Die massive Verwendung einer Sprache in der internationalen Kommunikation weist zahlreiche positive Aspekte auf wie die Vereinfachung des Austausches und der Kommunikation zwischen Personen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem Hintergrund. Sie wird aber auch als mögliche “Gefahr” für die Nationalsprachen [sic] im Sinne einer Schwächung derselben gesehen. […] Die Ladiner und die Gemischtsprachigen sind verhältnismäßig am meisten besorgt, dass die Nationalsprachen geschwächt werden könnten. Diese Wahrnehmung der Südtiroler Bevölkerung hängt auch mit dem Studientitel [sic] zusammen. Je höher dieser ist, desto höher ist der Anteil der Personen, die nicht befürchten, dass Englisch die Nationalsprachen schwächen könnte.
Hervorhebung von mir. Quelle: Astat-Sprachbarometer 2014, S. 78ff.
Ich maße mir keine unmittelbare Interpretation an, möchte aber diesen Zusammenhang unterstreichen: Die »Gemischtsprachigen« (per Definition) und die Ladinerinnen (aufgrund ihres Schulsystems) gelten als diejenigen in Südtirol, die am meisten direkte Erfahrung mit Mehrsprachigkeit und deren Auswirkungen haben. Ist es da nicht erstaunlich — und sollte es nicht zu denken geben — dass gerade sie die größten Befürchtungen nähren, dass eine Sprache eine »Gefahr«, ein Schwächungsrisiko für andere Sprachen sein könnte?
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Hinweis: Unbeschadet des obigen Zitats aus dem Sprachbarometer beantworteten die Frage »Inwieweit sind Sie mit der Aussage “Englisch als internationale Kommunikationssprache bedingt eine Schwächung der Nationalsprachen” einverstanden?« alle berücksichtigten »Sprachgruppen« (Deutsch, Italienisch, Ladinisch, Andere, »Gemischtsprachig«) mehrheitlich mit »wenig einverstanden« oder »überhaupt nicht einverstanden«.
29 replies on “Sprachliches Risiko.
Quotation”
Wie sehr ich den Begriff “Gemischtsprachige” liebe…, ich kann es kaum in Worte fassen. Warum mir dabei immer die Artioli einfällt, die einen Eisbecher in der Hand hält weiß ich auch nicht.
Du suggerierst eine Interpretation bzw. einen Kausalzusammenhang. Und zwar zwischen direkter Erfahrung mit Mehrsprachigkeit (unabhängige Variabel) und befürchtetem Schwächungsrisiko (abhängige Variabel). Dabei ist – aufgrund der einsehbaren Daten – ausschließlich eine Kovarianz zwischen erklärter Sprachgruppenzugehörigkeit und der Wahrnehmung einer möglichen Gefahr feststellbar. Die *Ursachen* für die Befürchtungen könnten die von dir genannten oder auch ganz andere sein.
Gehen wir aber davon aus, dass die Kausalzusammenhänge so bestehen, wie von dir angedeutet, was sind die (möglichen) Schlussfolgerungen, die du daraus ziehst?
Genau, ich suggeriere — bzw. suggerieren es m.M.n. schon die Daten. Eine mögliche Schlussfolgerung wäre, dass diejenigen, die eine direkte Erfahrung mit gelebter Mehrsprachigkeit haben, im Durchschnitt auch das potentielle (!) Risiko einer Schwächung direkter nachvollziehen können. Jemand, der nur eine Sprache auf einwandfreiem Niveau beherrscht, kann sich vielleicht gar nicht vorstellen, dass diese Sprache jemals »verdrängt« wird. Mir als Mehrsprachigem ist hingegen bewusst, wie schnell ich — auch für immer — in eine andere als meine »Muttersprache« wechseln könnte, wenn ich wollte, weshalb mir neben den Vorzügen auch die Risiken einer durchgehenden »perfekten Mehrsprachigkeit« bewusst sind. Dieses Bewusstsein haben nicht alle Mehrsprachigen, aber offenbar (bzw. möglicherweise) »überdurchschnittlich« viele.
