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Die Post-Brexit-EU: weniger, aber effizienter und demokratischer.
Die EU kann nicht bleiben, wie sie ist

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Letzte Woche hat das Vereinigte Königreich formell den Brexit-Antrag gestellt und wird in zwei Jahren die EU nur mehr von außen betrachten. Dieser erste Austritt eines EU-Mitglieds ist ein Rückschlag fürs Einigungswerk EU, könnte ihr aber auch zu einem Neustart verhelfen, zumal die Briten sich oft genug als Integrationsbremser betätigt hatten. So geht es zunächst um die Konsolidierung der EU-27. Die “immer engere Union” wie auch eine Erweiterung Richtung Osten oder Türkei dürfte dabei zunächst vom Tisch sein, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen. Eine Politik des “Weiter so, jetzt erst recht” würde nur noch mehr Widerstand gegen noch mehr Union erzeugen.

Nach dem Brexit-Votum haben manche EU-Politiker und Journalisten verlautbart, die Engländer würden sich letztlich mit ihrem Austritt nur selbst schaden. Wer wieviel wovon gewinnen oder verlieren könnte, ist heute noch völlig im Nebel, doch hätten die Engländer dann die richtige Wahl getroffen, wenn die Kontinentaleuropäer sich als unfähig erweisen, den Euro neu auszurichten und die EU zu konsolidieren.

Die Ukraine- und Brexit-Krise wird die EU wohl überstehen, die Terror-Bedrohung und Flüchtlingsfrage mit neuen gemeinschaftlichen Ansätzen meistern müssen. Doch der Euro ist Teil des Grundgerüsts der Union, an dem immer mehr Neonationalisten und EU-Skeptiker rütteln. Nach Umfragen befürworten zwar in der Eurozone 70% der Bevölkerung den Euro, doch in Italien überwiegen die Gegner. Dies bestätigt die Nord-Süd-Divergenz im Eurosystem, die durch die Krisenpolitik der letzten Jahre verstärkt worden ist. Die Mittelmeer-Euroländer ziehen in eine andere Richtung als die nördlichen Euroländer. Deutschland und Italien stehen für diese Gegenpole unter den großen Mitgliedsländern, während Frankreich mal in die eine, mal in die andere Richtung zieht. Neustart der Gemeinschaftswährung würde bedeuten: keine Bailouts von Krisenländern und Banken mehr, keine Haftungsunion, keine Schuldenvergemeinschaftung, doch eine gemeinsame Geld- und Fiskalpolitik mit entsprechend effizienten, aber demokratisch legitimierten Entscheidungsprozessen im Euroland. Dies würde den Euro stabilisieren und die interne wirtschaftliche Anpassung in den Mitgliedsländern fördern, während der Austritt nur einen Abwertungswettlauf auslösen würde. Gleichzeitig würde dies auf politischer Ebene den neonationalistischen Bewegungen von Le Pen über die AfD bis zu Salvinis Lega den Wind aus den Segeln nehmen.

Die Nord-Süd-Divergenz in der Eurozone bedroht die EU von innen, ihre Überwindung ist entscheidend für die Konsolidierung der EU. Italien hat eine lange Erfahrung mit einem Nord-Süd-Gefälle und Millionen Italiener sind es leid, ihre Steuern in ein Fass ohne Boden zugunsten des Südens zu zahlen. In der Eurozone ist ganz Italien dieser “Süden”. Sollte hier keine Neuausrichtung im Eurosystem gelingen, wird der Marsch in eine immer engere Schulden-, Haftungs-, Bailout- und Transferunion zu fortgesetzter Stagnation und allmählichem Niedergang führen. Dann könnten es sowohl die nördlichen wie die südlichen Euroländer sein, die die Auflösung der Währungsgemeinschaft wollen, und Europa würde in einen Flickenteppich mittlerer und kleinerer Nationalstaaten zurückfallen. Auch für Südtirol keine tröstliche Perspektive.

