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Zurück in die Vergangenheit.
Die SVP wirft »Abweichler« aus der Partei

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Immer wieder wagt die SVP den Schritt in die Moderne, öffnet sich für italienische und migrantische Kandidat:innen. Wie beispielsweise in Bozen. Sinnvoll und mutig. Die Realität in Bozen wird anderes nicht zulassen. Anderswo hingegen agiert die SVP wie in den 1950er Jahren. Unbequeme werden aus der Partei geworfen.

Doch der Reihe nach. Dieter Steger, politisch in Bozen groß geworden, versteht sich als Liberaler, aber mit einem großen Verständnis für die italienische Rechte. Er blinkt als Parlamentarier rechts, kanzelt immer wieder Senatorin Julia Unterberger ab, die sich am Kniefall gegenüber der rechtsrechten Regierung Meloni nicht beteiligt.

Jüngstes Beispiel, die SVP lehnte den Misstrauensantrag gegen Justizminister Nordio ab. Nordio ließ immerhin den libyschen »General« Almasri laufen, einen notorischen Gewalttäter, den Vergewaltiger eines minderjährigen Mädchens. 

Julia Unterberger wirft ihrer Partei vor, vor der italienischen Regierung ständig auf die Knie zu gehen. Ihre kritische Haltung nervt das regierungstreue Trio Dieter Steger, Meinhard Durnwalder und Renate Gebhard. Oft genug wird sie deshalb auch von diesen Kreisen angepatzt. Hans Heiss benennt diese Zusammenschau auf Barfuss als ein Zusammenwachsen dessen, was zusammengehört. 

Einheit statt Vielfalt

Statt auf Vielfalt in der Partei zu setzen, propagieren Steger und die SVP-Rechte die Uniformität, die von oben verordnete Einheit. Die SVP arbeitet hartnäckig daran, sich selbst zu zerstören, analysierte Simon im September 2022. Die SVP ist nur mehr ein Dachverband der mächtigen Wirtschaftsverbände. Die SVP zerlegt sich in Eigenregie.

Seit Jahren schon schrumpft der Konsens. Bei den letzten Landtagswahlen 2023 kam die SVP nur mehr auf dürftige 34,5 Prozent. Fünf Jahre zuvor waren es noch mehr als 40 Prozent, 2013 45,7 Prozent, 2008 48 Prozent, 2003 55,6 Prozent. Das Ende einer Ära, das man in der SVP offensichtlich mit einem Ackelzucken abtut. Panik in der Partei? Fehlanzeige.

Die SVP rettet sich bei den Gemeindewahlen, findet der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete und Historiker Hans Heiss. In 29 Gemeinden tritt die SVP als einzige wahlwerbende Liste an, ihre Bürgermeisterkandidaten — und die wenigen Kandidatinnen — können sich, außer in wenigen Fällen, meist gut behaupten. 

Schrumpfende Wahlbeteiligung

Doch auch auf Gemeindeebene scheint der Frust groß zu sein. Vor fünf Jahren gingen nur mehr 65 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen. Fast die Hälfte blieb zuhause, interessiert es nicht, wer die Gemeinde verwaltet. Bei der Wahl in Bozen 2020 nahmen am ersten Wahlgang knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten teil, beim zweiten Wahlgang waren es nur mehr 47 Prozent. In allen Gemeinden rutschte die Wahlbeteiligung ab.

Und was macht die SVP, noch immer die »staatstragende« Partei in Südtirol? Sie agiert wie einst. Wer es wagt, bei den Gemeindewahlen auf anderen Listen zu kandidieren, wird gefeuert. Sechs Kandidaten traf der Bannstrahl, darunter zwei altgediente Kommunalpolitiker wie den ehemaligen Bürgermeister von Brenner, Franz Kompatscher, und denlangjährigen Kalterer Vizebürgermeister Werner Atz.

Weil sie für konkurrierende Listen antreten, verlieren sie und vier weitere Kandidaten laut Parteistatut ihre Mitgliedschaft. Da ist die SVP konsequent und kompromisslos. Da geht das Statut vor, egal welche Verdienste die Gefeuerten auch immer vorzuweisen hätten. 

Ex-Bürgermeister Kompatscher sagte auf Rai Südtirol, dass der Schritt für ihn nicht nachvollziehbar ist: »Bei Gemeindewahlen muss man sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Im Unterschied zu Landtags- und Europawahlen müssen da gewisse Freiräume geschaffen werden.« Kompatscher war nicht nur Bürgermeister, er stand auch dem Wipptaler SVP-Bezirk vor. Respektlose Partei, statt einzubinden, grenzt die SVP aus. 

Seit drei Amtsperioden diente Werner Atz der Gemeinde Kaltern als Vizebürgermeister an der Seite von Gertrud Benin, die sich einst gegen Manfred Schullian — Kammerabgeordneter in Rom — deutlich durchsetzen konnte. Dieses Mal wollte er es wissen, ob er auch Bürgermeister kann. Nichts davon wissen wollte hingegen seine SVP und Atz wagte den Alleingang. Der Rauswurf war die Folge.

Von Veith bis zu Frasnelli

Keine Einzelfälle. Krude ging die SVP mit dem ehemaligen Malser Bürgermeister Ulrich Veith um. Im Jahr 2009 löste er Sepp Noggler ab, der in den Landtag gewählt wurde. Veith ließ 2014 ein Antipestizidreferendum zu, verfügte ein Pestizidverbot. Nicht nur der Bauernbund lief dagegen politisch Amok. Der »grüne« Veith wurde zum »roten Tuch«. Entnervt zog sich Veith aus der Gemeindepolitik zurück. Eng gesteckte Grenzen für Unbotmäßige.

Unbotmäßig war der langjährige Fraktionsvorsitzende der SVP im Landtag, Arbeitnehmer Hubert Frasnelli. Seine scharfe Kritik am Athesia-Konzern, an der Politik des damaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder (SVP), sein Versuch 1998, die »öko-sozialen« Kräfte zu bündeln, entfremdeten Frasnelli von seiner Partei. Er kam einem Ausschluss zuvor und trat aus der SVP aus.

Magnago-Opfer Hans Dietl

In seiner Ära ging Parteiobmann Silvius Magnago — es waren immerhin schwere Zeiten — mit Dissidenten nicht zimperlich um. Zu den bekanntesten Magnago-Opfern zählte Hans Dietl, Paketgegner, Befürworter der Selbstbestimmung für Südtirol, Akteur für eine konsequente Sozialpolitik. Dietl stimmte im italienischen Parlament als SVP-Mandatar 1971 gegen das Südtirolpaket und somit gegen das Zweite Autonomiestatut. Er wurde »gefeuert«. Geschlossenheit war damals oberstes Prinzip, zugunsten der Autonomie. Und Dietl war nicht der einzige »Außenseiter«. Nachvollziehbar bis zu einem bestimmten Punkt.

Warum aber heute, bei sinkender Wahlbeteiligung und bei schrumpfender Zustimmung, die SVP zum Instrument des Parteiausschlusses greift, ist nicht nachvollziehbar. Statt tatsächlich Sammelpartei zu sein, grenzt sie Altgediente aus. Wie einst in den 1950er Jahren. Politik von gestern.


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