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Rechtsexperten unter sich.

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Den Freiheitlichen wirft Zeller Oberflächlichkeit vor. Laut Zeller muss man sich der Konsequenz bewusst sein, dass der Freistaat einen Austritt Südtirols aus der EU bedeute. […] Zeller: »Südtirol wäre dann sicherlich nicht mehr bei der EU. Das steht sogar im Text für den Verfassungsentwurf für die Freiheitlichen, das geben sie ja selbst zu.«

Rai Sender Bozen, Radionachrichten vom 16.05.2013

Wenige Minuten später sagt Prof. Peter Hilpold (Völkerrechtler, Europarechtler und Experte in vergleichendem Recht an der Universität Innsbruck) im Morgentelefon des Rai Senders Bozen zu demselben Thema:

Barroso hat sich zwar sehr kritisch geäußert, in bezug auf eine allfällige Loslösung Kataloniens von Spanien und hat gemeint, das würde den sofortigen Ausschluss aus der EU nach sich ziehen und eine Wiederaufnahme würde sich dann vielleicht schwierig gestalten. Also das glaube ich wiederum nicht, denn die EU müsste ja selbst interessiert sein, zentrale Regionen in Europa weiterhin zu integrieren. Man muss ja bedenken, dass nicht nur die einzelnen Regionen Interesse haben an einem Verbleib in der EU, sondern die EU selbst auch Interesse hat, dass keine neuen weißen Flecken auf der EU-Landkarte entstehen.

Beide Rechtsexperten sehen die Abtrennung Südtirols aus rechtlicher Sicht kritisch — aber eben mit sich widersprechenden Argumenten.

Siehe auch: 01



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Comentârs

5 responses to “Rechtsexperten unter sich.”

  1. pérvasion avatar

    Prof. Hilpold widerspricht sich aber auch selbst. Zunächst sagt er:

    [Das Selbstbestimmungsrecht steht] nur Völkern in kolonialer Abhängigkeit zu […]

    Wenige Sätze später sagt er dann bezüglich Südtirol:

    [Das Selbstbestimmungsrecht ist] kein Instrument zur Wiedergutmachung historischen Unrechts.

    Wenn das Recht den Völkern in kolonialer Abhängigkeit zusteht, dann wohl gerade als Instrument zur Wiedergutmachung historischen Unrechts.

  2. Steffl avatar
    Steffl

    Für den außenstehenden Beobachter sieht es zumindest so aus, dass Prof. Hilpold hier (etwa nach politischem Druck?) im Nachhinein die Aussagen seiner eigenen Studie in Bezug auf Südtirol etwas anders dargestellt hat. Aber bitte, das sollen Experten beurteilen.
    Was die SVP betrifft, frage ich mich nicht erst seit dem Interview von Ex-SVP-Obmann Roland Riz in der Tageszeitung “Dolomiten”, was man denen glauben kann.
    Dort hat er ja vor einigen Tagen behauptet, dass die SVP-Parlamentarier 2001 bei der Verfassungsreform mit ihrem Abstimmungsverhalten Mitschuld am Abbau der Autonomie Südtirols gehabt haben (das wären laut ihm also die eigenen Leute!). Falls so etwas stimmen sollte, was kann man der Politik in Südtirol überhaupt noch glauben ? Vor allem auch was das Selbstbestimmungsrecht und die Unabhängigkeit betrifft.

  3. Manni avatar
    Manni

    Das Problem, daß wir bei dieser Diskussion haben ist, daß das Völkerrecht sehr diffus ist. Es gibt wenige rechtspositive Quellen, eine davon ist die UNO-Menschenrechte. Aufgrunddessen gibt es natürlich viele Theorien -um nicht zu sagen: Spekulationen-, ob und wann eine Sezession begründet ist. Es gibt Völkerrechtler, die sehr rigide sind und eine Unabhängigkeit nur bei schweren Menschenrechtsverletzungen durch den Mutterstaat gutheißen. Auf diese Theorie stützen sich natürlich SVP und Co. -wohl wissend, daß es auch sehr liberale Auslegungen des Sezessionsrechtes gibt.
    Wie bei vielen wissenschaftlichen Diskussionen gilt auch hier die altrömische Weisheit “tot capita – tot sententiae”.
    Ich habe aber sowieso den Eindruck, daß diese Völkerrechtler oft sehr theorielastig argumentieren. So sagt Hilpold laut stol.it, daß die Unabhängigkeitsbewegungen in Katalonien und Schottland völkerrechtlich nicht legitim seien. Was z.b die Schotten eher wenig interessieren dürfte, haben sie doch ausgemacht, daß GB jede Entscheidung respektieren muß. Und wo die Sezession demokratisch und fair abläuft (natürlich auch danach) sehe ich bei allem Respekt vor dem Völkerrecht auch kein Problem dabei.
    PS: Hilpold nimmt in seiner Argumentation Bezug zur Kolonialzeit, die gottlob seit fast einem halben Jahrhundert vorbei ist. Kann man heute -2013- wirklich noch so argumentieren ?

    1. pérvasion avatar

      Eben dies wollte ich zeigen: Dass es eigentlich auf diesem Gebiet keine »Rechtssicherheit« gibt und deshalb Einschätzungen von Völkerrechtlern mit Vorsicht zu genießen sind. Jedenfalls sollten wir uns davon nicht aufhalten lassen, wenn es einen politischen Willen gibt.

  4. bzler avatar
    bzler

    “Interesse der EU”. Wer ist die “EU”? Das Volk? Barrosos Kommission? Das Parlament? Der Rat? Barroso hat sich wohl stellvertretend für die Kommission geäußert. Der Rat dürfte kaum Interesse an weiteren Selbstbestimmungen haben und dürfte zumindest den Preis in die Höhe treiben. Das Parlament wird post factum kaum den Ton angeben, es sei denn, hinter den Kulissen laufen schon die Vorbereitungen, was mich nicht einmal wundern würde. Davon würde aber Barroso wiederum wissen und er könnte mit getaner Äußerung auf Zeit spielen. Optimistischer kann ich es nicht formulieren. Könnt ihr?

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