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DB/ÖBB und die Sprachpolitik.

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Am Bahnhof Bozen wurde kürzlich ein sogenanntes Reisezentrum von DB und ÖBB eröffnet, bei dem man Tickets und Auskünfte sowie einige Zusatzdienste (wie Geldwechsel) erhält. Schon die Aufschriften im Schalterbereich und die Informationen am Wechselkursmonitor sind einsprachig Italienisch und zweisprachig Italienisch/Englisch, lediglich ein paar Prospekte liegen auch auf Deutsch auf. Um stichprobenartig die Sprachkenntnisse der Dame am Schalter in Erfahrung zu bringen, wollte ich sie um irgendeine Fahrplanauskunft fragen — doch schon auf meine erste Frage antwortete sie völlig ungeniert und wie selbstverständlich (auf Englisch), dass sie nur des Italienischen, Englischen und Französischen mächtig sei.

Welches Bild muss Südtirol von sich geben, dass ein deutscher und ein österreichischer Konzern glauben, sie könnten hier auf ihre eigene Konzernsprache, die gleichzeitig unsere »größte« Landessprache ist, so weit verzichten, dass zumindest nicht alle Mitarbeiterinnen im Publikumsverkehr sie zu beherrschen brauchen? Nachdem DB und ÖBB hier auf dem privaten Markt agieren, ist anzunehmen, dass der Definition des Mitarbeiterprofils eine konkrete Überlegung vorausgegangen ist.

Weil aber Deutschsprachige hierzulande ihre Sprache nicht als einen Wert pflegen, der auch Anrecht auf Öffentlichkeit hat, sondern bereitwillig, ja vorauseilend in die »Nationalsprache« switchen, wann immer auch nur jemand keinen perfekten (hochsprachlichen oder Südtiroler) Akzent hat, gibt es für private Unternehmen — auch wenn sie im deutschsprachigen Raum beheimatet sind — keinen hinreichenden Anreiz, die deutsche Sprache angemessen zu berücksichtigen.

Und so beißt sich denn auch die Katze in den Schwanz, wirken sich Außendarstellung und Wahrnehmung wiederum konkret auf die innere Realität aus und wird der Sprachwechsel für SüdtirolerInnen immer häufiger zur Selbstverständlichkeit. Gelebte Mehrsprachigkeit ist das nur noch dem Namen nach, de facto wird die größte Landessprache als Geschäfts- und Handelssprache immer mehr marginalisiert.

Nicht von ungefähr stellt der Kameruner Georges Kemeni, Gast der Deutschlehrertagung IDT, im dieswöchigen ff-Interview fest:

In Bozen ist es schwierig, sich zu verständigen, wenn man kein Italienisch kann.

Siehe auch: 01 02



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Comentârs

4 responses to “DB/ÖBB und die Sprachpolitik.”

  1. Prometheus avatar
    Prometheus

    @pervasion, ich wollte es dir schon länger zukommen lassen, hatte aber nie Zeit es in einen Rahmen zu packen, die einer sachgerechten Diskussion würdig ist – Am 28. Mai 2013 “Blick an Abend”, oder wie die Zeitung an jenem Tag hieß: “Blick am Abig”, Jubiläum. Jeder Reporter schrieb in seinem eigenen Dialekt und die Titelgeschichte befasste sich mit dem Schwiizerdütsch. Die Reaktionen auf diese einmalige Aktion waren durchwegs positiv und sogar das welsche Fernsehen aus der Romandie berichtete. Wäre aber so etwas in Südtirol möglich? Ich glaube nicht. Ich denke es wäre wie beim Hofer-Jahr, wenn man von allen hört, man soll Helden doch bitte kritisch hinterfragen aber wenn darauf die Alpini kommen schaut man lächelnd zu. Man würde wahrscheinlich sagen, dass dann kein italienischsprachiger Südtiroler mehr unsere Zeitung lesen kann, aber Kultur kann nicht sein, dass man sich vergisst! Zusammenleben kann nicht sein, dass sich immer einer verstellt. Schaut doch mal in die Schweiz, liebe “Intellektuelle”, denn dort lebt man gut miteinander ohne dass man sich selbst vergisst, denn der Zürcher weiß, dass der Berner etwas gemächlicher schreitet, aber der Berner schipft nicht über den Tessiner oder der Genfer über den Bündner! Der Kurs, der zur Zeit in Südtirol eingeschlagen wird führt zu einer Gesellschaft ohne Kanten, zu einem Massenprodukt. Zusammenleben kann man nur durch eine Willensbekundung, sich selbst vergessen bringt einander nicht Näher!

  2. proEuregio avatar
    proEuregio

    … ich bin wohl einer von wenigen Südtirolern (jedweder Muttersprache) welcher das italienischsprachige ValPoschiavo/Puschlav sehr gut kennt und sich auch immer wieder gerne dort aufhält: – aber auch im übrigen (dreisprachigen) Graubünden könnten WIR ALLE zum Sprachgebrauch und zum >Miteinander-in-Respekt< sehr viel lernen!

  3. ko avatar
    ko

    So ist es in der Privatwirtschaft doch üblich. Ich arbeite auch für eine deutsche Marke in einer Brixner Firma, allerdings sind wir nicht mit dem deutschen Mutterhaus verbunden sondern mit der italienischen Niederlassung, was zur Folge hat dass von A bis Z alles italienisch sein muss. Auch Mitarbeiter werden seit Neuestem nach diesem Kriterium ausgesucht, wer nicht perfekt italienisch spricht hat keine Chance. Deutsch jedoch ist nicht unbedingt notwendig wie zwei Neuanstellungen aus Verona und Rom zeigen…. Auch hier ist die Autonomie macht- und wirkungslos!

    1. Steve avatar
      Steve

      So hab ich es auch oft erlebt. Außer bei den Bedienungen im Gastgewerbe ist mir kein Bereich bekannt, wo man in Südtirol wirklich zwingend Deutsch für die Arbeit benötigte. Kenne eine Reihe von Geschäftsführern und Bereichsleitern von großen, in Südtirol ansässigen Unternehmen, welche nur Italienisch oder bestenfalls noch Englisch, aber kaum ein Wort Deutsch sprachen. Angestellte sowieso, trotz von der Firma bezahlter Deutschkurse.

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