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Sprache: Das Fass läuft über.

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In Südtirol scheinen Polizeiorgane mit besonderer Akribie vorzugehen, wenn es darum geht, die Verbreitung der deutschen Sprache einzudämmen. Laut staatlichem Konsumentenschutzgesetz müssen Verbraucherinformationen, Inhaltsangaben, Handbücher und vieles mehr stets in italienischer Sprache verfügbar sein. Anstatt diese Pflicht in Südtirol im Lichte der realen Sprachsituation und des Autonomiestatuts, welches die deutsche der italienischen Sprache gleichsetzt, pragmatisch anzuwenden, werden regelmäßig hohe Strafen verhängt und Produkte beschlagnahmt. Ähnliche Genauigkeit vermisst man etwa bei der (noch immer nicht erfolgten) Durchsetzung der vorgeschriebenen zweisprachigen Packungsbeilagen von Medikamenten.

hatte auf das Sprach- und Konsumentenschutzproblem bereits vor etlichen Jahren hingewiesen und eine Lösung nach katalanischem Muster gefordert — vergeblich.

Doch nun wird es auch der Handelskammer zuviel: Nachdem sogar der Verkauf eines Monopoly-Spiels in deutscher Sprache (bei Athesia Toys?) bestraft wurde, sah sich HK-Präsident Michl Ebner veranlasst, alle Landtagsabgeordneten anzuschreiben, um ihnen die Verabschiedung eines Konsumentenschutzgesetzes nahezulegen, welches Art. 99 des Autonomiestatuts (Gleichstellung der Sprachen) ausdrücklich auch in diesem Bereich umsetzt. Einen (etwas holprig formulierten) Vorschlag, der vorliegt, legte er gleich bei:

Umsetzung von Art. 99 des Autonomiestatutes zur Gleichstellung der Sprachen, im italienischen Rechtssystem

1. Jedes innerhalb der Autonomen Provinz Bozen gegenüber dem Endverbraucher oder Anwender vertriebene oder bereitgestellte Produkt, kann, in Umsetzung von Art. 99 des mit Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 670 vom 31. August 1972 erlassenen Autonomiestatutes der Region Trentino-Südtirol, Auskünfte, Warnhinweise oder andere verpflichtend anzubringende Angaben zum Inhalt und zur Verwendung desselben, ausschließlich in italienischer oder in deutscher oder in beiden Sprachen anführen.

2. Von den in Absatz 1 angeführten Produkten sind die Medikamente und Galenika ausgenommen, deren Etiketten und Begleitinformationen nach den Vorgaben von Art. 14 des Gesetzesvertretenden Dekretes Nr. 283 vom 29. Mai 2001 sowohl in italienischer wie in deutscher Sprache angeführt werden müssen.

3. Von den in Absatz 1 angeführten Produkten sind Erzeugnisse ausgenommen, deren Bereitstellung oder Inverkehrbringen auf dem nationalen Markt einer ministeriellen Genehmigung unterliegt und die im Vorfeld Ihrer (sic) Vermarktung oder Einfuhr einer Melde- oder Eintragungspflicht unterliegen.
Dieser Absatz gilt nicht für Erzeugnisse die aus statistischen Gründen einer Meldung bei Ministerien unterliegen, sowie auch nicht für Erzeugnisse die verpflichtend oder fakultativ den Bewertungen einer “Konformitätsbewertungstabelle” nach Art. 2, Absatz 13 der Verordnung 765/2008/EG unterzogen werden.

Im Brief von Michl Ebner ist davon die Rede, dass »sich eine ungleiche Behandlung der zwei Sprachen« offenbart.

Die ausschließlich in deutscher Sprache gekennzeichneten und für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben eines Großteils der Bevölkerung besonders wichtigen Produkte werden von Seiten der Kontrollorgane systematisch beschlagnahmt und beanstandet.

Die Interventionen der Kontrollorgane gegen die ausschließliche Verwendung der deutschen Sprache unterminieren das Ziel der Erreichung eines hohen Standards an Sicherheit für die Verbraucher deutscher Muttersprache.

Selbst wenn der Vorstoß des Handelskammerpräsidenten möglicherweise auf die Schädigung seines eigenen Unternehmens zurückzuführen ist, begrüßt , dass dieses seit Jahren bekannte Problem endlich in Angriff genommen wird und hofft, dass es einer zufriedenstellenden Lösung zugeführt werden kann.

Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08



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Comentârs

7 responses to “Sprache: Das Fass läuft über.”

  1. anonym avatar
    anonym

    Bezeichnend dass erst etwas passiert wenn man Herrn Ebner auf die Füsse tritt…

  2. Hermann avatar
    Hermann

    Jaja, Durnwalders Vollautonomie…
    Mich ärgert das schon lange u. deshalb kauf ich möglichst alles in Österreich.
    Was auch noch fehlt ist der Erwerb der italienischen Staatsbürgerschaft nur mit “Südtiroler”-Sprachkenntnissen sofern sie innerhalb Südtirols beantragt wird.