Und (wie) sollte sprachpolitisch auf dieses “Risiko” reagiert werden?
Einfach indem man dieses mögliche Risiko berücksichtigt.
Wurde zu diesem Zweck nicht Esperanto entwickelt? Gibt es eigentlich noch Bestrebungen, diese Sprache zu verbreiten bzw. wäre es nicht eine gute Idee, statt Unmengen von Fremdsprachen nur mehr die Muttersprache und Esperanto zu unterrichten? (Wer Interesse hat, der kann ja trotzdem noch weitere Sprachen erlernen…)
Sind die Ladiner wirklich ein gutes Beispiel für Schwächungsrisiko durch Mehrsprachigkeit. Sowohl Italienischsprechende als auch Tirolerdeutschsprechende grenzen jeweils an einen meist homogenen Kulturraum. Ist es nicht gefährlich und altbacken eine Gefahr durch Mehrsprachigkeit an die Wand zu malen?
Zum wiederholten Male fällt eine Unterscheidung von bbd und Südtiroler Freiheit schwer.
Zumindest sollte es die freie Wahlmöglichkeit von Immersionsunterricht und Unterricht als Fremdsprache geben.
#divideetimpera
Geh bitte mach dich nicht lächerlich. Hast du nur den Titel gelesen oder auch den Artikel?
Herr Pervasion, bitte erklär nochmal die Exegese deiner Suggestion. Oder für Nichtkaffeesudlesende was vestehst du unter “befürchtetem SCHWÄCHUNGSRISIKO”.
Ich möchte dich darauf hinweisen, dass das keine Erfindung von mir ist, sondern ein Zitat aus dem Astat Sprachbarometer.
Also ich sehe das so wie Sabina:
(Sabina XXXXXX)
Deren Frage nach Deinen Schlussfolgerungen ist noch ausständig. Was verstehst du unter Berücksichtigung des Risikos? Ist eine freie Wahl zwischen Immersionsunterricht und gängigem Modell ein hinreichendes Risikomanagment?
Bitte Punkt 14 der Netiquette beachten. Der von dir veröffentlichte Nachname wurde entfernt.
Muss natürlich lauten:
Per se nicht. Es kommt ganz auf die Art des Immersionsunterrichts an bzw. auf die Gewichtung und die flankierenden Maßnahmen.
Fazit:
Aufgrund des befürchteten Schwächungsrisikos der Nationalsprache (?) wird der neue Unterricht mit flankierenden Massnahmen vesehen, sodass stets der Unterricht in Nationalsprache gewährleistet ist.
Wie sagt da gleich der Österreicher: Weiterwurschteln!
Ich halte nix vom Begriff der »Nationalsprachen«. Der Meinung, dass Immersionsunterricht ggf. sehr sorgfältig geplant, evaluiert und gewichtet sein muss, um Risiken zu minimieren, bin ich aber sehr wohl. Und zum Risikomanagement gehören eben auch flankierende Maßnahmen. Alles andere wäre fahrlässige… wie hast du es genannt?… Wurschtelei.
Ich habe hier und hier schon was dazu geschrieben. Und hier.
Finde vor allem den von dir angegebenen Link http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=8937 sehr hilfreich, vor allem auch mit dem Kommentar “indipendenza + modello glottodidattico catalano = monolinguismo tedesco” .
Eine flankierende Massnahme könnte darin bestehen einen bestimmten Prozentsatz als freie Fächer an Schulen, Vereinen oder auch Musikschulen zu definieren.
Gleichzeitig könnte somit eine Schulreform durchgeführt werden, welche Lehrpersonen mit besonders vielen Wahlschülern oder anderen Leistungsparametern prämiert.
