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Werbeveranstaltung für die Alpini.

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Ich habe heute zwei militäraffine Veranstaltungen besucht: Die Landesausstellung über die Alpini im Kulturzentrum Trevi und die von Südtiroler HochschülerInnenschaft und Bozner Stadtarchiv organsierte Tagung mit dem Titel Militär ohne Krieg. Da ich über letzteres noch einmal schlafen möchte, bevor ich ggf. davon berichte, werde ich anhand einiger — vielsagender — Zitate die Ausstellung »abarbeiten«.

Direkt am Eingang der Ausstellung im Untergeschoss prangt groß und völlig unkommentiert (also implizit billigend) folgendes martialisches Zitat:

Der Sinn für Ehre und Mut, die moralische Integrität und die Widerstandsfähigkeit, großzügige Traditionen und eine gesunde Liebe zur Heimat, darauf gründet der Mythos der Alpini … Die Alpini können sich auf ein Kulturerbe berufen, das wunderbare Seiten der Literatur inspiriert hat (von Hemingways In einem anderen Land, den Kriegsreportagen von Kipling, vom Tagebuch an der russischen Front von Rigoni Stern bis zu den Erzählungen von Bedeschi), und bis heute stehen sie bereit, bei Naturkatastrophen und humanitären Krisen (ob beim Erdbeben im Friaul, in Irpinien oder den Abruzzen) zu intervenieren unter dem Motto «Ehret die Toten, indem ihr den Lebenden helft!».

Andrea Zanzotto

Zanzotto war zwar ein Dichter und Widerstandskämpfer, doch das bedeutet offensichtlich nicht, dass er dem Militär abgeneigt war — ganz im Gegenteil. Das bestätigt ein weiteres Zitat von ihm, das auf einem Bildschirm präsentiert wird:

Wenn ich die Einheiten der Alpini brüderlich auf Paraden defilieren sehe, übermannt mich verwirrend der Geruch der Berge. Gerne würde ich bei ihnen sein.

Die Texte, die auf den Bildschirmen im Weiteren die Geschichte der Alpini beschreiben, sind ebenfalls sehr befremdlich. Einige Beispiele:

Bereits in den ersten Nachkriegsjahren (1918-1919) arbeiten die Alpini an der Wiederherstellung der Verkehrswege. Es werden Brücken und Straßen im Vinschgau, dem Martelltal, dem Passeiertal, dem Grödnertal, dem Eggental, dem Eisacktal und dem Pustertal gebaut.

Dass Südtirol damals noch gar nicht offiziell zu Italien gehörte oder dass die Alpini — gegen den Willen der breiten Bevölkerung — ein sprachlich und kulturell völlig fremdes Land besetzten, wird genausowenig erwähnt, wie die Tatsache, dass der Wiederaufbau in jedem Fall stattzufinden hatte, egal, ob Südtirol bei Österreich oder bei Italien war. Im Grunde haben die Alpini nichts Besonderes geleistet, sondern nur Teile der Infrastruktur wiederhergestellt, die (unter anderem von ihnen selbst) im Krieg zerstört worden war.

Dank des Einsatzes des 2. Pionierregiments werden in den Jahren 1970/71 die Talferwiesen gebaut und 1978 baut das Pionierbataillon Iseo die beiden Bailey-Brücken über die Talfer, um so die Renovierung der alten Brücke zu ermöglichen.

Ganz egal was die Rolle der Alpini bei der Gewinnung der Talferwiesen war — hier wird die Mitarbeit anderer völlig verneint oder zumindest verschwiegen. Wiederum gilt, wie auch Hans Heiss in seinem heutigen Vortrag an der Uni gut herausgearbeitet hat, zu unterstreichen, dass die Alpini nur ihre Pflicht als mit Steuergeld finanzierte »Behörde« erfüllt haben. Vielmehr müsste man sich eventuell fragen, warum zivile Institutionen nicht in der Lage waren, ihren Aufgaben nachzukommen.

Mit einem Zeitsprung geht es noch einmal rückwärts in die dreißiger Jahre:

Die dreißiger Jahre enden mit der Einweihung (1938) der beiden bedeutendsten Denkmäler für die Alpini. Anwesend ist dabei Prinz Humbert von Savoyen.

Das erste Denkmal befindet sich in Bruneck und ist den Gefallenen der Division Pusteria gewidmet. Das zweite befindet sich in Meran und ist den Alpini des 5. Regiments gewidmet, das von Mailand in die neuen Kasernen in der Passerstadt verlegt worden ist.

Wiederum kein kritisches Wort und auch keine Erklärung, was etwa die Division Pusteria war und »geleistet« hat. Diese Gleichgültigkeit zieht sich auch durch der Aufzählung der ANA-Präsidenten, wo kein Unterschied zwischen faschistischer Diktatur und Republik gemacht wird:

Die Präsidenten der Sektion wechseln: Igino de Cao (1928-1933), Sirio Malatesta (1933), Bruno Fassetta (1933-1934), Ferruccio Merlo (1934-1937), Arnaldo Monticelli (1937-1942) und Mario Baggione (1942-1943).

Die Wiedergeburt der Sektion wird in der Versammlung vom 5. April 1946 beschlossen. In jenem Jahr sitzt der Sektion Edoardo Passerini (1946) vor. Auf ihn folgen Arnaldo Monticelli (1946-1948) und ab 1948 Nino Genesio Barello.

Nach dem Krieg nehmen die meisten der aufgelösten Gruppen ihre Tätigkeit wieder auf. Es entstehen auch neue Gruppen. Die Sektion trägt nun den Namen “Alto Adige”.

