Nach den Grünen hat nun auch die Landtagsmehrheit ihren Gesetzentwurf zur Abhaltung eines “Konvents” eingebracht, der einen Vorschlag zur Überarbeitung des Autonomiestatuts erstellen soll.
In mancher Hinsicht hat die SVP-PD dabei von den Grünen abgekupfert, macht es sich aber beim Partizipationsverfahren noch etwas leichter. Der Konvent ist “unabhängig und selbstständig”, wird gleich zum Auftakt betont, aber 12 seiner 32 Mitglieder sind Landtagsabgeordnete und 5 vom Landtag bestimmte Experten. Die Mehrheit des Konvents also Ausdruck des Landtags. Was haben sich Steger und Bizzo dabei gedacht? Vertrauen in die Bürger ist gut, Kontrolle besser?
Ohne Experten geht nichts, denn ein Autonomiestatut ist ein komplexes Regelwerk. Doch macht es einen Unterschied, ob diese beratend tätig sind, wie bei echten Konventen üblich (Friaul Julisch Venetien hat diesen Weg gewählt), oder selbst zur Entscheidung berufen werden. Während die Grünen ihnen einen eigenen Rat zuteilen (“Rat der Wissenschaft”), haben die Experten im Entwurf der SVP-PD ein größeres Gewicht als die Unternehmer- und Arbeitnehmervertreter zusammengenommen.
Eigentlich hat der “Südtirol-Konvent” den Anspruch, ein Verfahren zur Bürgerbeteiligung bei der Reform des Autonomiestatuts zu schaffen. Nach der neuen Vorlage dürfen tatsächlich ein Viertel seiner 32 Mitglieder als Vertreter der “Bürgergemeinschaft” im “Konvent” Platz nehmen. Zu diesem Zweck können sich alle in Südtirol ansässigen über 16-Jährigen registrieren lassen, das Auswahlverfahren wird aber vom Präsidium des Landtags festgelegt. Ein so entscheidender Schritt wie die Besetzung des “Konvents” mit den eigentlichen Hauptakteuren, den Bürgern, wird dem Präsidium überlassen, und nicht vom Landesgesetz geregelt. Auch hier weder ein echtes Los- noch ein Wahlverfahren. So wird die patriarchale Grundhaltung dieses Gesetzentwurfs schon deutlich: im Grunde bestimmt die Landtagsmehrheit fast alle Konventsmitglieder selbst.
Auch die Funktionsweise des Konvents ist kurios. Im Art.1 (2) wird als Grundprinzip das “Konsensprinzip” festgelegt. Darüber, wie konkret verfahren werden soll, schweigt man sich aus. Sollen die 32 Mitglieder in den voraussichtlich 20 Sitzungen allesamt auf eine einheitliche Meinung eingeschworen werden? Zudem wird im Entwurf von Steger-Bizzo nicht einmal festgelegt, dass sich der Konvent selbst eine Geschäftsordnung geben kann. Vielleicht sehen die Autoren den Wiener Kongress als Vorbild: der redete – oder tanzte – entschieden wurde anderswo.
Neben dem “Konvent” gibt es laut SVP-PD-Vorlage auch ein “Forum” (Art.5), das von 100 ausgewählten Privatpersonen konstituiert wird. Dieses Forum kann vom Konvent befragt und angehört werden. Wer nach welchen Kriterien dieses Forum stellt, bleibt rätselhaft. Nirgendwo wird festgelegt, wie dieses Forum arbeiten und entscheiden soll. Genauso gut könnten 100 Personen ihre Meinung zur Autonomiereform einfach in der Landtagswebsite posten. Bürgerdialoge als Selbstzweck?
Doch warum so viel Bevormundung, wenn im zweiten Schritt ohnehin jedes Schlussdokument des “Konvents” nur eine Vorlage ist, die der Landtag restlos zerklauben kann? Warum wird eine Versammlung geschaffen, die als Hauptaufgabe die “umfassende Beteiligung der Bürgergemeinschaft” bei der Überarbeitung des Autonomiestatuts bieten soll, dann aber zu drei Vierteln aus Politikern und von ihnen ernannten Experten und Sozialpartnervertretern besteht? Warum lässt man nicht gleich den Landtag bzw. seinen Sonderausschuss zu Autonomiefragen einige Sondersitzungen abhalten, unter Berücksichtigung der digital gesammelten Bürgervorschläge? Wäre absolut billiger, ohne die Illusion von Mitbestimmung und Mitsprache zu liefern.
Es ist somit Zeit, vom irreführenden Begriff des “Konvents” abzukommen. Ein echter Konvent – wie aus der Geschichte der verfassunggebenden Versammlungen bekannt – wird gewählt oder spiegelt die ganze Breite der Zivilgesellschaft. Sowohl der Grünen- wie der SVP-PD-Vorschlag laufen bestenfalls auf einen “beratenden Ausschuss mit partizipativen Elementen” hinaus. Es wird damit nicht demokratisch oder per Los ausgewählten Bürgerinnen eine autonome Entscheidungskompetenz zugestanden, sondern einige wenige Bürger werden in einen vom Landtag gesteuerten Anhörungsprozess einbezogen. Das ist die Südtiroler Spielart von partizipativer Demokratie, aber auch schon ein Schritt nach vorne, wenn man an Durnwalders Partizipationsvorstellungen zurückdenkt.
Das größte Fragezeichen bleibt bei diesem “Konvent” ohnehin seine Rechtswirkung. Nicht nur wird sein Arbeitsergebnis, das Schlussdokument, ein bloßer Entwurf sein, der den Landtag in keiner Weise bindet. Er bindet auch nicht den Regionalrat, der den eigentlichen Reformvorschlag nach Abstimmung mit dem Trentino in Rom vorlegen darf. Dort ist dann das Parlament nicht nur frei, alles nach Belieben zu verwerfen. Es kann den ganzen mühsam diskutierten Vorschlag – wie beim neuen Statut von Friaul von 2004 geschehen – einfach 10 Jahre lang verstauben lassen und dann, weil überholt, versenken.
Der in der Südtiroler Bevölkerung verbreitete Wunsch nach mehr Autonomie und mehr Demokratie wird in den 12 Monaten der Tätigkeit des “Konvents” wohl artikuliert werden und eine möglichst breite Partizipation ist absolut wünschenswert. Doch dass davon irgendetwas im Parlament ankommt, steht völlig in den Sternen.
Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Bürgerwille auch bei Statutsfragen ernster genommen wird, z.B. durch Gewährung von Statutshoheit an die beiden autonomen Provinzen, ist diesem Parlament aber nicht zuzutrauen.
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