Die sogenannte Einnahmenagentur ist eine jener staatlichen Einrichtungen, die uns Tag für Tag vor Augen führen, wie wenig die Gleichstellung der Amtssprachen Deutsch und Italienisch in Südtirol funktioniert.
Dabei wird von der Landesregierung schon seit Jahren vollmundig angekündigt, dass die Agentur ans Land übergehen wird — wofür es mit dem 30. Juni 2014 sogar einen konkreten Termin gab. Seitdem ist Südtirols Berge zwar viel Wasser hinabgeflossen, doch zur versprochenen Übernahme kam es nie.
Derweil missachtet die italienische Steuerbehörde ihre sprachlichen Verpflichtungen munter weiter. Mitunter werden gar einsprachig italienische Bescheide verschickt, denen als Feigenblatt ein zweisprachiger Hinweis angehängt ist, dass gegen solch widerrechtliche Zuschriften (mit viel Aufwand) Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden kann. Wenn es darum geht, Steuern zu bezahlen — womit wiederum Ämter wie die Einnahmenagentur finanziert werden — haben zwar alle SüdtirolerInnen dieselben Pflichten, aber leider nicht dieselben Rechte.
Im Übrigen hat auch die Südtiroler Volksanwältin die Uneinsichtigkeit und Bürgerferne der Agentur in ihrem Jahresbericht 2015 gerügt.
Nun weist Pius Leitner (F), der dazu eine Landtagsanfrage eingereicht hat, darauf hin, dass auch die Steuersoftware Gerico nur in italienischer Sprache verfügbar sei. Laut dem Landtagsabgeordneten diene die Software physischen Personen dazu, ihre Steuererklärung zu übermitteln — in der offiziellen Beschreibung des Programms heißt es jedoch, dass es der Überprüfung von Branchenrichtwerten dient.
Wie dem auch sei: Sowohl im digitalen, als auch im analogen Bereich werden Sprachrechte systematisch gebrochen und missachtet, von bedauerlichen Ausnahmen kann längst nicht mehr die Rede sein. Und was unternimmt die Landesregierung? Sie stellt nicht etwa die Autonomie und den Minderheitenschutz auf den Prüfstand, sondern gibt in ihrer Antwort an Leitner an, mit der Einnahmenagentur über eine Anpassung zu verhandeln. Mal wieder.
100 Jahre nach der Annexion, 70 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, 45 Jahre nach Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatuts muss weiterhin um jeden — pardon — Furz verhandelt werden, während die Zweisprachigkeit im Amt von Jahr zu Jahr weiter den Bach runtergeht. Doch auch dafür sind wir leider nicht zuständig.
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