Die Europäische Kommission hat die Generalitat de Catalunya aufgefordert, Änderungen am katalanischen Kinogesetz vorzunehmen, das seit Anfang 2011 in Kraft ist und binnen vier Jahren dazu führen soll, dass mindestens 50% der Filmvorführungen in katalanischer Sprache sein werden. Für Zuwiderhandlungen sind Strafen in Höhe von 5.000,- Euro pro Filmkopie vorgesehen, die noch einmal durch Strafen ergänzt werden können, die sich nach dem tatsächlichen Kassenerfolg richten. Mit der Verabschiedung des Gesetzes hatte die katalanische Regierungskoalition aus Sozialisten, Republikanischer Linken (ERC) und Grünen darauf reagiert, dass Filmverleiher trotz jahrelanger finanzieller und organisatorischer Unterstützung durch die Generalitat und einer — durch Umfragen bestätigten — sehr hohen Nachfrage durch die Bevölkerung bis dahin nur rund 3% der Vorführungen auf Katalanisch anboten.
Wider Erwarten beanstandet die Europäische Kommission nicht die Förderung der katalanischen Sprache, sondern die angebliche Bevorzugung der spanischen Sprache. Es sei wettbewerbsverzerrend, dass nur Filme, deren Originalsprache nicht Katalanisch oder Spanisch (Kastilisch) ist, vom Gesetz betroffen sind. Die Generalitat müsse auch für spanische Filme eine Mindestquote von 50% Vorführungen in katalanischer Sprache einführen, da sonst nur Streifen, die in einer Drittsprache gedreht wurden, die Mehrkosten der Neuvertonung zu tragen hätten. Dies war von der damaligen Regierung jedoch ausdrücklich so vorgesehen worden, da es dem Selbstverständnis des katalanischen Gesellschaftsmodells widerspricht, spanische Filme auf Katalanisch oder katalanische Filme auf Kastilisch vorzuführen.
Die Aufforderung der Europäischen Kommission macht einmal mehr die Unfähigkeit deutlich, zwischen wirtschaftlichen und kulturellen Belangen zu unterscheiden. In Deutschland oder Frankreich wird ja auch nicht als wettbewerbsverzerrend betrachtet, dass deutsche respektive französische Filme keine Übersetzungskosten tragen müssen. Die neue katalanische Regierung um die Zentrumspartei CiU will jetzt mit der EU-Kommission verhandeln, um eine zufriedenstellende Ausnahmeregelung zu finden. Angedacht wurde etwa, die kostenintensive katalanische Neuvertonung auch für spanische Filme vorzuschreiben, sie jedoch — anders als bei Filmen mit einer anderen Herkunftssprache — nicht an einen Mindestanteil von 50% der Vorführungen zu koppeln.
Was jedoch gerade von der Südtiroler Warte aus erstaunt, ist, dass bei einem Gesetz, welches die katalanische Sprache asymmetrisch fördert (es ist nur vorgeschrieben, dass mindestens 50% der Filmvorführungen auf Katalanisch stattfinden müssen) nicht etwa zurückgewiesen wird, weil es die Staatssprache benachteiligt, sondern, weil es sie angeblich bevorzugt. Hierzulande sind wir das genaue Gegenteil gewohnt: Es ist nicht einmal gestattet, einen Film in deutscher Sprache vorzuführen, bevor die italienische Fassung gezeigt wird. Was wohl die EU-Kommission zu einer derartigen Benachteiligung sagen würde?
6 replies on “EU beanstandet »llei del cinema«.”
Was sagt denn Frau Fopper dazu?
oder der Landeshauptmann? :-)
Die EU argumentiert aus wirtschaftlicher Sicht, wonach eine Wettbewerbsverzerrung stattfindet. Das ist für mich aus diesem Blickwinkel nachvollziehbar, weil Filmverleiher private Unternehmen sind die auf dieser Ebene konkurrieren.
Das katalanische Gesetz, so wie es hier präsentiert wird, scheint mir zu restriktiv, da es ja Film- Aufführungen unter Strafe stellt, wenn diese nicht die 50%-Hürde erreichen. Wäre es nicht viel besser den Filmverleiher zu subventionieren, wenn dieser den Film Synchronisiert anstatt Strafen auszustellen. In meinem Verständnis ist die Kritik der EU mehr Formal als Inhaltlich: Einheimische Produkte werden bei uns auch subventioniert, aber jene aus anderen Regionen werden nicht etwa beim Verkauf bestraft. Deshalb ist für mich die Kritik der EU vollkommen angebracht.
Versteht man eine Film-Aufführung als Kultur bzw. Kunst finde ich das katalanische Gesetz noch abwägiger. Es stellt ja überspitzt formuliert anderssprachige Inhalte unter Strafe … wo soll das hinführen?
1.
Ich zitiere aus meinem eigenen Artikel:
2.
Die EU-Kommission hat die Strafen gar nicht beanstandet. Vielmehr stößt sich Brüssel daran, dass etwa englische und deutsche Filme übersetzt werden müssen, spanische jedoch nicht. Erstaunlich ist, dass die Kommission die spanische Sprache in Katalonien eher dem Englischen und Deutschen gleichgesetzt haben möchte, als dem Katalanischen. Dass katalanischen Filmen durch das Gesetz ein Wettbewerbsvorteil entsteht, da sie nicht nachvertont werden müssen, stört die Kommission schließlich nicht. Im Prinzip ist das also sogar ein sehr minderheitenfreundlicher Entscheid.
3. Grundsätzlich überlässt du die Sprache also lieber einer Handvoll Majors, als dem Staat? Eine merkwürdige Auffassung.
zu 1 und 2) Entschuldige, dann hab ich den Text falsch verstanden. Es wird natürlich so sein, dass die Strafe erst bei Subventionsmissbrauch in Kraft tritt, richtig? Wenn dem so ist ist mein Kommentar hinfällig.
zu 3) Überlässt du Kunst dem Staat? Eine ebenso merkwürdige Auffassung. Das ist doch auch nur eine weitere Folge meines Missverständnisses. Ich dachte, das Gesetz käme einem Verbot gleich. Es geht mir nicht um die Sprache, sondern wenn man Film als Kultur auffasst sollte sich der Staat raushalten. Er kann durch subventionen steuern, aber bitte nicht über Form und Inhalt bestimmen. Aber wie gesagt fußt die Aussage auf die du dich beziehst auf einem Missverständnis.
ad 1) und 2) Es müssen mindestens 50% der Vorführungen eines jeden Films auf Katalanisch stattfinden (es gibt Ausnahmen für kleine Produktionen und für Kinos, die Filme in Originalsprache zeigen). Wenn die Quote nicht erfüllt wird, kann das bestraft werden. Der Weg, einen angemessen hohen Anteil an Vorführungen in katalanischer Sprache durch Subventionen herbeizuführen, ist de facto am Boykott der Majors gescheitert. Das neue Gesetz soll die hier vorherrschende nationalstaatliche Logik durchbrechen.
ad 3) Ich überlasse dem Staat nicht die Kultur, sondern die Reglementierung eines speziellen und sehr lukrativen (kulturellen) Geschäftsbereiches — wo die Rechte des Publikums bislang nicht angemessen respektiert wurden.
Vergleiche auch hier.