwandels hätte ein anderer Teil der bäuerlichen Betriebe wirklich Grund für Unmut und Sorge. Die EU hat nämlich mit guten Gründen entschieden, den Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen bis 2030 auf 25% zu steigern. Österreich ist schon soweit, Italien an einem guten Punkt. Doch Südtirol krebst bei 5% herum (Forst- und Agrarbericht 2022). Es ist auch kein klares Programm des Landes bekannt, wie dieses Ziel bis 2030 erreicht werden soll. Südtirols Biobauern, die schon seit Jahren den richtigen Weg gehen, werden zu wenig anerkannt und gefördert. Das sind aber nicht die Bauern, die mit Traktoren den Verkehr lahmlegen.

Klar ist: Südtirols Bauern — Teil des heute nicht nachhaltigen »Systems Milch« — werden im Glauben belassen, dass trotz Klimawandel alles ungefähr so bleiben kann wie bisher. Die Subventionen sollen hoch bleiben, die Umweltauflagen gering, steigende Kosten für Energie, Dünger und Futtermittel sollen durch mehr Subventionen abgefedert werden, die Konsumenten sollen mehr für Milch, Fleisch und Milchprodukte ausgeben, obwohl erwiesen, dass das weder der Gesundheit noch einem fairen Welternährungssystem oder dem Klima gut tut. Wenn an diesem nicht nachhaltigen Geschäftsmodell gerüttelt wird, ist die organisierte Bauernschaft zum Aufstand bereit.

Wie vor gut 500 Jahren, aber diesmal ohne triftigen Grund. Aus landschaftsökologischen, strukturpolitischen und sozialen Gründen muss vor allem die Berglandwirtschaft weiter unterstützt werden, gar kein Zweifel. Aber halt nicht mehr für klimaschädliche Tätigkeiten in nicht nachhaltigem Ausmaß. Vor 500 Jahren wagten die Bauern in Mitteleuropa mit guten Gründen den Aufstand, für den Wandel zu mehr Freiheit und Gerechtigkeit. Heute kämpfen hochsubventionierte Bauern gegen den für den Klimaschutz unvermeidlichen Strukturwandel, gegen den Schutz der Artenvielfalt, für den Erhalt eines nicht nachhaltigen Systems der Tierproduktion. Was hätte der alte Gaismair dazu gesagt?


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Comentârs

One response to “Bauern gegen den notwendigen Wandel.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Was hätte der alte Gaismair dazu gesagt?

    Der “alte” Gaismair ist leider nur 42 Jahre alt geworden.

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