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Erneuter Pragser Toponomastik-Masochismus.

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ai

Es ist wieder Verkehrsmanagement angesagt, an einem der Südtiroler Overtourism-Magneten, dem Pragser Wildsee. Dazu habe ich vom Leser Florian Leitner dieses Foto bekommen, das ein Schild am Eingang zum Pragser Tal zeigt:

Straßenschild am Eingang zum Pragser Tal – Querbalken von mir

Auf einer offiziellen Tafel (und nicht etwa in der Broschüre einer privaten Tourismusorganisation) wird hier im Englischen das von Ettore Tolomei missbräuchlich für italienisch erklärte und vom faschistischen Regime als einzig zulässige Ortsbezeichnung oktroyierte ladinische Exonym verwendet.

Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage — sprich: Verpflichtung.

Englisch ist in Südtirol keine Amtssprache. Es ist vermutlich sinnvoll, den vielen Selfie-Touristinnen Informationen in der internationalen lingua franca zur Verfügung zu stellen. Doch warum glaubt man, dafür auch Ortsnamen übersetzen zu müssen?

Toponyme wurden hierzulande nicht übersetzt, weil dies zur Orientierung erforderlich wäre, sondern weil damit das politische Ziel einer ethnischen Säuberung verfolgt wurde. Und ein Jahrhundert später erliegen wir noch immer dem Missverständnis, dass Namen einer Übersetzung bedürften, um »verstanden« zu werden.

Wenn man aber glaubt, dies machen zu müssen, sollten zumindest nicht völlig ohne Not die bis heute aufrecht gebliebenen, zum Zwecke der Assimilierung eingeführten Ortsbezeichnungen weiter verbreitet werden. So wie die Kuh nicht selbst zum Schlächter geht.

Lake Prags wäre eine meiner Meinung nach genauso überflüssige, aber zumindest bei weitem nicht so hanebüchene Übersetzung.

Mit Fehlleistungen wie der obigen Tafel werden folgenreiche Realitäten geschaffen. Ein Beispiel: In der englischen Wikipedia trägt der Eintrag über den Pragser Wildsee diese, also die historisch gewachsene, »deutsche« Bezeichnung. Das Foto eines amtlichen Schildes (oder eines Schildes, das den Eindruck der Amtlichkeit erweckt) kann dazu führen, dass sich dies ändert — weil sich so »nachweisen« ließe, dass es eine »offizielle« englische Bezeichnung gibt, die dem Ortsnamen von Tolomei verpflichtet ist.

Ausschnitt Website prags.bz

Zumindest hat sich aber auf der Website prags.bz etwas getan: Noch im Jahr 2019 hatte ich diesbezüglich erstmals über den Pragser Toponomastik-Masochismus geschrieben. Wiewohl man auch hier der Meinung ist, dem Pragser Wildsee ein lake anhängen (und die Drei Zinnen als Three Peaks übersetzen) zu müssen.

Eine Frage am Ende: Wenn wir schon freiwillig über die amtlich vorgeschriebene Zweisprachigkeit hinausgehen — warum zollen wir dann durch ladinische Beschriftungen nicht auch der kleinsten und ältesten Sprachgruppe im Land Respekt und machen sie dadurch sichtbarer?

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 || 01



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Comentârs

7 responses to “Erneuter Pragser Toponomastik-Masochismus.”

  1. G.P. avatar
    G.P.

    Ich sags ja schon lange, wir schaffen uns selber langsam aber sicher ab.

  2. G.P. avatar
    G.P.

    Passend dazu – im negativen Sinne – in den heutigen “Dolomiten” auf Seite drei der Artikel “Doppelpunkt” von Klaus Innerhofer.

    1. Simon avatar

      Wahrscheinlich dieser.

      1. G.P. avatar
        G.P.

        Ja, genau diesen Artikel meine ich. Danke.

    2. Martin Piger avatar
      Martin Piger

      Die Ausrede, dass es wichtigeres als Sprache oder/und Namen gäbe, ist in ihrer Oberflächlichkeit entlarvend. Sprache und Namen gehören zu den wichtigsten Dingen überhaupt. Das Namen-Geben kommt in der Bibel nicht umsonst bereits in den ersten beiden Kapitel von Buch Genesis vor.
      Aber vielleicht ist es auch nicht mehr zeitgemäß Eckdaten aus der Bibel zu kennen.

      1. Simon avatar

        Ohne die Bibel zu bemühen, ist wohl auch in der Wissenschaft unstrittig, dass (Orts-)Namen und — no na — Sprache für Minderheiten zum Wichtigsten überhaupt gehören. Es ist ja auch kein Zufall, dass genau in diesen Bereichen angesetzt wurde, um die deutsche und ladinische Minderheit auszumerzen.

        Wie wir hier schon oft aufgezeigt haben, nehmen viele andere Minderheiten diese Themen viel ernster und bearbeiten sie mit viel größerer Akribie als wir in Südtirol. Trotzdem glaubt man hier, wir müssten immer noch nachgiebiger sein, um ja nirgends anzuecken.

      2. Martin Piger avatar
        Martin Piger

        Das wird dann als “kulturell souveräne Haltung” ausgegeben. Man steht so quasi über den Dingen.
        Ist schon tragisch: man will drüber stehen, obwohl man viel eher mitten drin steckt. Italien ist ja immer noch bemüht, Südtirol den normalen Provinzen anzugleichen. Dass dies hauptsächlich über Sprache und Toponomastik und im Hintergrund auch über kreative Historiographie geht, soweit kommen manche Südtiroler nicht. Irgendwann werden wir soweit normalisiert sein, dass auch eine Autonomie keinen Sinn mehr machen wird.

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