Gestern hat die römische Abgeordnetenkammer das neue Stabilitätsgesetz genehmigt, welches Ministerpräsident Monti an die Vertrauensfrage gekoppelt hatte. Dieser häufig angewandte Trick verhindert, dass das Parlament seine Aufgabe wahrnehmen und Änderungen am Gesetzesvorschlag vornehmen kann.
Einmal mehr enthält das Stabilitätsgesetz direkte und einseitige Kürzungen an den Haushalten von autonomen Ländern und Regionen, obschon das Verfassungsgericht derartiges Vorgehen erst kürzlich als verfassungswidrig verurteilt hatte.
Durch ihr Festhalten an dieser Praxis führt die Zentralregierung nicht mehr nur die Autonomien vor, sondern auch das Verfassungsgericht (VG) selbst, dessen Urteile — auch nach Einschätzung des SVP-Kammerabgeordneten Karl Zeller — von Monti einfach ignoriert werden.
Nachdem das Land Südtirol bereits mindestens zehn Verfassungsklagen gegen die Zentralregierung eingereicht hat, wird das Stabilitätsgesetz wohl erneut zu einer (teuren und zeitraubenden) Einlassung führen, wie Zeller laut Südtirol Online prognostizierte. Angesichts der offenkundigen Unbeirrbarkeit von Monti und seiner Parlamentsmehrheit ist jedoch unklar, ob die Urteile der Verfassungswächter überhaupt konkrete Auswirkungen zeitigen werden.
Staatspräsident Napolitano hätte die Aufgabe, die Verfassungslegitimität von Gesetzen vor deren Unterzeichnung abzuschätzen. Liegen berechtigte Zweifel vor, könnte er sie zur erneuten Überarbeitung an das Parlament zurückverweisen, bevor sie in Kraft treten. Da laut Karl Zeller selbst der Verfassungsausschuss der Kammer ein negatives Gutachten zum soeben verabschiedeten Stabilitätsgesetz verfasst hat, hätte Napolitano gute Gründe für eine Unterschriftsverweigerung. Dass dies geschieht, ist trotzdem nicht zu erwarten: Wirtschaftliche Eingriffe — insbesondere Sparmaßnahmen — scheinen derzeit höheres politisches Ansehen zu genießen, als die Verfassung (!).
Grundsätzlich muss man sich jedoch erneut die Frage stellen, welche Grundlage für ein zivilisiertes Zusammenleben in einem Land gegeben sind, dessen Regierung sich im Wochenrhytmus über die grundlegenden Spielregeln und über Urteile des VGs hinwegsetzt. Bevor dies der Fall war, hatten hierzu manche in Südtirol recht eindeutige Vorstellungen.
6 replies on “Zentralregierung führt VG vor.”
Karl Zeller im Mittagsmagazin des Rai Sender Bozen am 22.11.2012 zum Stabilitätspakt der Regierung Monti
Werner Pramstrahler vom AFI im Mittagsmagazin spezial des RAI Sender Bozen am 22.11.12.
Bravo!
Eine Delegation des Südtiroler Landtages weilt heute und morgen in Wien beim Südtirol Unterausschuss um über die Missachtung der Südtirol-Autonomie vonseiten der Regierung Monti zu berichten. Die Südtiroler Delegation besteht aus den Fraktionsvorsitzenden. Mit dabei unter anderem Pichler Rolle, Knoll, Vezzali und Dello Sbarba.
Letzterer wird in den heutigen Morgennachrichten des RAI Sender Bozen folgenderweise zitiert: “Der Grüne Riccardo della Sbarba will in Wien um Verständnis für die Sparpolitik der Regierung Monti werben, die sich nicht prinzipiell gegen die Südtirol-Autonomie richtet, betont dello Sbarba”.
