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ff-Sparvorschläge: Beispiel Bahn.

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Die Titelgeschichte von ff 35/2012 beschäftigt sich mit den 50 überflüssigsten Ausgaben des Landes. Die Auflistung ist beeindruckend und zeigt großes Einsparpotential. Trotzdem scheinen zumindest einige Posten in die Liste gerutscht zu sein, ohne dass sich dies auch mit Fakten belegen ließe.

Beispiel Bahnverkehr:

Das Land Südtirol hat in den Vergangenen Jahren groß in den Bahnverkehr investiert. Das hat zwar zu Verbesserungen geführt, war aber nicht immer sehr effizient. Ein Beispiel: In Percha wurde für mehrere Millionen Euro ein neuer Bahnhof errichtet – nur wenige Hunder Meter östlich vom alten Bahnhof.

Was dieses Beispiel mit der Effizienz des Bahnverkehrs insgesamt zu tun hat bleibt schleierhaft. Tatsache ist, dass es im Bahnverkehr in den letzten 4 Jahren immense Fortschritte gegeben hat. Ein durchgehender Taktverkehr wurde eingeführt, dort wo dieser nicht funktioniert liegt die Ursache am staatlichen Schienennetzbetreiber RFI, der auf der Brennerstrecke just zwischen 9.00 Uhr und 11.30 Uhr einen Wartungsintervall hat, von dem er auch nicht abrücken will. Deshalb verkehren auf der Brennerstrecke, wie auf vielen Hauptstrecken auf Staatsebene, in den Vormittagsstunden kaum Züge, was die Netzwirkung drastisch reduziert.

Durch die Einführung von Taktfahrplänen wurde die Effizienz des Südtiroler Bahnverkehrs sogar gesteigert. Leicht merkbare Taktfahrzeiten mit systematischen Anschlüssen in Knotenpunkten führen auch zu standardisierten Umlaufplänen, die generell zu einem effizienteren Einsatz des Personals und Rollmaterials führen.

Was den Bahnhof Percha (eisenbahntechnisch ist es eine Haltestelle und kein Bahnhof) betrifft, müsste insgesamt eine Kosten/Nutzen-Rechnung erstellt werden, ob die Anbindung des Skigebietes Kronplatz an dieser Stelle volkswirtschaftlich die beste Lösung war. Die Gegner des Projektes Ried sind hier anderer Meinung. Aber die Bewertung von größeren Projekten mit Kosten/Nutzen-Studien scheint in Südtirol sowieso keine sehr ausgeprägte Disziplin zu sein.

Die Tatsache, dass der Bahnhof nicht an der alten, seit Jahrzehnten aufgelassenen Haltestelle errichtet wurde, sagt allein überhaupt nichts über die Kosten aus. Die alte Haltestelle war ja sowieso nicht mehr verwendbar.

Der Eisenbahngüterverkehr ist im Pustertal nun wegen der an mehreren Stellen neu geschaffenen, zu engen Kurvenradien “nur bedingt möglich”, sagt der Uil-Gewerkschafter Christian Troger. Früher wurden dort jährlich etwa 900.000 Kubikmeter Holz per Bahn, vom Osten kommend, nach Südtirol und das übrige Italien transportiert. Heute müssen diese Holzlieferungen in Osttirol, vorwiegend in Sillian, von der Bahn auf LKWs verladen und dann auf der Straße nach Südtirol und Italien transportiert werden.

Im Zuge der Umbauarbeiten an der Pustertaler Bahnlinie wurden meines Wissens keinerlei Kurvenradien verengt. In etlichen Bahnhöfen wurden alte Weichen durch neue ersetzt. Die Umbaumaßnahmen des Landes als Grund für den aufgelassenen Güterverkehr heranzuziehen ist deshalb grober Unfug. Die Gründe für die Umladungen in Sillian sind die zu hohen und teilweise ungünstig gestaffelten Tarife von Trenitalia und die Auflassung von Umlademöglichkeiten im Pustertal, die der staatliche Schienennetzbetreiber RFI zu verantworten hat. Auch zeitlich fällt die Auflassung des Güterverkehrs nicht mit den Umbaumaßnahmen zusammen. Schon Jahre vorher gab es auf der Pustertaler-Bahn keinen Güterverkehr mehr.

Jetzt möchte das Land die Bahnstrecke Bozen-Meran übernehmen. Das würde wieder viel Geld kosten – über den Nutzen kann man geteilter Meinung sein.

Man kann über vieles geteilter Meinung sein. Wenn man möchte, dass der Verkehr auf der Strecke Bozen–Meran in erster Linie über die MeBo abgewickelt wird, dann wird man einer Übernahme der Bahnstrecke Bozen–Meran wohl wenig abgewinnen. Wenn man der Überzeugung ist, dass der Bahnverkehr in Zukunft eine wesentlich zentralere Rolle spielen soll, als heute, führt an einer Übernahme durch das Land Südtirol kein Weg vorbei. Warum?