Geradezu bestürzend ist die Beschreibung von Kriegsereignissen:

Ende 1935 bricht der Krieg in Afrika aus und es wird die Division Pusteria aufgestellt. Sie besteht aus dem 7. und dem 11. Regiment und dem 5. der Gebirgsartillerie.

Kriege brechen nicht einfach aus wie Naturereignisse — vielmehr handelte es sich um einen brutalen Angriffskrieg, während dessen das italienische Militär schwere Kriegsverbrechen beging. Dieser Tatsache widmet die Ausstellung keine Silbe.

In Hinblick auf den Krieg werden die einzelnen Abteilungen verschiedenen Veränderungen und Ergänzungen unterworfen. Die Divisionen Tridentina und Pusteria kämpfen an verschiedenen Fronten Seite an Seite mit den Truppen des Dritten Reichs.

In Russland kann die Tridentina die berühmte Schlacht von Nikolajewka für sich entscheiden. Es gelingt ihr den Kessel aufzubrechen und tausende Alpini vor dem Tod und der Gefangenschaft [zu] retten.

Auch der Russlandsfeldzug der Achsenmächte ist ein zerstörerischer Angriffskrieg, doch das ist offensichtlich nicht erwähnenswert. Beschrieben wird nur die angebliche »Heldentat« von Nikolajewka. Das ist keine kritische oder auch nur im weitesten Sinne objektive Beschäftigung mit der Geschichte der Alpini, sondern vielmehr eine Werbeveranstaltung. Ist das die Aufgabe eines Landesamtes?

Viele der Soldaten der Tridentina, die der Gefangenschaft [durch die Wehrmacht nach 1943] entgehen können, haben sich den Partisanenformationen angeschlossen. Unter den Fiamme Verdi finden wir auch Bruno de Angelis, dem das “Comitato di Liberazione Nazionale Alta Italia” (CLNAI) den Auftrag erteilt, Südtirol auf die Kapitulation der Deutschen vorzubereiten.

Nahtlos gehen »viele Soldaten« also zum Widerstand über. Andere schließen sich aber auch Mussolinis »Sozialrepublik« RSI an. Wie jüngst auch in der Tageszeitung zu lesen war, hatte das CLN Südtirol auch in der Hinsicht auf die Kapitulation der Deutschen vorzubereiten, dass es besonders darauf achten sollte, dass es unter italienischer Herrschaft bleibt.

Siehe auch: 01 02



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Comentârs

4 responses to “Werbeveranstaltung für die Alpini.”

  1. Steffl avatar
    Steffl

    Neben der mangelnden kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Alpini stört folgendes. Während die Schützen (die es im Übrigen schon seit Urzeiten in ganz Tirol gibt und ausschließlich der Landesverteidigung verpflichtet sind) angegriffen und krititsiert werden, hört man bezüglich Alpinimarsch kein Wort von jenen Kräften, die überzogenen Nationalismus sonst immer kategorisch ablehnen. Stellt euch mal vor unsere Städte wären mit Tirol und Österreich-Fahnen beschmückt, welchen Aufschrei es von “unseren” Historikern und Gelehrten wohl geben würde. Man würde behaupten die Nazis seien zurückgekehrt. Bei den Alpinis und der übermäßig und nationalistisch angehauchten Beflaggung in allen Städten Südtirols hört man nicht mal den Hauch einer Kritik, obwohl dieses Verhalten in einem Minderheitengebiet wohl auch einmalig in Europa ist…

  2. Susanne avatar
    Susanne

    Darf ich etwas loswerden?
    In meinem Stadtviertel Kaiserau, das zum Don-Bosco-Viertel gehört, kommen ich weiß nicht wie viele Alpini. Fünf Meter von der Haustür entfernt sind Campingplätze vorgesehen. Zum Glück wohne ich im sechsten und letzten Stock.
    Vor zwei Tagen bemerkte ich, dass am Fenster des Stiegenhauses eine italienische Fahne hing. Gestern nahm ich mir die Zeit, die vielen Knoten zu lösen. Ich wollte die Fahne abnehmen und sie auf dem Fenstersims mit einer Nachricht hinlegen. In diesem Moment kam ein Nachbar aus seiner Wohnung. Ich sagte ihm, ich würde die Fahne entfernen, da das Stiegenhaus Allgemeinbesitz sei. Er fuhr mich sofort wütend an (ich wusste gar nicht, wer sie aufgehängt hatte), “Non ti permettere”, “Anche tu sei italiana”, schließlich kam es zur “Stronza”. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich, obwohl ich keine Fahnen mag, nichts zu jenen sagen kann, die aus einem Wohnungsfenster bzw. -balkon hängen. Aber diese möge er bitte entfernen. Schließlich habe ich mich entfernt, indem ich ihn als einen “Incivile” betitelte. Anschließend hab ich den Verwalter angerufen. Am späten Abend war die Fahne weg. Heute Morgen las ich im Aufzug ein Entschuldigungsschreiben.

  3. 1950er avatar
    1950er

    … ein Beispiel dafür, dass man sich nicht alles gefallen lassen soll! – Einsatz und Nervenstärke lohnen sich doch noch!

  4. niwo avatar
    niwo

    Ein lesenswerter Artikel findet sich vom Historiker Aram Mattioli, in Die Zeit vom 15.09.2005, http://www.zeit.de/2005/38/A-Abessininienkrieg. Die Abhandlungen geben Einblick, wie das Nachkriegsitalien durch geschickte Diplomatie verhinderte, dass die Greueltaten und Kriegsverbrechen der Mussolini Diktatur, ins kollektive Gedächtnis der Europäer eingingen.
    Von den italienischen Tätern in Äthiopien musste sich nie jemand vor einem Gericht für seine Verbrechen in Afrika verantworten.

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