Erstaunlich, dass ein Vertreter der Grünen für die zentralstaatlichen Sparmaßnahmen Verständnis aufbringt, im Zuge derer, Urteile des Verfassungsgerichtshofes, bestehende Gesetze und Verträge ignoriert werden und zudem häufig in postdemokratischer Manier das Parlament und andere demokratisch legitimierte Gremien marginalisiert werden. Ein Verdienst der Regierung Monti ist es, das internationale Vertrauen für Italien wieder gefestigt zu haben, sprich DIE Märkte und DIE Börse dahingehend wohlgestimmt zu haben um das Zinsniveau auf einem erträglichen Niveau zu stabilisieren.
Besonders die Grünen Südtirols, die sich als ökosozial bezeichnen, sollten sich neben ihrem gering ausgeprägten Feingefühl für autonomiepolitische Belange, überlegen, ob das parlamentarisch-demokratische Selbstverständnis und verfassungsrechtlich abgesicherte Rechte, DEN Märkten und DER Börse in Form eines blinden zentralstaalichen Durchgriffs, geopfert werden.
Io non lo trovo affatto “erstaunlich”… ormai il corso dei verdi è quello di fare gli avvocati dello Stato centrale da diversi anni. Non mi stupisco più… come non mi stupisco più che i partiti della “sinistra” plaudano alle politiche di austerità dei governi neoliberisti. Ormai nello sbandamento più totale degli ideali e dei punti di riferimento ideologici l’unico punto fermo a cui aggrapparsi rimane l’avversario… di qui questo proliferare delle sindromi di Stoccolma: un ex presidente del consiglio provinciale che apologizza il comportamento di chi questo presidio della democrazia locale lo vorrebbe esautorare; gente che dovrebbe rappresentare le fasce più deboli e puntare sulla redistribuzione della ricchezza prodotta, che si nasconde dietro la parola “responsabilità ” per giustificare il sistematico saccheggio dei salari più poveri ed il taglio di servizi, a volte essenziali per compiacere banche, alta finanza e mercati (che solo qualche decennio fa si sarebbero chiamati con termini come “padroni”, “borghesia” o “nemici del popolo”)…
Tempi moderni…
die güte eines rechtsstaates und einer demokratie zeigen sich wahrlich nicht bei schönwetter, sondern in krisenzeiten. demokratische und rechtsstaatliche regeln sind für krisenzeiten und extreme gemacht. während schönwetterperioden ist es ein kinderspiel, die regeln auch einzuhalten.
die reife einer gesellschaft bzw. eines systems zeigt sich, wenn extreme die konsequente einhaltung strapazieren. ich denke dabei immer wieder an norwegen und den fall breivik. der norwegische rechtsstaat und die gesellschaft im allgemeinen musste die “ultimative provokation” bewältigen. es wäre verlockend gewesen, dem “monster breivik” seine rechte zu versagen – noch dazu wo er keine reue zeigte, auch nach den morden noch provozierte und pietätlosigkeit bis zum exzess strapazierte. der norwegische rechtsstaat hat diese hürde aber genommen und bewiesen, dass regeln auch in extremsituationen zu gelten haben. das bringt glaubwürdigkeit, stabilität, rechtssicherheit und ist ein zeichen von größe und stärke. bei den derzeitigen “rettungs- und sanierungsversuchen” ist leider das gegenteil der fall. dieses handeln (ignorieren bestehender regeln) mag zwar kurzfristig erleichterung bringen, langfristig gesehen, ist es fatal – da das demokratische und rechtsstaatliche system unterminiert wird. das macht mir angst. und es ist mir unbegreiflich, wie “demokraten” derartiges vorgehen rechtfertigen können – meist durch ein “höheres interesse” – der stabilisierung der wirtschaft. sollten wir tatsächlich andere spielregeln brauchen, so ist es aufgabe der legislative diese in einem demokratischen prozess bereitzustellen. dass sich die exekutive über die legislative hinwegsetzt und die judikative ignoriert, ist diktatorisch.