Jean-Claude Juncker hat in seinem Weißbuch zur Zukunft Europas vom März 2017 fünf Szenarien zur Weiterentwicklung der EU dargelegt. Die meisten Südtiroler, die sich traditionell eine tiefere Integration und einen Abbau der Nationalstaaten wünschen, werden auf Szenario 5 setzen, nämlich “Viel mehr gemeinsames Handeln”. Dies ist die optimistischste Variante, die am Vereinten Europa weiterbaut, wie es in den ersten 60 Jahren der EU mit Brüchen und Rückschlägen geschah. Doch auch Junckers Szenario 4 will gut bedacht werden, wenn man die EU konsolidieren will: “Weniger, aber effizienter”. Etwas weniger in Brüssel zu entscheiden, etwas mehr nach dem Subsidiaritätsprinzip zu verfahren und den Staaten und Regionen zu überlassen, könnte auch der Demokratie in der EU gut tun. Eine klare Aufteilung der Verantwortungen auf allen Ebenen, mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung, die Neuausrichtung des Euro am besten mit grundlegenden Reformen des Geldsystems, das würde der EU bei Millionen Bürgern mehr Akzeptanz verschaffen und wäre ein wirksamer Gegenentwurf gegen rechtsnationale Ideen für ein Zurück zu mehr Nationalstaat.

Am Dienstag, 2. Mai 2017, 18-20 Uhr, diskutieren im Rahmen der POLITiS-Veranstaltungsreihe “Welches Europa wollen wir?” zwei ehemalige Europaparlamentskandidaten zu diesen und ähnlichen Fragen: L.Abg. a.D. Pius Leitner und der Journalist Georg Schedereit. Die Veranstaltung “Ist das Integrationsprojekt EU gescheitert?” in der Bibliothek Kulturen der Welt (Schlachthofstraße 50, Bozen) steht allen offen.


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3 responses to “Die Post-Brexit-EU: weniger, aber effizienter und demokratischer.
Die EU kann nicht bleiben, wie sie ist

  1. Andrea Catalano avatar
    Andrea Catalano

    Se si guardano i fatti abbiamo:
    – Stagnazione economica dell’Eurozona da 10 anni, quando le altre parti del mondo industrializzato (America, Asia e paesi europei che non fanno parte dell’Eurozona) crescono.
    – Crisi dei derivati (Monte dei Paschi, Deutsche Bank..)
    – Totale incapacità¡ da parte della UE di risolvere la crisi migratoria.
    – Totale incapacità¡ da parte della UE di intraprendere una politica estera coerente (a parte essere alleati e fornitori di armi della Turchia e dell’Arabia Saudita e quindi essere indiretti sostenitori dell’ISIS).
    – Totale incapacità¡ di capire che le sanzioni alla Russia danneggiano innanzitutto l’economia europea oltre che essere totalmente illegittime.
    – Incapacità¡ di risolvere la crisi ucraina (causata integralmente dalla UE) con costante rischio di un confronto armato con la Russia.

    Ora, se questi sono i risultati dell’UE (e dell’Eurozona), possiamo anche considerare concluso questo disastroso esperimento geopolitico…prima che sia troppo tardi.

    1. Andrea Catalano avatar
      Andrea Catalano

      @steffl
      Il paradosso é questo: gli USA sono grandi importatori al netto (basta che guardi la loro bilancia commerciale dagli anni ’80 in poi). L’America non ha bisogno di export per essere forte: ha già¡ un grandissimo consumo interno. Questo significa che l’America non ha necessità¡ di imporre mercati in giro per il mondo (come invece i paesi europei come la Germania devono fare, visto che sono forti esportatori e dipendono dall’export). Quindi é molto, molto strano che gli USA continuino a fare guerre dappertutto (per conto di chi le fa queste guerre ?). Che senso ha per un paese importatore fare un politica estera aggressiva ? E neanche il petrolio puó spiegare la politica estera americana per il semplice fatto che la Cina ha avuto una esplosione del consumo di petrolio (adesso la Cina consuma piú degli USA) ma non mi sembra che la Cina stia facendo guerre in medio-oriente o altrove, come sarebbe logico aspettarsi se fosse vera l’equazione petrolio=guerra. Per il resto la Cina puó esportare molto senza ricorrere a minacce o ricatti politici con altri paesi del mondo perché con un bassissimo costo del lavoro (e con l’uso dello schiavismo industriale) riesce a fare concorrenza sleale in vari modi.
      Comunque, per tornare al discorso di prima, il sospetto che gli USA stiano lavorando per qualcuno in Europa é piú che fondato.
      Guarda alla Siria: all’America non gliene frega niente di Assad, per loro puó anche restare: Assad é innanzitutto un nemico della Turchia. E chi c’é dietro alla Turchia ? E hai già¡ la risposta…

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