Aber halt bitte auch die Antwort lesen: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=8937#comment-88595
(Zitat pervasion aus http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=8937#comment-88595)
Dem kann ich bis auf Unabhängigkeit und der ladinischen Sprache (abhängig vom Ausmass) zustimmen. Der ursprüngliche Beitrag mit der Interpretation ” sollte es nicht zu denken geben — dass gerade sie die größten Befürchtungen nähren, dass eine Sprache eine »Gefahr«, ein Schwächungsrisiko für andere Sprachen sein könnte?” der wohl zu viele Bauchgefühle wie Gefahr, Risko, Befürchtungen enthält, führt aber zu einer völlig anderen conclusio lieber pervasion und zementiert den bisherigen getrennten Unterricht, da er Stammtischargumente liefert (Halt! Bitte! Stopp! Merke! Nochmals lesen).
Bei tiefgreifenden Eingriffen ins Bildungssystem sollte es eigentlich selbstverständlich sein, Risiken ernstzunehmen. Das zementiert gar nix.
“Catinaccio” a la Brennerbasisdemokratie halt, e schon wissen.
Die Crux an der Einführung eines neuen Unterrichts ist die politische Entscheidung. Denn diese würde den Status der Mehrsprachigkeit anerkennen, das System aus Proporz, Apartheid, jeweilige Leitkultur auflösen. Innenpolitisch ist dies somit brisanter als die Selbstbestimmung.
@ Schierhangl
Erst gestern hatte ich ein längeres Gespräch mit zwei Südafrikanern, die während des Apartheid-Regimes aufgewachsen sind und in der Folge natürlich auch “die Wende” miterlebt haben.
Bitte erklär denen mal, dass wir hier auch Apartheid haben und erzähl mir dann, wie sie reagiert haben.
Mit Verlaub, aber bitte hör mit diesen blödsinnigen Verharmlosungen auf.
Du meinst den Rosengarten?
Na sicher, denn wenn das ohne die nötigen Rahmenbedingungen umgesetzt wird, hat es das Zeug, die Mehrsprachigkeit in Südtirol binnen 1-2 Generationen auszulöschen.
Deshalb bin ich auch für das weniger Brisante ;)
Kann die Wissenschaft nur noch Englisch? – https://nzz.at/s/63CFB080
Eine wichtige Debatte und ein gut argumentierter Artikel, danke für den Link.
Studienergebnisse von real existierenden Modellen mit Immersionsunterricht:
Erstsprachliche Leistungsentwicklung im Immersionsunterricht: Vorteile trotz UInterrichts in einer Fremdsprache? http://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1024/1010-0652/a000071
Mobi Studie:
siehe Ergebnisse Rechtschreibung, Leseflüssigkeit, Leseverständnis
Immersionsunterricht aus der Sicht der Maturierenden:
https://doc.rero.ch/record/11789/files/Frei_Ursula_-_Erfahrungen_mit_Immersionsunterricht_20090422.pdf
Der Vergleich der Maturanoten der zweisprachigen mit jenen der einsprachigen Klassen belegt für die Immersionsklassen in den Sachfächern Physik, Biologie
und Geografie mehrheitlich signifikant
bessere Leistungen.
“Das heisst, jeder Schüler braucht eine gute Deutschbasis, bevor er mit einer Fremdsprache anfängt?
Grundsätzlich ja. Der Fremdsprachenunterricht sollte im heutigen System frühestens in der 5. Klasse beginnen. Das heisst nicht, dass ich gegen frühe Fremdsprachen bin. Aber das heutige Kurzfutterkonzept mit rund zwei Wochenlektionen in der Primarschule pro Sprache ist zum Scheitern verurteilt. Da kommt man auch mit der grössten Sprachbegabung und Motivation auf keinen grünen Zweig. ” aus: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Englisch-kann-man-getrost-in-die-Oberstufe-verschieben/story/25484809
Nachtrag:
hier noch der Link zur MOBI Studie
http://www.iaa.uni-rostock.de/fileadmin/IANGAM/Downloads/Vortrag_Gebauer_Zaunbauer_Moeller.pdf
Danke. Aber wer bezweifelt denn die individuellen Erfolge durch Immersion?