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Blaue Verfassung verschlimmbessert.

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Die Freiheitlichen haben ihren Verfassungsvorschlag für ein unabhängiges Südtirol überarbeitet und dabei — unter anderem — den Kritikpunkten von Karl Zeller (SVP) Rechnung getragen. Da in einigen Fora bereits zu lesen war, dass die Blauen mit Verfassungsänderungen viel zu schnell seien, will ich hinzufügen, dass der Wille, qualifizierte Anregungen zu berücksichtigen, grundsätzlich zu begrüßen ist. Es handelt sich nicht um ein fertig verpacktes (oder gar bereits in geltendes Recht verwandeltes) Modell, sondern um einen (sehr konkreten) Vorschlag zur Veranschaulichung der blauen Absichten. Und der darf selbstverständlich adaptiert werden. Zudem muss darauf verwiesen werden, dass die Hauptkritiker des Entwurfes aus der SVP ein ähnlich detailliert ausformuliertes Konzept für ihre sogenannte »Vollautonomie« nach wie vor vermissen lassen.

Betrachtet man die Änderungen, die auf Vorschlag Zellers vorgenommen wurden, kommt man allerdings zum Schluss, dass es nicht nur Verbesserungen, sondern (zumindest aus -Sicht) auch deutliche Verschlechterungen gegeben hat, die den Text kritischer erscheinen lassen:

  • Art. 2, Abs. 2: Nicht mehr nur die Ladiner der Gemeinden Anpezo, Col und Fodom gehören zu Südtirol, sondern sämtliche Einwohner. Sie können sich dem Staatsgebiet angliedern.
  • Nach wie vor wird die Bevölkerung (gem. Art. 4) in drei Sprachgruppen unterteilt, denen kollektive Rechte zukommen. Der Spielraum, den ein mehrsprachiger Staat böte, dies zugunsten eines nicht mehr ethnozentrischen Gesellschaftsmodells aufzulösen, wird nicht genutzt.
  • Artikel 4, Abs. 2 schränkt Ladinisch als Amtssprache auf Vorschlag Zellers deutlich ein, und zwar nicht nur geografisch auf die mehrheitlich ladinischen Gemeinden, sondern auch beim Land (sic) auf jene Ämter, »die sich ausschließlich oder hauptsächlich mit den Interessen der Ladiner befassen.« Ein unverständlicher Rückschritt, mit dem der ladinischen Sprache auch gegenüber dem Staat in den meisten Bereichen die Amtlichkeit aberkannt wird.
  • Nach wie vor nimmt der Landtag (gem. Art. 35, Abs. 5) die Wahlprüfung vor und entscheidet, ob ein Abgeordneter sein Mandat verliert — eine nicht nachvollziehbare Einmischung der Politik in eine juristische Frage, mit der unliebsame Oppositionsvertreter ausgesiebt oder unter Druck gesetzt werden können.
  • Laut Art. 36 und 37 gehören die Landtagsabgeordneten nach wie vor einer Sprachgruppe an, woraus ihnen gewisse Rechte erwachsen — die im unabhängigen Südtirol mögliche Überwindung der ethnischen Politik wird damit verhindert.
  • Art. 41 Abs. 1 und 2 widersprechen sich, da in ersterem festgelegt wird, dass der Landtag mit Zweidrittelmehrheit aufgelöst werden kann, während zweiterer besagt, dass der Landtag aufgelöst ist, wenn die Mehrheit (!) der Abgeordneten gleichzeitig zurücktritt.
  • Nach wie vor dürfen — anders als etwa in der Schweiz — laut Art. 53 keine Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen zu Abgaben-, Besoldungs-, Haushalts- und Kreditgesetzen durchgeführt werden.
  • Laut Art. 57 ist Ladinisch noch immer nicht Gerichtssprache, was sogar ein Rückschritt gegenüber der heutigen Autonomie wäre. Völlig inakzeptabel.
  • Heimatliebe als merkwürdiges »Erziehungsziel« ist erhalten geblieben.
  • In Art. 84 wurde auf Hinweis Karl Zellers die missverständliche Formulierung korrigiert, wonach Schulen u. U. auch die Abschaffung des Zweitsprachunterrichts hätten vornehmen können. Mehrsprachige Schulmodelle, die außerhalb eines Nationalstaats nicht nur denkbar, sondern gemäß Sprachforschung erstrebenswert wären, werden nach wie vor nicht erwähnt. Eine scola ladina wie in der Schweiz ist ebenfalls nicht vorgesehen — ladinische Schulen bleiben paritätisch dreisprachig (immerhin ein deutlicher Fortschritt gegenüber der gegenwärtigen Situation).
  • Übergangsbestimmungen (Art. 87): Während zur Wahrnehmung des passiven Wahlrechts die vierjährige Ansässigkeit nötig ist, bekommen sämtliche italienischen Staatsbürger (ohne zeitliche Beschränkung) die Südtiroler Staatsbürgerschaft.
  • Dass die neue Staatsbürgerschaft auf italienische Staatsbürger beschränkt ist, wurde auf Hinweis Zellers eingefügt. Dies ist nun nicht nur eine wesentlich »exklusivistischere« Lösung, als im ersten Verfassungsentwurf, sondern hat auch zur Folge, dass nicht einmal seit langer Zeit in Südtirol ansässige Nord- und Osttiroler in den Genuss der Staatsbürgerschaft kämen.

Anders als von Roland Tinkhauser (F) bei der Podiumsdiskussion in der Cusanus Akademie versprochen, wurde beim Thema Sprachgruppen und Proporz nicht nachgebessert. Er hatte damals versichert, diese Regelungen der Autonomie hätten im »Freistaat« selbstverständlich nur provisorischen Charakter. Insgesamt muss also aus -Sicht das Fazit bestätigt werden, dass die Freiheitlichen offenbar alles ändern wollen, damit alles gleich bleibt.



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