Das neue Sprachbarometer des Landesstatistikinstitutes (Astat) bietet interessante Einblicke nicht nur in sprachliche Thematiken im engeren Sinne, sondern zum Beispiel auch in die Einschätzung der Südtirolerinnen zum leidigen Thema der sogenannten »zwei- oder dreisprachigen Ortsnamen«. Dabei ist es ja eigentlich ein Missverständnis, dass Namen eine Sprache »haben«, mal davon abgesehen, dass die italienischen Ortsbezeichnungen zum allergrößten Teil Erfindungen eines Protofaschisten sind — aber das wurde hier im Blog schon oft genug durchgekaut.
Das Astat hat unter anderem erhoben, ob die Befragten der Auffassung sind, dass
- alle Orts- und Flurnamen zwei- bzw. dreisprachig sein
- neu entstehende Ortschaften eine zwei- bzw. dreisprachige Benennung bekommen
sollten, was ich in den beiden Diagrammen zusammengefasst habe, die diesen Beitrag begleiten. Wenig erstaunlich ist, dass vor allem die Mitglieder der deutschen Sprachgruppe die geringste Zustimmung zur Übersetzung von Orts- und Flurnamen zeigen. Das Ausmaß überrascht dann aber trotzdem, schließlich pflichten den beiden oben genannten Postulaten jeweils über 70% bzw. über 60% nicht bei.
Auffallend und begrüßenswert ist meiner Auffassung nach jedoch vor allem, dass die Forderung nach »zwei- und dreisprachigen Orts- und Flurnamen« (unabhängig davon, ob im Fall von bestehenden oder »neuen« Ortschaften) bei den Südtiroleinnen jeglicher Muttersprache rückläufig ist. Zwischen 2004 und 2014 kann also im Trend von einer Abkehr von der Forderung nach flächendeckender Übersetzung von Toponymen gesprochen werden.
Die deutsche Sprachgruppe ist dabei die einzige, die sich eher mit der Übersetzung von Bezeichnungen neuer Ortschaften anfreunden könnte, als mit der Beibehaltung der (tolomeischen) Übersetzungen bestehender Orts- und Flurnamen.
Wiewohl Südtirolerinnen italienischer Muttersprache eine deutlich größere Zustimmung zur flächendeckenden Übersetzung von Toponymen zeigen, stimmen immerhin zwischen einem guten Viertel (27,8%) und einem knappen Drittel (32,9%) von ihnen nicht mehr mit dieser Forderung überein. Das ist deutlich mehr, als man vermutlich erwartet hätte — und bedeutet einen klaren Fortschritt im Vergleich zur Erhebung von 2004.
Die (relativ hohen) Zustimmungswerte der Ladinerinnen zur Übersetzung von Ortsbezeichnungen könnten meiner Meinung nach wenigstens teilweise mit einem möglichen Missverständnis zusammenhängen: Deutlich öfter als im restlichen Südtirol sind in Ladinien mehrere, manchmal alle drei Ortsbezeichnungen historisch gewachsen. Die Abkehr von Übersetzungen könnte hier die Unsicherheit befeuern, ob am Ende tatsächlich das ladinische Endonym erhalten bliebe — und nicht gerade dieses zugunsten der deutschen bzw. italienischen Bezeichnung aufgegeben werden müsste. Hätte die Frage also deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in Ladinien (wennschon) die »deutschen« und die »italienischen« Toponyme wegfallen würden, hätte hier das Umfrageergebnis möglicherweise anders ausgesehen. Aber das sind Spekulationen.
Für mich wenig überraschend ist die Tatsache, dass Südtirolerinnen mit einer anderen Muttersprache (als Deutsch, Italienisch oder Ladinisch) relativ wenig mit zwei- und dreisprachigen Orts- und Flurnamen anfangen können, ihre Zustimmung zu »Übersetzungen« also nur von der deutschen Sprachgruppe unterboten wird. Die flächendeckende »Übersetzung« von Toponymen ist als unbeseitigtes Überbleibsel einer totalitären Diktatur quasi ein weltweites Unikum, auf das Außenstehende häufig mit Verwirrung und Unverständnis reagieren. Besonders dann, wenn sie die historischen Hintergründe kennen.
In Summe sprechen sich laut Sprachbarometer nur noch 41,9% der Südtirolerinnen dafür aus, dass alle Orts- und Flurnamen zwei- oder dreisprachig sein sollten. Die Zustimmung zur zwei- oder dreisprachigen Benennung neuer Ortschaften ist mit 45,7% etwas höher, aber im Gegensatz zu 2004 ebenfalls nicht mehr mehrheitsfähig.
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