  3. chi lo capisce avatar
    chi lo capisce

    Grauzone…
    Wenn der Verkauf der deutschsprachigen Version eines Brettspieles (womöglich ohne italienischsprachige Bedienungsanleitung) verboten ist, wie lange dauert es dann bis Bücher in deutscher Sprache verboten sein werden, wenn sie nicht eine Übersetzung ins Italienische beinhalten?

  4. redwood forest avatar
    redwood forest

    Das Problem der Packungsbeilagen von Medikamenten sollte ja eigentlich recht einfach und unbureokratisch loesbar sein. Nchdem die meisten Medikamente von international taetigen Pharma-Konzernen vertrieben werden, gibts da eh schon Packungsbeilagen in den verschiedensten Sprachen, z.T. ganz einfach auch im Internet zu finden. Sollte eigentlich kein Problem fuer die Apotheke sein, den Zettel in der gewuenschten Sprache bei Kauf des Medikamentes auszudrucken. Wird z.B. in den U.S.A. so praktiziert.

    1. Vinschger avatar
      Vinschger

      Schon heute erhält der Kunde in der Apotheke für viele Medikamente auch eine deutsche Beschreibung, wenn er ausdrücklich danach fragt. Der Apotheker druckt sie dann einfach aus.
      Das mit dem Nachfragen funktioniert nur in der Praxis oft nicht, weil es vielfach in der Eile oder wegen der eigenen Unachtsamkeit vergessen wird.
      Deshalb gibt es ja weltweit die Informationen zum Medikament als Packungsbeilagen und eben nicht als Nachfragezettel.
      Man stelle sich vor eine Apotheke würde die italienische “Packungsbeilage” nur auf ausdrückliche Nachfrage eigens ausdrucken und dem Kunden in die Hand drücken. Die Apotheke würde wohl am nächsten Tag auf polizeiliche Anweisung geschlossen.

  5. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Zum Thema Beipackzettel (und Etiketten) der Medikamente:
    Decreto del Presidente della Repubblica 15 luglio 1988, n. 574 art. 36: Le etichette e gli stampati illustrativi dei farmaci rientranti nella assistenza farmaceutica prevista dagli articoli 28 e seguenti della legge 23 dicembre 1978, n. 833, distribuiti in provincia di Bolzano, devono essere redatti congiuntamente nelle due lingue italiana e tedesca.
    Decreto Legislativo 29 maggio 2001, n. 283. art. 14: qualora i farmaci di cui al comma 1 siano posti o mantenuti in commercio in provincia di Bolzano con etichettatura o foglio illustrativo difformi da quelli approvati dal Ministero della Sanità  ai sensi del medesimo comma, il Ministero della Sanità , con provvedimento motivato, intima al titolare della autorizzazione alla immissione in commercio l’adeguamento della etichettatura o del foglio illustrativo, stabilendo un termine per l’adempimento non superiore a sei mesi. In caso di mancata ottemperanza entro il termine indicato, il Ministero della Sanità  sospende l’autorizzazione alla immissione in commercio del medicinale fino all’adempimento.
    Es müssten also nicht nur die Beipackzettel, sondern auch die Etiketten zweisprachig sein, und es dürfen keine (deutschsprachigen) Beipackzettel beigelegt werden, die nicht vom Ministerium genehmigt sind. Logistisch am leichtesten zu lösen wäre das Problem, wenn die Medikamente für das gesamte Staatsgebiet zweisprachig beschriftet wären. Den Italienern täte es nicht weh, den deutschen Touristen wäre es angenehm und Südtirol wäre zufrieden . Die derzeitige Lösung ist unbefriedigend, weil a) das Gesetz nicht eingehalten und aus einem zustehenden Recht ein einzuforderndes Recht gemacht wurde, b) die Übersetzungen teilweise schlecht und sogar fehlerhaft sind, weil auch deutsche Pharmafirmen nicht einfach ihren deutschen Beipackzettel verwenden dürfen, sondern eine amtlich beglaubigte Übersetzung des italienischen Textes vorlegen müssen, c) sich manche Pharmafirmen angesichts dieser Unannehmlichkeiten die Mühe sparen und keine Übersetzung anfertigen lassen, zumal sie aus Erfahrung wissen, dass der angedrohte Entzug der Lizenz in der Praxis nie vorgenommen wird.
    Bei der von vielen Südtirolern praktizierten Selbstbeschaffung der Beipackzettel im Internet ist zu beachten, dass das gleiche Medikament oft in mehreren Ländern verschiedene Namen hat und dass auch Zusammensetzung und Dosierung variieren.

  6. pérvasion avatar

    Hat jemand irgendeine öffentliche Reaktion auf den Brief der Handelskammer, der doch einen groben Missstand aufzeigt, gehört/gelesen? Die Parteien scheinen sich vor allem mit sich selbst zu beschäftigen… das Allerwichtigste sind sowieso die internen Vorwahlen in der SVP.

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