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Kein Vertrauen in diesen Staat.

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Zu Jahresbeginn hatte das Landesstatistikinstitut Astat Daten über die Zufriedenheit der Südtirolerinnen mit den öffentlichen Diensten 2023 ( Astat-Info 01/24) publiziert. Auf den Aspekt der Digitalisierung und anschließend auf den der mangelnden Zweisprachigkeit des Personals war ich bereits eingegangen.

Das Astat hatte mir jedoch auf Anfrage auch die nach Sprachgruppen aufgeschlüsselte Statistik über das Vertrauen der Bürgerinnen in die Verwaltungsebenen zur Verfügung gestellt, um die es im vorliegenden Beitrag gehen soll. Demnach ist der italienische Staat die Institution, die in Südtirol bei weitem das geringste Vertrauen (26%) genießt: Es folgen die EU (46%), die Region Trentino-Südtirol (56%), das Land (66%) und die Wohnsitzgemeinde (74%).

Interessant ist die Betrachtung nach Sprachgruppenzugehörigkeit, da es hier beträchtliche Unterschiede gibt: Während sich bei den Südtirolerinnen italienischer Muttersprache Vertrauen (44%) und Misstrauen (53%) in den Staat noch einigermaßen die Waage halten, sind es die Angehörigen der sprachlichen Minderheiten, denen der Staat offenbar vor allem Misstrauen einflößt.

Rund drei Viertel der Ladinerinnen (74%) und sogar ein noch etwas größerer Anteil der Deutschen (77%) stehen dem Staat misstrauisch gegenüber. Ein eklatantes Missverhältnis: Gut jede fünfte Deutschsprachige (21%) gibt sogar an, kein Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu haben; das ist mehr als die Summe aus denen, die ein sehr großes (1%) oder ein ziemlich großes (14%) Vertrauen in den Staat haben.

Der Anteil an den Italienerinnen in Südtirol, die dem Staat vertrauen (44%), ist demnach doppelt so groß wie jener an den Ladinerinnen (22%) und sogar dreimal so groß wie jener an den Deutschen (15%). Dass bei so niedrigem Vertrauen in die einflussreichste und mächtigste Institution eine demokratische Gemeinschaft auf Dauer gut funktionieren kann, ist für mich schwer vorstellbar.

Beim Vertrauen in das Land Südtirol stellt sich die Gesamtsituation anders dar: Eine große Mehrheit der Südtirolerinnen (62%) vertraut dieser institutionellen Ebene sehr oder ziemlich, nur ein knappes Drittel (32%) tut dies wenig oder gar nicht.

Bei der Betrachtung nach Sprachgruppenzugehörigkeit wird klar, dass das Land auch das mehrheitliche Vertrauen aller drei anerkannten Sprachgemeinschaften genießt. Doch anstatt ein Gegengewicht zur zentralstaatlichen Ebene darzustellen, die bei der deutschen und ladinischen Minderheit auf erhebliches Misstrauen stößt, ist auch das Vertrauen in die Südtiroler Landesinstitutionen bei den italienischsprachigen Bürgerinnen (84%) deutlich ausgeprägter als bei den ladinisch- (61%) und deutschsprachigen (52%). So erwecken offenbar auch die Institutionen der autonomen Selbstverwaltung im Rahmen des italienischen Staates nicht (mehr) das starke Vertrauen der Minderheiten.1Sehr großes Vertrauen genießt das Land Südtirol bei 32% der Italienerinnen, das ist ein über dreimal so großer Anteil als jener der Deutschen und Ladinerinnen (jeweils 10%). Wenigstens ein Teilindiz für die Gründe dieses Misstrauens in die Institution Land dürften wohl auch die bereits genannten Werte in puncto Verweigerung von Sprachrechten darstellen, da auch bei Diensten des Landes ein starkes Ungleichgewicht zu Lasten der Minderheitensprachen zu konstatieren ist.

Dass die SVP nun mit italienischen Ultranationalisten gemeinsame Sache macht, dürfte der positiven Identifikation mit dem Land wohl ebenfalls keinen Dienst erweisen.

Das extrem niedrige Vertrauen in den Staat, der sich hierzulande häufig durch nationalistisches Gehabe hervortut, anstatt auf Südtirols Besonderheit Rücksicht zu nehmen, sollte wohl genauso Anlass zur Sorge und zum Nachdenken sein wie die erheblichen Unterschiede zwischen den Sprachgruppen beim Vertrauen ins Land.

Siehe auch: 01 02 03

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    Sehr großes Vertrauen genießt das Land Südtirol bei 32% der Italienerinnen, das ist ein über dreimal so großer Anteil als jener der Deutschen und Ladinerinnen (jeweils 10%).


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