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Tiroler wollen mehr Zusammenarbeit.

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Noch immer nicht bei allen Bürgerinnen bekannt, geschweige denn von allen gespürt — das ist die Tiroler Euregio, wie sie aus einer Studie der Innsbrucker Professoren Christian Traweger (Ass.) und Günther Pallaver hervorgeht, die am Dienstag dem Südtiroler Landtag vorgestellt wurde.

Ganzen 28,1% der Südtirolerinnen, 32,6% der Trentinerinnen und 47,6% der Nord-/Osttirolerinnen ist die Existenz der Euregio völlig unbekannt. Das ist über 15 Jahre seit Gründung 1998 ein Debakel und ein Armutszeugnis für Politikerinnen, denen die regionale Zusammenarbeit viele Sonntagsreden wert war. Bei den Jugendlichen erfreut sich die Institution einer noch größeren Unbekanntheit. Und dennoch: Lichtblick der auf repräsentativen Daten basierenden Arbeit ist der großmehrheitliche Wunsch in allen Landesteilen, die Zusammenarbeit zu intensivieren. Dafür stehen 84,9% der Trentiner-, 84% der Südtiroler- und 78,1% der Nord-/Osttirolerinnen.

Interessant ist, dass sich die Nord-/Osttiroler eine Zusammenarbeit vor allem im Bereich Verkehr (26,5% der Nennungen) wünschen, während dies nur 10,4% der Südtirolerinnen und gar 1,9% der Trentinerinnen wichtig ist. Im Tourismusbereich bestätigen sich die Südtiroler- als Eigenbrötlerinnen, denn nur 2,3% wünschen sich diesbezüglich eine engere Kooperation. Trentinerinnen (7,7%) und vor allem Nord-/Osttirolerinnen (17,6%) wäre dies ein weit wichtigeres Anliegen. Weniger als 10% der Nennungen erreicht in allen Landesteilen auch der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit im kulturellen Bereich, was besonders in einem Minderheitengebiet wie Südtirol erstaunlich ist. Lediglich eine Stärkung der wirtschaftlichen Kooperationen findet nördlich und südlich des Brenners gleichermaßen hohen Zuspruch: Dem Rang nach wurde sie von den Nord-/Osttirolerinnen (nach dem Verkehr) am zweithäufigsten genannt, bei Südtiroler- und Trentinerinnen rangiert sie gar an erster Stelle.

Bezüglich der Mobilität zwischen den Landesteilen wurde erhoben, dass etwas mehr als ein Drittel der Trentinerinnen im Laufe des letzten Jahres (vor Durchführung der Erhebung) mindestens einmal in Nord-/Osttirol waren, etwas wenigere Nord-/Osttirolerinnen waren im gleichen Zeitraum im südlichsten Landesteil. Rund doppelt so hoch ist die Reisefreudigkeit zwischen Südtirol und seinen benachbarten Gebieten in der Euregio, was auch auf Südtirols zentrale geographische Lage zurückzuführen sein dürfte. Kurios ist, dass etwas mehr Trentinerinnen nach Südtirol reisten als umgekehrt — und dass (knapp) mehr Südtirolerinnen in Nord-/Osttirol waren als im Trentino.

Unumstritten ist bei den Tirolerinnen die Zusammenarbeit beim Brennerbasistunnel, die in sämtlichen Landesteilen von über 97% der Bevölkerung geteilt wird. Etwas weniger einhellig, aber dennoch sehr hoch, fällt die Bewertung der »Volksgruppen (sic) als Bereicherung« aus: Nur 16,6% der Südtiroler- und 17% der Nord-/Osttirolerinnen glauben, dass die kulturelle und sprachliche Heterogenität die Zusammenarbeit erschwert, etwas höher ist dieser Wert (mit 19%) bei den Trentinerinnen.

Aufschlussreich ist schließlich, dass rund 30% der Nord-/Osttirolerinnen glauben, die gemeinsame Geschichte habe keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit in der Euregio. Mit je über 23% nicht ganz so stark vertreten ist diese Einschätzung auch in den beiden Landesteilen südlich des Brenners. Die große Mehrheit der Bürgerinnen in der Euregio Tirol glaubt jedoch, dass sich die gemeinsame Geschichte positiv auf die Kooperation auswirke.

In ihren Schlussfolgerungen bemängeln die Autoren der Studie neben der noch zu geringen Bekanntheit der Euregio auch ihre »schwach ausgeprägte demokratische Legitimation durch die Bevölkerung«, womit dieses grenzüberschreitende Subjekt mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen hat, wie die Mutterinstitution EU. Durchaus ermutigend ist, dass den Bürgerinnen in der Studie abschließend eine positive und pragmatische Einstellung zur Euregio bescheinigt wird. Vielleicht kommt diese Erkenntnis irgendwann auch in der Realpolitik an.

Erschienen im studia-Verlag unter dem Titel Kommunikation Kooperation Integration in der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino.



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Comentârs

One response to “Tiroler wollen mehr Zusammenarbeit.”

  1. pérvasion avatar

    Eine der wenigen bestehenden (wirtschaftlichen) Kooperationen in der Euregio droht jetzt auf dem Altar des SEL-Skandals geopfert zu werden: Wie SüdtirolNews berichtet, könnte sich die Nord-/Osttiroler Tigas aus der SEL-Gas verabschieden, weil sie durch die Fusion von SEL und Etschwerken eine Wertminderung befürchtet. Dies sei auf eine von der italienischen Wettbewerbsbehörde vorgeschriebene Abtretung von Kunden zurückzuführen. Die Südtiroler SteuerzahlerInnen müssen eine allfällige Wertminderung wohl hinnehmen, um den SEL-Skandal zu überwinden (an dieser Stelle nochmal ein Dank an Rainer, Laimer und Co.), während die Tigas möglicherweise im eigenen Interesse nicht mitspielen wird.

    Eine mögliche Lösung, die auch die Selgas bevorzugt, könnte so ausschauen, dass die Tigas aus der Selgas aussteigt […]

    Anstatt einer Vertiefung der Zusammenarbeit wäre das also eine weitere Auflösung…

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