  1. Die Meraner Bahnlinie ist technisch veraltet. Viele Verspätungen werden teils durch Probleme an der Oberleitung verursacht. Investitionen, die über die notwendigsten Wartungsarbeiten hinausgehen, werden von RFI sowieso nicht mehr durchgeführt, müssten also in jedem Falle vom Land finanziert werden.
  2. Die Meraner Linie wurde seinerzeits relativ ungeschickt, mit vielen unnützen Kurven, trassiert. Ein notwendiger S-Bahn-Verkehr zwischen Meran und Bozen verlangt großzügige zweigleisige Kreunzungsabschnitte. Eine Begradigung der Strecke und der Ausbau zu zweigleisigen Abschnitten müsste in jedem Falle vom Land bezahlt werden. RFI finanziert hier nichts, behindert aber hinter den Kulissen tatkräftig eine Übernahme durch das Land. Laut einer vertrauenswürdigen Insiderinformation bekam das Land nach 5 Jahren Verhandlungen plötzlich die Information, dass man (RFI) für eine Übergabe der Linie an das Land sowieso nicht zuständig sei, sondern das entsprechende Ministerium.
  3. Der Grund für den zeitlich relativ eingeschränkten Bahnverkehr auf der Meraner Bahnlinie in den Morgen- und Abendstunden liegt in der Gestaltung der Trassenpreise vonseiten RFI. Wenn das Land Südtirol morgens und abends noch ein oder zwei Züge bestellen möchte, so würde RFI sofort Betriebskosten für weitere 8 Stunden verlangen. Derartige organisatorische Starrheiten würden bei einer Betriebsführung durch das Land (siehe Vinschgaubahn) wegfallen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Eine umfassende Liste von Einsparmöglichkeiten sieht gut aus, aber einer Faktenprüfung hält zumindest der Punkt Bahnverkehr nicht stand.



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Comentârs

2 responses to “ff-Sparvorschläge: Beispiel Bahn.”

  1. valgardena avatar
    valgardena

    bravo wolfi, gut recherchiert. hab den artikel auch durchgelesen und eigentlich keine stichfeste Einsparungsmöglichkeit im bahnverkehr gefunden. Persönlich glaube ich hier auch wenig Potenzial zu finden.
    Mehr Einsparungsmöglichkeiten gibt es sicherlich bei den Bussen, ohne jedoch einzelne Kurse zu streichen:
    – Bezahlung der einzelnen Linien nach den effektiven Betriebskosten und nicht mit Standardkosten nach km
    – Mehr Kontrolle der Fahrscheine
    – Überprüfung der effektiv gefahrenen Kurse
    – Pönale bei nicht qualitativen Mängeln

  2. niwo avatar
    niwo

    In etlichen Bahnhöfen wurden alte Weichen durch neue ersetzt.

    Wir mir heute morgen ein Ingenieur der STA (Südtiroler Transport Strukturen) erklärt hat, kann der Austausch der Weichen theoretisch tatsächlich zu einer Einschränkung des Güterverkehrs führen. Weichen, die lediglich mit 30 km/h befahren werden, wurden durch Weichen, die mit 60 km/h befahren werden, ersetzt. Für den Personenverkehr ein immenser Fortschritt. Die “60-er Weichen” benötigen allerdings durch einen flacheren Einfahrwinkel mehr Platz und dadurch haben sich in einigen Bahnhöfen die Gleise verkürzt. In diesen Bahnhöfen können deshalb Güterzüge nur mehr bedingt kreuzen. Allerdings ist dies nach wie vor in vielen Pustertaler Bahnhöfen (Vintl, evtl. Ehrenburg, Bruneck, Welsberg, Toblach, Innichen) möglich.

    Die Gründe für die Einstellung des Güterverkehrs liegen wie oben beschrieben sowieso anderswo.

    Vollständigkeitshalber noch die Geschichte vom Bahnhof Niederdorf:
    Der staatliche Schienennetzbetreiber RFI hat diesen aus Spargründen (Weichen kosten Geld) auf eine eingleisige Haltestelle zurückgebaut.
    Das Land Südtirol musste den Bahnhof im Zuge der Umbauarbeiten wieder auf zwei Gleise erweitern, da ohne Kreuzungsmöglichkeit ansonsten ein dichter Taktverkehr nicht möglich wäre.

    Wie valgardena anmerkt gäbe es im öffentlichen Personennahverkehr mehr Einsparpotential (bei gleichbleibendem Angebot) im Busverkehr. Besonders die sehr dominante Rolle der SAD sollte kritisch beleuchtet werden.

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